Susanne Bourier von „Gemeinsam für Brühl“ gehörte zu den Initiatorinnen von Kundgebungen gegen Rechtsextremismus.
Einsatz für DemokratieSusanne Bourier aus Brühl über die Wirkung von Demonstrationen
Zigtausende Menschen gingen zu Jahresbeginn in fast allen Städten im Kreis auf die Straße, um ein Zeichen gegen Rechtsextreme und für den Erhalt der Demokratie zu setzen. Diese friedlichen Demonstrationen brachten Parteien, Vereine, Initiativen und christliche Kirchen sowie viele Privatleute zusammen. Anlass war ein vom Recherchenetzwerk Correctiv aufgedeckter Plan eines Geheimtreffens Rechtsextremer in Potsdam, wonach Millionen Menschen aus Deutschland deportiert werden sollen. Jörn Tüffers sprach mit Susanne Bourier von der Initiative „Gemeinsam für Brühl“ – stellvertretend für die Initiatoren aller Demonstrationen im Rhein-Erft-Kreis.
Frau Bourier, welches Fazit ziehen Sie nach den Demonstrationen, die es außer in Brühl ja auch in vielen anderen Städten gegeben hat?
Ich kann mich noch sehr gut erinnern: Es lag nach den Correctiv-Veröffentlichungen zu den sogenannten Remigrationsplänen der Rechtsextremen etwas in der Luft. Sehr viele Menschen waren empört, wollten klar und deutlich zeigen, was sie von den Plänen und Machenschaften dieser antidemokratischen Herrschaften hielten: nämlich gar nichts. Das war die Kraft, die Welle, die diese Demonstrationen trug. Und wir wissen: Sie war sehr stark. Mich persönlich hat das sehr glücklich gemacht.
Was hat Sie besonders beeindruckt?
Dass diese Initialzündung auf der Basis eines breiten Bündnisses aus Initiativen und demokratischen Parteien gelungen ist, ist ein ermutigendes Zeichen. Bundesweit waren die Demonstrationen gegen Rechtsextremismus und für die Demokratie eine der größten Bürgerbewegungen in der Geschichte der Bundesrepublik. Der Zusammenschluss demokratischer Parteien und Initiativen hat auch in Brühl sehr gut funktioniert. Die Menschen hier haben eindrucksvoll bewiesen, dass sie aufstehen und laut sein können, wenn Faschisten unsere Demokratie bedrohen.
Das wurde in Brühl besonders deutlich sichtbar.
Meines Wissens war Brühl die einzige Stadt im Rhein-Erft-Kreis, die parteiübergreifend gleich zwei Demonstrationen gegen Rechtsextremismus auf die Beine gestellt hat. Darauf sind wir stolz. Diese Bewegung, diese große Solidarität untereinander hat uns Kraft gegeben. Und das hält an.
Was haben die Demonstrationen gebracht?
Diese Demonstrationen haben in zwei Richtungen funktioniert: Zum einen sind sehr viel mehr Menschen – wohl die große Mehrheit – bereit, für unsere Demokratie und unsere Rechte auf die Straße zu gehen. Ein ganz starkes Signal gegen Verfassungsfeinde wie die in weiten Teilen rechtsextreme AfD. Die Mehrheit der Deutschen ist mit ihren menschenverachtenden Ideen und Plänen nicht einverstanden. Und die Demonstrationen haben bewiesen: Unsere Demokratie ist wehrhaft, wenn es darauf ankommt. Genau das war die andere Stoßrichtung: Die Menschen haben der AfD und ihren Gesinnungsgenossen gezeigt, dass ihre politischen Machtambitionen nicht aufgehen werden. Die Demokratie ist stärker. Ich persönlich glaube, dass diese Initialzündung, die vor einem Jahr funktioniert hat, bei einer akuten Bedrohung der Demokratie wieder wirken würde. Die Menschen, auch in Brühl, würden ganz sicher wieder auf die Straße gehen. Sie sind ja sensibilisiert.
Der AfD haben Negativschlagzeilen wie das Treffen am Wannsee offenkundig nicht geschadet – bei den Wahlen in ostdeutschen Bundesländern hat sie deutlich zugelegt. Sind Sie und andere vergebens auf die Straße gegangen?
