Wir nehmen Wasser in unserem täglichen Leben als selbstverständlich hin. In unserer Serie folgt unsere Redaktion der Spur des Wassers durch den Rhein-Erft-Kreis.
Diesmal ist unser Autor zu Besuch im Kentener Klärwerk.
Bergheim-Kenten – Nach Kölnisch Wasser duftet es wahrlich nicht. Aber der Geruch ist bei weitem nicht so streng wie befürchtet und wird mit jedem Arbeitsgang besser. Im Klärwerk in Bergheim-Kenten läuft das Brauch- und Regenwasser aus dem halben Nordkreis zusammen, wird aufbereitet und nach mehreren Reinigungsstufen der Erft zugeführt.
Vier große Transportschnecken, archimedische Schnecken genannt, hieven in Dauerrotation das Wasser, das in 1,5 Meter durchmessenden Rohren unterirdisch angeliefert wird, in den Reinigungskreislauf. Bis zu 1.000 Liter pro Sekunde schaffen die Schnecken weg. Über einen Rechen werden Gegenstände abgefischt, die an einem Fünf-Millimeter-Raster hängen bleiben. „Das wird leider immer mehr, während die Brauchwassermenge sinkt“, sagt Jochen Buir. Das liege an dem Müll, der in Toiletten und Gullys entsorgt wird. „Kosmetiktücher gehören in den Mülleimer, nicht ins Abwasser“, nennt der Abwassertechniker, der seit 2014 beim Erftverband und seit zwei Jahren bei dessen Kentener Klärwerk beschäftigt ist, als Beispiel.
Für Fische der Tod
Weiter geht es durch einen Kanal, in dem durch künstliche Strömungssteuerung mechanisch Sand und Fett abgeschieden werden. Danach wird in einer Rinne, die den Querschnitt zur sauberen Messung einschnürt, der Durchfluss errechnet. 17.000 bis 20.000 Kubikmeter fallen, abgegeben von rund 98.000 Einwohnern, an einem trockenen Tag an, bei Regen rund das Dreifache. Bei Starkregen kann das verdünnte Abwasser, nachdem sich die Sedimente in einem Überlaufbecken abgesetzt haben, gleich in ein Schilfbecken mit Retentionsbodenfilter eingeleitet werden. Ansonsten geht es nach weiterer Vorklärung in die chemische Abteilung. Hier wird Phosphat durch chemische Fällung (Anlagerung an Eisen oder Aluminium) ausgesondert, damit die Pflanzen an der Erft nicht überdüngt werden und die Fische keinen Sauerstoffmangel erleiden. Das Phosphat stammt aus Reinigungsmitteln und menschlichen Ausscheidungen. Das Metallphosphat wird verbrannt. „Es ist noch Zukunftsmusik. Aber wir wollen das Phosphat für die Landwirtschaft nutzbar machen“, sagt Buir.
Wasser ist Leben. Die alte Weisheit bekommt in den vergangenen Jahren neues Gewicht. Dass Wasser aus der Leitung kommt, nehmen wir als ebenso selbstverständlich hin wie die Tatsache, dass wir im See baden können oder unsere Blumen gießen.
Wir folgen der Spur des Wassers im Rhein-Erft-Kreis, der ja gleich zwei Flüsse im Namen trägt. Wo kommt unser Trinkwasser her, und wie sicher ist, dass es in 50 Jahren immer noch aus dem Hahn fließt? Wie leben Menschen am Rheinufer?
Wie viel Wasser wird die Landwirtschaft künftig verbrauchen? Und nicht zuletzt gehen wir der Frage nach: Welche Rolle spielt das Wasser bei unserer Freizeitgestaltung? All dies werden wir mit unseren Berichten beleuchten. (uj)
In der biologischen Abteilung „kommen die Mikrofachkräfte zum Einsatz“, sagt Buir. Damit sind Bakterien gemeint. Millionen von ihnen nehmen im Belebungsbecken Kohlenstoffverbindungen als Nahrung auf und wandeln sie mit Hilfe von Sauerstoff in Kohlendioxid um. Ammonium-Verbindungen, die zum Beispiel bei der Zersetzung von Harnstoff entstehen, werden von Bakterien zu Nitrat oxidiert beziehungsweise umgewandelt. Im nächsten Verfahrensschritt sorgen andere Bakterien dafür, dass aus dem Nitrat elementarer Stickstoff wird, der als Gas in die Atmosphäre gelangt und das Gewässer nicht belastet.
Zum Schluss kann sich das Wasser in den großen runden, sechs Meter tiefen Becken beruhigen. Alles wird nochmal gut durchgekämmt und letzte Reste abgeschöpft, dann gehen 14.000 Kubikmeter Wasser (das entspricht 100.000 Badewannenfüllungen) pro Tag in die Erft. Die herausgefilterten Reste kommen in einen von drei 25 Meter hohen Faulzylinder. Mit einer Biogasanlage und mittels Blockheizkraftwerk wird das Ganze in Energie verwandelt, mit der die Büros beheizt und 80 Prozent des Strombedarfs der Kläranlage gedeckt werden. Was dann noch übrigbleibt, wird zentrifugiert und verbrannt, zum Beispiel im RWE-Kraftwerk. Für die Zukunft denkt der Erftverband zusammen mit Nachbarverbänden über eine eigene Verbrennungsanlage nach.
„Zurzeit forschen wir in Glessen, wie wir Medikamentenrückstände herausgefiltert bekommen“, erläutert Luise Bollig, Sprecherin des Erftverbandes, den nächsten Schritt. Hormone (unter anderem in der Anti-Baby-Pille enthalten) und Schmerzmittel (wie der Wirkstoff Diclophenac), die durch Ausscheidung oder Duschen in den Wasserkreislauf gelangen, sollen durch Aktivkohlefilter abgesondert werden.
Erhebungen haben, wie Buir weiß, ergeben, dass die Zahl der Weibchen im Fischbestand durch die Hormone im Wasser stärker zunimmt, als die der männlichen Artgenossen. Regelmäßig überwacht wird die Wasserqualität im hauseigenen Labor von Katharina Grzesiek. „Aber Trinkwasserqualität müssen wir nicht erreichen“, sagt Buir, der auch immer wieder Schulklassen durch die Kläranlage führt.