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HeimatforscherEinsatz für die Sprache

Lesezeit 6 Minuten

Auf der Alefstraße mit ihren historischen Häusern trifft Dietmar Kinder einen früheren Schulkameraden.

Elsdorf – „Wenn ich nach Hause komme, freue ich mich immer, noch den Kirchturm zu sehen“. Das Ländliche, Unverbaute, keine Hochhäuser, die die Sicht verstellen – das gefällt Dietmar Kinder an seiner Heimat. Der frühere Gemeindearchivar, Autor und Heimatforscher ist in Heppendorf geboren, Elsdorfs östlichstem Stadtteil, und lebt dort nach wie vor. Zu Hause hat er eine Art Dorfchronik angelegt: zahlreiche Fotos und Zeitungsausschnitte, in dicken Ordnern sortiert. Im selbst verlegten Buch „Geschichten aus der Heimat“ hielt Kinder meist selbst Erlebtes in Kurzgeschichten und Gedichten fest.

Der Spaziergang mit dem 72-Jährigen führt in die Ortsmitte, in die Alefstraße, zur Kirche St. Dionysius. Der Kirchturm bekam im Krieg etwas ab und musste wieder aufgebaut werden – das ist in Kinders Fotosammlung dokumentiert. Der Dorfplatz ist immer noch der Festplatz in Heppendorf. Hier startet etwa der Festzug der St. Sebastianus-Schützen. Kinder ist seit über 50 Jahren Mitglied und arbeitet an der Chronik zum 600. Bestehen im kommenden Jahr mit.

Hier wird aber auch der Maibaum aufgestellt. Kinder erzählt, dass es früher nicht nur den Junggesellenverein „Frohsinn“ gab, sondern auch die „Kott Junge“, gegründet von Flüchtlingen. Auch sie stellten einen Maibaum auf, und es gab eine doppelte Maifrauenversteigerung. „Das führte zu Prügeleien“, weiß Kinder.

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An den alten Kastanien vor der Kirche macht er halt. „Hier wurden früher alle wichtigen Mitteilungen aufgehängt.“ Das habe auch für öffentliche Entschuldigungen gegolten, zu denen man vom Schiedsmann verdonnert wurde. Kinder hat die Tradition aufgegriffen und einen Handzettel aufgehängt. Darauf ist zu lesen, dass Wolfgang Bosbach im Juni mit dem „Lehrer-Welsch-Sprachpreis“ ausgezeichnet wurde. Dieser wird von der Kölner Regionalgruppe des „Verein Deutsche Sprache“ jährlich für besonderen Einsatz für eben diese verliehen. Der Verein plädiert dafür, dass weniger überflüssige Anglizismen verwendet werden und statt dessen ein deutsches Wort, Beispiel „Veranstaltung“ statt „Event“. Einen Negativ-Preis gibt es auch: Den „Sprachtünnes“, der für 2013 noch vergeben wird.

Gleich neben der Kirche steht die frühere Schule, die Kinder besucht hat. Ein Teil davon ist heute das Bürgerhaus. „Schade, dass kein größerer Saal daraus gemacht wurde“, findet der Heimatforscher. Auch schade sei, dass es kaum noch Geschäfte gebe – ein Problem in vielen kleinen Orten. „Früher war das Dorf autark, es war alles Nötige da“, erinnert sich Kinder – gleich vier Lebensmittelläden, Metzger, Schmied, Schuster und mehrere Kneipen. Heute ist auf der Alefstraße nur noch die Dorfschänke, dazu gibt es im Ort das Restaurant „Zum goldenen Schuß“, die Gaststätte Burg Stammeln und eine Grillstube.

Der Spaziergang führt die Alefstraße hinunter an alten Höfen und Häusern vorbei. Auf dem Weg trifft Kinder Franz-Josef Klein, den er noch aus der Schule kennt. Die beiden tauschen Neuigkeiten aus. Dann geht es durch ein Tor zur Reitschule Hensen. Hier befindet sich der ehemalige Bauernhof von Kinders Großeltern. Er wuchs auf dem Grundstück auf. „Damals wurden noch Kühe gehalten“, weiß er. Heute führt sein Vetter Wilfried Hensen den mit 41 Jahren ältesten Reitbetrieb im Ort. „Früher haben hier auf der Wiese auch Turniere stattgefunden“, erinnert sich Kinder. Er schaut sich Hensens Turnierpferd an. Das Tier ist zutraulich – vielleicht spürt es, dass Kinder früher selbst ein Pferd besaß. Der Schimmel „Rauhgraf“ war im Dorf berühmt: Der frühere Archivar spannte ihn vor seine Kutsche, mit der er Rundfahrten durchs Dorf machte, und ritt auf ihm als „St. Martin“. Zudem wurde das Pferd erstaunliche 39 Jahre alt.