Ganz klar: nein! Die AfD mag in Ostdeutschland zugelegt haben, im bundesweiten Trend fallen die Umfragewerte jedoch wieder. Die Demos haben zudem dazu geführt, dass Demokratinnen und Demokraten in Brühl und anderswo sehen, hören und spüren konnten: Wir sind nicht allein. Wir sind keine kleine Minderheit, die hilflos mit ansehen muss, wie die freiheitlich-demokratische Grundordnung ausgehöhlt und verächtlich gemacht wird. Die Demonstrationen haben bei einigen Menschen eine Art Schockstarre, mit der sie dem Rechtsruck in Deutschland gegenüber standen, aufgelöst.
Und das hat wozu geführt?
Wir alle können, wir müssen für unsere Demokratie aufstehen und kämpfen. Das ist das Bewusstsein, das sich bei vielen gebildet hat. Das sehen wir auch daran, dass die Vernetzung zwischen den einzelnen beteiligten Organisatorinnen und Organisatoren gewachsen ist. Die Kontakte sind viel besser. Wir wurschteln nicht mehr allein vor uns hin, sondern arbeiten zusammen. Und wir sind stärker geworden. Nicht nur „Gemeinsam für Brühl“, für das ich stellvertretend spreche, hat neue Aktive gewonnen. Auch die Brühler Initiative für Völkerverständigung (BIfV) ist gewachsen. Und jüngst hat sich in Brühl ein Ableger der „Omas gegen Rechts“ formiert.
Warum hat es keine weiteren Kundgebungen gegeben?
Der Standpunkt war ja klargestellt. Weitere Demos hätten zu diesem Zeitpunkt dafür gesorgt, dass ein Gewöhnungseffekt eintritt und das Interesse nachgelassen hätte. Das darf bei einem so wichtigen Thema nicht passieren. Es hat aber weitere Aktionen gegeben. Zur Feier des 75. Geburtstags des Grundgesetzes waren „Gemeinsam für Brühl“, weitere Initiativen und alle demokratischen Parteien in Brühl vor dem Rathaus versammelt. Die Stimmung war ausgelassen und fröhlich. Wir konnten mit vielen Besucherinnen und Besuchern sprechen. So war das auch am „Tag der offenen Gesellschaft“ im Juni. Unter dem Motto „Teilhabe statt Machtgehabe“ lernten wir und viele Gesprächspartner im Austausch auch andere nachdenkenswerte Perspektiven kennen.
Größere Aktionen sind laut der Aktivistin für den Erhalt der Demokratie in Vorbereitung
Inwieweit binden Sie Parteien in Ihr Bündnis mit ein?
Das ist das große „aber“. Der Versuch von „Gemeinsam für Brühl“ im Anschluss an die Demos ein überparteiliches und zivilgesellschaftliches Bündnis für Demokratie zu schaffen, gestaltet sich unerwartet schwierig. Unsere Idee ist ein Zusammenschluss aller demokratischen Kräfte in Brühl, der kontinuierlich und nicht nur punktuell zusammenarbeitet. Insbesondere bei den Parteien bindet die Bundestagswahl und auch schon die Kommunalwahl im Herbst 2025 offensichtlich viele Ressourcen. Wir mussten feststellen, dass die ganz konkrete Bedrohung unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung von rechts je nach Partei unterschiedlich wahrgenommen wird. Aber niemand wird uns in unserem Kampf um die Demokratie aufhalten. Es wird weitere, auch größere Aktionen geben. Dann sind die politischen Parteien hoffentlich wieder dabei.
Was sind Ihre Sorgen bezüglich der Bundestagswahl?
Unsere Sorge insbesondere auf das Abschneiden der AfD ist natürlich, dass diese Partei Regierungsverantwortung bekommt. Wie die Geschichte gezeigt hat, sind Faschisten nicht nur dann eine konkrete Gefahr für die Demokratie, wenn sie die absolute Mehrheit erhalten, sondern bereits dann, wenn sie „einen Fuß in die Tür kriegen“. Das ist ja bereits europaweit genau zu beobachten. Jede Stimme für diese Partei ist eine zu viel, denn: Demokratisch gewählt zu werden, bedeutet noch lange nicht, eine demokratische Partei zu sein. Es ist daher enorm wichtig, nicht nur die Wählerinnen und Wähler über den faschistischen, demokratiefeindlichen Kern dieser Partei aufzuklären. Die Gefahr liegt doch auch darin, dass die demokratischen Parteien der gesamten Bandbreite die AfD und die von ihr ausgehende Gefahr für unsere Demokratie unterschätzen oder gar verharmlosen. Die viel beschworene Brandmauer muss solide stehen, eine Zusammenarbeit mit der AfD muss ausgeschlossen bleiben – für jede demokratische Partei.