Mit der 55-Jährigen schicken die Brühler Grünen erstmals eine Frau in das Rennen um das Bürgermeisteramt. Sie hat einiges vor.
KommunalwahlDas motiviert Simone Holderried im Ringen um den Bürgermeisterposten in Brühl
Simone Holderried (55) wuchs im oberschwäbischen Bad Saulgau auf. Seit mehr als 20 Jahren ist die Diplom-Pädagogin in Brühl zu Hause. Dort führt sie seit 2020 die Fraktion der Grünen im Rat. Vor wenigen Tagen nominierten die Parteimitglieder mit der Supervisorin erstmals eine Frau für den Kampf um den Bürgermeister-Posten. Redakteur Wolfram Kämpf sprach mit Holderried über ihre Ziele, die Verkehrs- und Schulpolitik.
Frau Holderried, angesichts der aktuellen politischen Stimmung deutet wenig darauf hin, dass die Grünen bei der kommenden Kommunalwahl vielerorts zur bestimmenden Kraft werden. Warum investieren Sie dennoch viel Zeit und Energie, um als Bürgermeisterkandidatin in Brühl anzutreten?
Simone Holderried: Es stimmt, für die Grünen ist es eine schwierige Phase in einer gesellschaftspolitisch herausfordernden Zeit. Aber in Brühl hatten wir bei der Europawahl ein erfreuliches Ergebnis. Der Wahlkampf hat Spaß gemacht, viele neue, engagierte Leute waren dabei. Ich erhoffe mir ein besseres Abschneiden als im Bundesdurchschnitt und rechne mir für die Bürgermeisterinnenwahl eine realistische Chance aus. Spätestens seit klar ist, dass Dieter Freytag als Amtsinhaber nicht antritt, bin ich davon überzeugt, dass es ein offenes Rennen wird. Dass ich als Frau antrete, hat viele positive Rückmeldungen hervorgerufen – auch von Menschen, die bislang nicht die Grünen wählen.
Simone Holderried will Prozesse in Verwaltung anstoßen
Was reizt Sie denn an dem Posten?
Seit ich hier lebe, habe ich Brühl liebgewonnen. Die Möglichkeit, im Zusammenspiel mit dem Stadtrat zu gestalten und in der Verwaltung Prozesse anzustoßen, ist absolut reizvoll. Ich konnte schon als Fraktionsvorsitzende manches erreichen, aber als Bürgermeisterin geht noch viel mehr. Außerdem habe ich mich schon als junge Erwachsene mit dem Thema Frauen in Führungspositionen beschäftigt. Jetzt bin ich Mitte 50 und kann nicht mehr nur von anderen Frauen erwarten, dass sie aktiv werden.
Sie haben bislang noch nie eine Behörde oder ein größeres Unternehmen geleitet. Sollten Sie sich durchsetzen, wären Sie die Chefin von rund 900 Mitarbeitern in der Stadtverwaltung.
Das traue ich mir zu. Ich beschäftige mich beruflich mit den Themen Kommunikation und Führung. Exakt das sind die Kernkompetenzen, die an der Spitze einer Verwaltung gefragt sind. Funktionierende Kommunikation ist mein Alltagsgeschäft. Ich bilde Führungskräfte in diesem Bereich weiter, kenne also deren Herausforderungen bestens.
Ein wichtiges Feld in der Kommunalpolitik ist die Bildung. Die vom rot-grünen Mehrheitsbündnis präferierte Schaffung einer zweiten Gesamtschule ist im vergangenen Jahr krachend gescheitert. Würden Sie sich für einen erneuten Anlauf einsetzen?
Fakt ist, dass es ein Problem gibt, das gelöst werden muss. Etwa 50 Kinder wurden in der Vergangenheit Jahr für Jahr an der bestehenden Gesamtschule abgelehnt. Ich fand es eine gute Idee, diesem Problem mit einer zweiten Gesamtschule zu begegnen. Aber der Weg war offensichtlich nicht der richtige. Man kann das Thema aber nicht liegen lassen, sondern muss es angehen.
Welche Weichenstellungen benötigt die Schullandschaft in Brühl denn noch?
