Bettina Tanneberger und ihre Mitstreiter recherchierten zu jüdischem Leben in Friesheim, Gymnich und Erp.
Gedenken an Opfer des NS-RegimesIn Erftstadt werden 45 Stolpersteine verlegt
Bettina Tanneberger hatte als Neubürgerin zufällig von den drei Synagogen erfahren, die einst in Lechenich, Friesheim und Gymnich im Mittelpunkt des jüdischen Lebens standen. Einen Hinweis auf eine Synagoge fand sie jedoch nur in Lechenich. Bei ihren Recherchen fiel ihr dann schnell auf, dass es auch nur in Liblar und Lechenich Stolpersteine vor den Häusern gibt, in denen jüdische Menschen gelebt haben und im Nationalsozialismus verschleppt und ermordet wurden.
In einigen Büchern und im Stadtarchiv fand Tanneberger Hinweise darauf, dass es auch in Friesheim, Gymnich und Erp jüdische Opfer des Nationalsozialismus gab. Sie regte an, auch ihnen jeweils einen Stolperstein zu widmen. Bei der Stadtverwaltung traf sie auf offene Türen. Im August 2023 stimmte der Ausschuss für Kultur ihrem Vorschlag zu.
Erftstädter Team suchte Kontakt zu den Nachkommen der jüdischen Überlebenden
Ein Jahr ist das jetzt her. Robert Niederprüm, Vorsitzender der Dorfgemeinschaft in Friesheim, und Thomas Fuß und Karl-Josef Welter vom Heimatverein Gymnich unterstützen Tanneberger. Arbeit gab es reichlich. Nachgewiesen werden sollte, wie viele jüdische Menschen wo und bis wann in Gymnich, Friesheim und Erp gewohnt haben und wo sie ermordet wurden. „Wir haben auch versucht, noch lebende Hinterbliebene der Opfer zu finden“, berichtet Welter, der über Gymnich recherchierte.
Geforscht hat er auch im Online-Archiv der nationalen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem. Er studierte das Online-Bundesarchiv und suchte in Gedenkbüchern nach Hinweisen. Um Kontakt zu den Nachkommen aufzubauen, schrieb er etliche E-Mails und Briefe nach Amerika und Israel. Allerdings blieb er ohne Antworten. „21 jüdischen Menschen, die einst in Gymnich gelebt haben, wurden im Nationalsozialismus verschleppt und ermordet“, sagt Welter. „Es waren ganz normale Menschen – Metzger, Viehhändler, Buchdrucker und anerkannte Geschäftsleute“, ergänzt Fuß.
Stolpertsteine in Friesheim, Gymnich und Erp
„Die Synagoge hat an der Schützenstraße 14-14a gestanden“, sagt Fuß. „Es war ein Wohnhaus mit einem Gebetsraum im ersten Stock“, berichtet Tanneberger. 1938 sei sie verwüstet worden. „1945 wurde die Synagoge von einer US-Bombe getroffen“, berichtet Welter. Vergeblich haben er und Fuß nach Fotos gesucht. In Friesheim wurde schon Ende der 1990er Jahre ein Gedenkstein für alle in Friesheim erfassten jüdischen Opfer des Nationalsozialismus aufgestellt. „Sogar Angehörige aus Amerika waren damals zu der feierlichen Einweihung gekommen“, berichtet Niederprüm. Sie hätten sich auch die Häuser ihrer Verwandten angesehen.
Niederprüm findet es gut, dass in Friesheim bald Stolpersteine an die einst 18 jüdischen Mitbürger erinnern werden. „Allein aus einem der Häuser wurde eine komplette Familie mit sechs Personen – Großeltern, Eltern und Kinder – 1942 auseinandergerissen und nach Theresienstadt und Treblinka deportiert und ermordet“, sagt er.
Das Projekt soll über Spenden finanziert werden
Tanneberger hat die Recherchen in Erp übernommen. Dort sollen sechs Steine verlegt werden – für Benedikt Schwarz, seinen Sohn Hermann und dessen Frau Johanna und deren drei Kinder. „Sie hatten ein Haushaltswarengeschäft“, sagt Tanneberger. Alle Daten seien kontrolliert und gegenrecherchiert. Auch sie hat Nachkommen gesucht. Und gefunden. „Johannas Schwester konnte nach Amerika fliehen“, berichtet Tanneberger. Sie habe zwei Kinder. „Und den direkten Neffen von Johanna Schwarz habe ich gefunden und angeschrieben“, berichtet sie. Er sei jetzt 93 Jahre alt. Es habe nicht einmal eine Woche gedauert, da habe sie bereits eine Antwort bekommen: „Liebe Bettina …“ habe er ihr geschrieben und dann in Englisch davon berichtet, dass für seinen Opa in Hellenthal schon ein Stolperstein gelegt sei und dass er bei der Verlegung dagewesen sei.
Jetzt freue er sich, dass auch seine Tante, sein Onkel und ihre drei Kinder einen Stolperstein bekämen. Er könne sich sogar noch ein wenig an den Hof in Erp erinnern, wo er als Kind öfter gewesen sei. „Die drei Kinder meines Onkels waren ja genau in meinem Alter“, schrieb er auch. Jetzt sei er aber zu alt, um die weite Reise nach Deutschland noch einmal auf sich zu nehmen. „Aber ich möchte Bilder“, hat er bereits angekündigt. „Die werde ich ihm natürlich schicken“, versichert Tanneberger.
Inzwischen sind die meisten Verlegestellen der 45 neuen Stolpersteine und der Verlegetermin am 6. Dezember um 9 Uhr festgelegt. Im Juli hatte Tanneberger die Daten an die Stiftung des Künstlers Gunter Demnig übertragen, der die Aktion initiiert hatte. Jeder Stein kostet 120 Euro. „Jetzt brauchen wir viele Spenden – insgesamt 5400 Euro“, sagt Tanneberger. Mit den jeweiligen Hauseigentümern in Friesheim und Gymnich, vor deren Häuser die Stolpersteine gelegt werden sollen, hätten sie bereits gesprochen. „Das Projekt wird durchweg sehr positiv gesehen“, sagt sie. Einzig in Erp müsse sie die genaue Adresse noch klären. 2025 sollen für die ehemaligen Synagogen in Gymnich und Friesheim weitere Steine verlegt werden. Kosten: 3500 Euro. Auch dafür wird bereits gesammelt. Ein Spendenkonto ist eingerichtet. Stolpersteine-Erftstadt@vodafonemail.de