„Gibt's hier keinen Platz für mich?“Ukrainerinnen suchen in Brühl nach einem Job
Brühl – Mitte März musste es auf einmal ganz schnell gehen. Tatiana und Victoria, zwei Frauen aus der Ukraine, bot sich die Chance, das zu jenem Zeitpunkt nicht mehr sichere Kiew und damit ihr Heimatland, die Ukraine, das Land zu verlassen. Ein Bekannter aus Brühl, den Victoria über ein Erasmus-Studienprojekt kannte, wusste von einem anderen Freund, der gerade zu Filmaufnahmen in Lemberg war. Kurzerhand entstand der Kontakt über drei Ecken.
Ob er zwei Frauen mit nach Deutschland mitnehmen könne? „Ja klar“, lautete die Antwort, „aber die beiden müssten in den nächsten zwei bis drei Stunden in Lemberg sein. Hier passiert heute noch etwas. Wir müssen weg.“
Die 43-jährige Mutter Tatiana und ihre 21-jährige Tochter Victoria packten von jetzt auf gleich das Nötigste zusammen, fuhren mit der Bahn Richtung Lemberg und schließlich weiter nach Deutschland. Am 11. März erreichten sie zunächst Hürth. Inzwischen sind die beiden in Brühl in einer Wohngemeinschaft zu Hause.
Schwieriger Neuanfang
Dort basteln sie an einem neuen Leben. Denn wann die beiden in ihre Heimat zurückkehren können, ist offen. Die Voraussetzungen für einen Start in Deutschland scheinen gut. Tatiana ist Lehrerin für Englisch und Literatur und lehrte an einem College in Kiew. Victoria war mitten im Studium an einer Filmakademie und ging zahlreichen künstlerischen Hobbies nach. Amateur-Tanz auf hohem Niveau sowie Klavier spielen und singen zählten dazu.
Doch die Bürokratie erschwert, den Neuanfang und in der Wohngemeinschaft in Brühl wird es langsam ungemütlich. Das merkt insbesondere Tatiana. Klar: Lauter Fremde verschiedener Kulturen und Generationen unter einem Dach können sich auf Dauer auf die Nerven gehen.
Dazu kommt: Tatiana würde liebend gerne als Lehrerin arbeiten. Aber weder das Jobcenter noch irgendjemand anderes weiß, wie sie an eine solche Stelle gelangen kann. Dabei werden doch Lehrkräfte für ukrainische Kinder angeblich gesucht, wundert sich die Pädagogin. Deutsch kann sie noch nicht, aber sie spricht als Englischlehrerin ebenso wie Victoria fließend Englisch. „Gibt es hier keinen Platz für mich?“, fragt sich die gestandene Frau, die nicht untätig herumsitzen möchte.
Klavierstück komponiert
In ihren Gedanken über all die unglücklichen Umstände verbunden mit ihrer Heimat hat sie ein berührendes Klavierstück komponiert. Es spiegelt wider, was womöglich viele der hier ankommenden Menschen auf fremdem Terrain empfinden. „Wenn es jemanden gäbe, der das Klavierstück instrumental arrangieren könnte, wäre das einfach unglaublich“, sagt Tatiana hoffnungsvoll. Finanzieren kann sie so ein Projekt in ihrer Lage natürlich nicht.
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Victoria hat immerhin einen Aushilfsjob in der Gastronomie gefunden. Dazu darf sie in einer Brühler Tanzschule an den Masterclasses-Workshops teilnehmen. „Ein regelmäßiger Tanzpartner wäre natürlich super“, meint sie.
Eigenständigkeit im Fokus
„Wir sind sehr dankbar für alle, die uns bis hierhin geholfen haben“, betonen Tatiana und Victoria. „Viele Menschen haben uns unterstützt, obwohl wir Fremde waren. Aber ohne eine Arbeit und eine eigene Wohnung kommen wir nicht weiter. Ich bin nicht gewohnt, alimentiert zu werden und will das eigentlich auch nicht.“
Solange die beiden Frauen in Deutschland sind, möchten sie sich einbringen mit dem, was sie können. Und warten nun händeringend auf ihre Chance.