Ich würde mich für den Erhalt der vielen kleinen Grundschulen einsetzen. Denn das System muss für Kinder überschaubar sein, und die Schulwege müssen kurz bleiben. Ich stehe für eine gute Ausstattung der Schulen ein, dazu gehören anregende Lernräume und saubere Toiletten. Mit dem Innovationsfonds haben wir zudem den Schulen die Chance eröffnet, selbst Ideen zu kreieren und dafür Geld zu erhalten. Das ist der richtige Weg. Mich beschäftigt zudem die Frage, ob es sinnvoll ist, dass immer mehr Kinder das Gymnasium besuchen. Wer dort nicht zurechtkommt, steht vor einem Schulwechsel, der für Kinder und Eltern nicht leicht zu meistern ist. Das halte ich für keine gute Entwicklung.
Die Brühler Wirtschaft hat zuletzt einige Rückschläge hinnehmen müssen. Wäre es nicht an der Zeit, dem Phantasialand als einem der wichtigsten Arbeitgeber Möglichkeiten zur Expansion einzuräumen?
Nein. Das Argument, Arbeitsplätze schaffen zu müssen, halte ich für veraltet. Schon heute herrscht in vielen Bereichen Arbeitskräftemangel. Dieser wird sich in den kommenden Jahren verschärfen.
Aber wo sehen Sie Potenzial für wirtschaftliches Wachstum, das angesichts der schwierigen finanziellen Situation der Stadt dringend gebraucht wird?
Wir müssen sehr offensiv mit der Wirtschaftsförderung auf Unternehmen zugehen und für den Standort werben. Denn Brühl ist aufgrund seiner Lage und Anbindung an Köln und Bonn sehr attraktiv. Viele junge Familien ziehen hierher – das sind auch Fachkräfte. Weil es nicht viel Fläche für Gewerbe gibt, sollten wir schauen, dass sich kleine, innovative Unternehmen ansiedeln, gerne auch innenstadtnah. Wenn wie früher Leben, Arbeiten und Wohnen nah beieinander liegen, können auch manche Wege vermieden werden. Ein weiterer Ansatz, um die Stadt zu beleben, können auch neue Veranstaltungsformate sein. Die bestehenden Märkte sprechen immer ein ähnliches Publikum an. Ich könnte mir zusätzliche Events, etwa für Familien mit Kindern oder Musikinteressierte, vorstellen.
Holderried wirbt für Geduld bei der Umsetzung von verkehrspolitischen Projekten
Die Verkehrswende ist ein Kernthema Ihrer Partei. Wo sind nach vier Jahren mit rot-grüner Mehrheit im Stadtrat konkrete Fortschritte zu erkennen?
Man muss feststellen, dass Veränderungen im Verkehrsbereich eine langfristige Angelegenheit sind. Im Moment werden viele Ideen zum Radwegnetz erarbeitetet, aber die Umsetzung dauert. Es gibt zum Beispiel konkrete Pläne für die Gestaltung der Pingsdorfer Straße, bis Veränderungen sichtbar werden, wird aber viel Zeit vergehen. Es gibt jedoch auch andere Beispiele. So haben wir einen weiteren Test von Leihfahrräder mit viel Engagement durchgesetzt. Und inzwischen ist Brühl bei der Nutzung Spitzenreiter im Kreis. Auch die Aktion „Brühl macht Platz“ war wichtig. Die Kölnstraße einmal ohne Dauerverkehr zu sehen, hat Erkenntnisse und Eindrücke geliefert. Hinzu kommen viele kleine Verbesserungen wie der Abbau von Drängelgittern auf Radwegen, die fahrradfahrerfreundliche Umstellung von Ampeln. Wir haben die Verwaltung in diesem Bereich gestärkt und dort nun sehr gute Fachleute.
Sind Sie eigentlich auf die SPD als Bündnispartner festgelegt oder sehen Sie Überschneidungen mit anderen?
Im Moment ist es das ideale Bündnis. Wir haben viel auf den Weg gebracht. Perspektivisch muss man immer gucken, für welche Mehrheitsverhältnisse es reicht. Als Bürgermeisterin würde ich ungern gegen eine Stadtratsmehrheit ohne Beteiligung der Grünen anarbeiten. Das wäre mühsam und nicht im Sinne unserer Stadt. Grundsätzlich fände ich es gut, wenn in Sachfragen häufiger Partei- und Fraktionsgrenzen hintenangestellt würden. Ich bin dazu als Vertreterin des realpolitischen Flügels meiner Partei auch bereit.