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Verängstigte Kinder, müde ElternLehrkräfte in Rhein-Erft rufen verzweifelt um Hilfe

Lesezeit 4 Minuten
Lehrerin allein in Klasse dpa

Eine Lehrerin sitzt allein in einem Klassenraum. 

Rhein-Erft-Kreis – Weiße Tücher an den Ranzen der Kinder, und viele Eltern zeigten ebenfalls Flagge und hatten sich für den Schulweg mit solchen Tüchern ausgestattet: Die Schulpflegschaft der Wolfhelmschule in Dansweiler hatte Schüler und Eltern aufgerufen, auf diese Weise Solidarität mit dem Schulpersonal zu demonstrieren, „welches seit Beginn der Pandemie unter erheblich erschwerten Bedingungen arbeiten muss“, sagt Larissa Lulic von der Schulpflegschaft der Grundschule.

In der vorigen Woche schon hatten viele Grundschulen weiße Fahnen aus den Fenstern gehängt, um anzuzeigen, dass Corona die Schulen an die Belastungsgrenze geführt hat. Nun schlägt auch der Kreisverband der Lehrergewerkschaft VBE (Verband Bildung und Erziehung) mit mehr als 600 Mitgliedern Alarm. „Grundschulen sind keine Testzentren, und auch der Gesundheitsschutz der Schulbeschäftigten muss Vorrang haben“, sagt die Kreisvorsitzende Sandra Zieße-Junghans. Die abrupten Strategie- und Richtungswechsel des Schulministeriums raubten dem Personal in den Schulen die letzten Kräfte.

Scharfe Kritik an geänderter Teststrategie des Landes

Die Kritik richtet sich vornehmlich gegen die geänderte Teststrategie des Landes. Grundschulen und Eltern würden zurzeit im besten Fall bis 20.30 Uhr vom Labor erfahren, in welchen Klassen eine unbekannte Anzahl von positiven Proben im „Klassenpool“ vom Morgen war. Dann hieße es für die Schulen, alle Eltern der betroffenen Klasse über Nacht zu informieren, doch möglichst vor dem Schulbeginn mit dem Schulkind einen Bürgertest vorzunehmen.

Johannes Schuck

Die Alternative sei die Selbsttestung der Kinder auf dem Schulgelände am nächsten Morgen – ein Verfahren, das jede Menge Hürden bereithalte. „Im Wissen, dass es definitiv positive Kinder in der Klasse gibt, müssen dann die Kinder unter Aufsicht – am besten vor Betreten der Klasse – einen Selbsttest durchführen“, schreibt der VBE. „Kleine Hände scheitern – je nach gelieferter Testcharge – schon beim Aufschrauben der Behälter mit den Pufferlösungen.“ Zur Hilfe kämen dann die Lehrerinnen und Lehrer: „Ohne Schutzkleidung und damit unter hoher Ansteckungsgefahr.“

Bis zu 210 Grundschüler müssen sich in Frechen morgens selbst testen

Nach Angaben des VBE habt es vergangene Woche in Frechen Schulen mit sieben positiven Klassenpools gegeben. „Das bedeutet, dass sich am Morgen nach den abendlichen Positivmeldungen bis zu 210 Grundschulkinder zum Unterrichtsbeginn auf dem Schulgelände selbst testen müssen.“ Dabei gehe ein Großteil der ersten Schulstunde verloren.

Mit weißen Tüchern am Schulranzen kamen die Kinder in die Wolfhelmschule in Pulheim-Dansweiler.

Die nächste Schwierigkeit bestehe darin, bei der großen Zahl an Kindern, die zuvor die Pufferlösung selbst auf die Testgeräte träufeln mussten, die 15-minütige Testzeit zu kontrollieren. „Da müssten dann eigentlich für jede Klasse bis zu 30 Kurzzeitwecker nach dem Auftropfen der Pufferlösung auf 15 Minuten gestellt werden“, sagt Johannes Schuck, Sprecher des VBE-Kreisverbands. „Dann müssen die Ergebnisse abgelesen und dokumentiert werden – spätestens nach 30 Minuten ist die Anzeige der Testkassette hinfällig.“

VBE spricht von verängstigten und entsetzten Kindern

Draußen zu testen sei aber nur möglich bei einer Temperatur von mehr als zwei Grad und bei ausreichend „Testplätzen“ im Freien. „Bei niedrigeren Temperaturen und nicht genügend Plätzen, muss das Testen mit höherem Ansteckungsrisiko in geschlossenen Räumen und, beim eigentlichen Testen, ohne Maske stattfinden“, sagt Schuck. „Die verängstigten und entsetzten Kinder, die ein positives Ergebnis haben, dürfen nicht in den Unterricht, und die Eltern müssen informiert werden.“

Sandra Zieße-Junghans

Allerdings könnten die Klassenlehrerin oder der Klassenlehrer es nicht übernehmen, die Eltern zu informieren. „Der Unterricht für die negativ getesteten Kinder startet ja“, sagt Schuck. Die Schulsekretariate jedoch würden von den Schulträgern – gerade an kleineren Grundschulen – nicht täglich besetzt. Und die Schulleitungen hätten selbst „nicht unerhebliche Unterrichtsverpflichtungen und müssen gleichzeitig die wegen Erkrankung oder Quarantäne ausfallenden Lehrkräfte ersetzen, Vertretungspläne erstellen, das Gesundheitsamt über positive Indexfälle informieren und die Quarantänelisten der Klassen auf den Tag genau erstellen.“

„In Pulheim infizierten sich Lehrkräfte trotz ausschließlich negativer Schnelltests“

Den Lehrervertretern stößt auf, dass mit Schnelltests nachgetestet werde, die oftmals trotz Infektion nicht anschlügen – „das Kind hat vielleicht den Test nicht fehlerfrei durchgeführt oder – häufiger – die Virenlast war für den Schnelltest noch nicht hoch genug“. Falsch negative Tests seien gefährlich. „In Pulheim infizierten sich Lehrkräfte trotz ausschließlich negativer Schnelltests“, heißt es in der Pressemitteilung des VBE.

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Nach zwei Jahren Pandemie seien die Kräfte an den Grundschulen nun am Ende. Zieße-Junghans fordert Unterstützung, etwa indem den Schulleitungen mehr Zeit für Verwaltungsarbeit angerechnet wird oder indem die Stunden für Grundschulsekretariate „schnellstens und umfassend erhöht werden“. Und Schuck ergänzt: „Dem Lehrkräftemangel an Grundschulen muss auch ganz grundsätzlich mit einer Attraktivitätsoffensive, die auch eine höhere Bezahlung umfasst, begegnet werden.“