Die Reise geht weiter zu einem Platz, der in Kinders Geschichten auftaucht: Eine alte Linde, die an der Kreisstraße schräg gegenüber des Sportplatzes steht. Hier kommt Kinder gerne bei Spaziergängen vorbei. Wenn nicht gerade Autos vorbeifahren, ist es ruhig, nur Gras und Blätter rascheln. „Das ist schon meditativ“, meint Kinder. Früher habe der Baum frei gestanden. Heute bedeckt vermülltes Gestrüpp den Boden. „Ich muss mal der Stadt Bescheid geben, damit hier was passiert“, sagt Kinder. Es gebe unter dem Gestrüpp einen alten Gedenkstein, der gar nicht mehr zu sehen sei. Die nächste Station ist Burg Stammeln, eine Anlage aus dem 16. Jahrhundert. Das Gestüt ist weithin bekannt. Auch eine Gaststätte gibt es, die kürzlich neu eröffnete. „Früher haben wir oft an der Burg gespielt“, erzählt Kinder. Es sei nie langweilig gewesen, immer habe jemand eine Idee gehabt: Dosenwerfen, Buden bauen, Ballspielen oder schwimmen. Der „Stammelner Pol“ sei einer von vier Teichen im Ort gewesen. Kinder zeigt die jetzt überwucherte, trockene Stelle: „Da habe ich Schwimmen gelernt.“

Es gibt aber noch ein sehr idyllisches Gewässer im Stadtgebiet, das Kinder gerne besucht: den Grouvener Weiher. „Das ist wirklich eine schöne Ecke, besonders, wenn die Sonne tief steht“, schwärmt er. Schon früher sei er mit seiner Frau am See spazieren gegangen. Er besitzt ein älteres Foto mit einer Dreiergruppe alter Bäume. „Die sind jetzt aber wohl nicht mehr da.“

Zu Sicherheit fragt Kinder einige ältere Männer, die es sich auf Bänken am See gemütlich gemacht haben. Sie zeigen auf einen fast waagerecht ins Wasser hängenden Baum: „Der ist noch übrig von den dreien.“ Letzte Station ist ein Ort, der heute nicht mehr zu Elsdorf, sondern zu Bergheim gehört. In einem Wäldchen mitten im Feld zwischen Heppendorf und Thorr stehen die Ruinen von Haus Laach. „Hier haben wir als Kinder oft gespielt“, sagt der Heimatforscher. Einst sei Haus Laach ein stolzes Rittergut gewesen. Es wurde im 13. Jahrhundert gebaut und 1945 abgebrochen. Seither verfällt es immer mehr. Mit einigen anderen Bürgern setzt sich Kinder für den Erhalt ein. „Es ist eine Schande, dass da nichts dran gemacht wurde. Bald verfällt es ganz.“

Nach Elsdorf selbst führt die Tour nicht – „wir sind eher nach Sindorf und Bergheim orientiert“, sagt Kinder. Im Hauptort gefalle ihm aber der alte Teil um die Kirche St. Mariä Geburt. Generell sei leider viel Schönes im Stadtgebiet durch den Tagebau Hambach verloren gegangen – zum Beispiel Etzweiler und Umgebung oder der Bürgewald. Mit der Initiative „Verheizte Heimat“ hatte Kinder vor Jahren dafür plädiert, dass die Abbaugrenze des Tagebaus etwas zurückgenommen wird. „Das hätte Burg Reuschenberg und den Sittarder Hof erhalten.“ Leider hat das nicht geklappt.

Für die kommende Zeit hat sich Dietmar Kinder vorgenommen, seine Fotosammlung nach und nach ins Internet zu stellen, um sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.