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Hof Hensen in GlessenSechs Gänse helfen bei der Aufzucht der nächsten Martinsgänse

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Im Gänsestall von Johannes Hensen wird es bis zum Jahreswechsel leer. Die bunten Gänse dürfen als Führgänse bleiben.

Bergheim-Glessen – Neben dem Hof Hensen an der Hohe Straße herrscht normalerweise buntes Treiben. Hühner und Enten benutzen die Wiese hier tagsüber als Aufenthaltsort. Jetzt ist kein Geflügel mehr zu sehen. Gründe sind die weihnachtsübliche Dezimierung der Gänseschar, aber auch die Aufstallungspflicht für Geflügel, die aufgrund der grassierenden Vogelgrippe seit wenigen Tagen vor Weihnachten auch für den Rhein-Erft-Kreis gilt.

Überlebt haben das Martins- und Christfest Nella und fünf weitere Gänse, die Landwirt Johannes Hensen (52) Jahr für Jahr bei der Aufzucht der Gösseln – jungen Gänse – behilflich sind.

Seit mehr als 40 Jahren werden auf dem denkmalgeschützten, 1870 erbauten Hof, den Hensens Urgroßvater 1905 übernommen hat, vom Frühsommer bis Weihnachten Gänse großgezogen. „Dabei nehmen mir die Führgänse viel Arbeit ab“, sagt Hensen, der die treuen Dienste seiner gefiederten Kindermädchen schätzt. Dass sie nicht reinweiß, sondern „bunt“, also weiß und grau seien, sei praktisch. So seien sie in der Schar schneller auszumachen. Ansonsten habe die Färbung aber keine Bedeutung. „Die jeweils älteste Gans heißt traditionell Nella, die jetzige ist die dritte“, sagt Hensen, der die betagte Dame gelegentlich auch liebevoll „dickes Mädchen“ nennt.

Stets im Juni liefert ein Züchter aus dem Westfälischen 100 wenige Tage alte Gösseln, Männlein und Weiblein nach dem Zufallsprinzip „in etwa 50 zu 50“ gemischt. „Ohne die Führgänse müsste ich in den ersten Monaten jede halbe Stunde nachschauen, ob alles in Ordnung ist. Aber ich kann mich auf die Altgänse verlassen und gehe nur selten am Tag auf die Wiese“, sagt Hensen, den der gewonnenen Freiraum besonders in der Erntezeit freut.

Gelegentlich kippe ein Gössel im hohen Gras um. Dann helfe ein Alttier dem Nachwuchs wieder auf die Beine. Gefahren lauern vorwiegend aus der Luft: Bussarde, Sperber, Habichte und andere Vögel aus dem Königsdorfer und Glessener Wald können den Gösseln gefährlich werden. Wenn ein Greifvogel über der Wiese kreist, treiben die sechs gefiederten Tagesmütter die junge Schar in den Stall.

Zahlen und Legenden

Etwa 800 Landwirte halten landesweit nach Angaben der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen in Münster jährlich rund 55 600 Gänse. Von Juni bis Dezember erreichen die Tiere eine durchschnittliches Gewicht von sechs bis acht Kilogramm, was einem Schlachtgewicht von 3,5 bis 4,5 Kilogramm entspricht. In den mindestens 22 Wochen ihrer Entwicklung vertilgt jede Gans 15 bis 20 Kilogramm Kraftfutter.

Der Verkauf der Gänse beginnt traditionell zum Martinstag, dem 11. November. Martin von Tours hatte sich, so die Legende, im 4. Jahrhundert nach Christus in einem Gänsestall versteckt, um seiner Wahl zum Bischof zu entgehen. Das Schnattern der Tiere soll ihn damals verraten haben.

Auch Regen vertragen die Gösseln nicht. Eine Erkältung könnte in dem zarten Alter tödlich ausgehen. Also heißt es für das Betreuungsteam, den Nachwuchs rasch unter den Unterstand zu scheuchen. „Sie würden auch Füchse vertreiben, aber die gibt es hier mitten im Ort nicht“, sagt Hensen.

Morgens sperrt er den Stall auf und abends wieder zu. Sonst würden einzelne Tiere nächtens auf Wanderschaft gehen. „Die Führgänse halten die Verluste seit Jahren auf null“, schwärmt Hensen. Damit das auch so bleibt, hält er sich strikt an die Aufstallpflicht. Die 650 Legehühner und 50 Puten leben ohnehin im Stall. Und auch für die Gänse und Enten ist der Freigang seit Mitte November, seit in Deutschland die ersten Fälle der Vogelgrippe bekanntwurden, gestrichen.

Früher hätte die Gänse, die nach drei Lebensmonaten zu schnattern beginnen, ihre letzten Wochen ohnehin im Stall zugebracht, um sich gut fett zu fressen. „Aber heute will nach moderner Essphilosophie niemand mehr fette Gänse, und Gänseschmalz ist auch nicht mehr so gefragt“, sagt Hensen. Da die Tiere die Nacht ohnehin im Stall zubrächten, litten sie unter der aktuellen Vorschrift nicht. Bedauerlich fänden das, sagt Hensen, eher die Passanten, die oft an der Wiese stehen blieben, um den Gänsen zuzuschauen. Es gebe junge Familien mit Kindern, die nahezu täglich am Gatter vorbeischauen.

Rund 20 Gänse zählt die Schar noch. „Das Schlachten fällt mir schwer, aber es muss sein. Schließlich stellt der Verkauf der Gänse von St. Martin bis Weihnachten einen festen Bestandteil der Betriebseinnahmen dar“, sagt Hensen. Bis auf die Führgänse wird der Bestand um den Jahreswechsel komplett in der Bratröhre gelandet sein. Nella und ihre fünf Kolleginnen werden dann die Ruhe genießen und Eier liefern, die Hensen verkauft.