AboAbonnieren

„Wenn wir Platz haben, nehmen wir sie auf“Frauenhaus in Rhein-Erft ist fast immer voll belegt

Lesezeit 3 Minuten
Eine Frau steht an einem Fenster. Zu sehen ist nur ihre dunkle Silhouette.

Seit der Pandemie ist die Zahl der Opfer von häuslicher Gewalt gestiegen, viele suchen Schutz in Frauenhäusern. (Symbolbild)

Im Rhein-Erft-Kreis sind oft alle Plätze im Frauenhaus belegt – die aktuelle Wohnungsmarktsituation verschärft die Lage.

Wohin kann sich eine Frau wenden, wenn sie sich zu Hause nicht mehr sicher fühlt, es einfach nicht mehr aushält? Sie muss den Mut finden. Kontakt aufnehmen, ohne dass dies jemand mitbekommt. Den richtigen Zeitpunkt abpassen, wenn der Ehemann nicht da ist. Solchen Situation sehen sich seit der Corona-Pandemie immer mehr Frauen ausgesetzt. Viele suchen Schutz in Frauenhäusern. Doch die Einrichtungen stoßen an ihre Grenzen.

Auch das Frauenhaus im Rhein-Erft-Kreis hat selten freie Plätze – und das nicht erst seit der Pandemie. Die Plätze seien eigentlich immer voll, sagt Margot Ernzerhof, die im Frauenhaus tätig ist. Auch momentan sei das Haus belegt. „Meiner Meinung nach hatten die Frauen während Corona keine Möglichkeit, sich Hilfe zu holen“, vermutet sie. Mehr Zeit Zuhause wie etwa im Homeoffice bedeute in Gewaltbeziehungen auch mehr Kontrolle.

Die Frauen hätten kaum die Möglichkeit gehabt, mit jemandem zu sprechen. Bundesweit ist die Zahl der Opfer von häuslicher Gewalt 2022 im Vergleich zum Vorjahr um 8,5 Prozent auf 240.547 gestiegen. Darunter waren 157.818 Opfer von Partnerschaftsgewalt, davon 80,1 Prozent Frauen.

Das Frauenhaus in Rhein-Erft nimmt Mütter und Kinder auf

Das Frauenhaus Rhein-Erft-Kreis habe zehn Plätze für Frauen und 14 Plätze für Kinder, Babybetten ausgenommen, teilt Margot Ernzerhof mit. Die Zimmer verteilen sich über mehrere Etagen, bis auf ein behindertenfreundliches Apartment mit eigener Küche und Sanitäranlagen teilen sich die Frauen Küche und Wohnzimmer.

„Wenn eine Frau anruft, und wir haben Platz, nehmen wir sie auf“, so Ernzerhof. Dann schaue man, wie es ihr geht, ob sie in einer Krise ist. Die zuständige Mitarbeiterin spreche mit der Frau über ihre Ängste, ihre körperliche Verfassung. Die Kinder werden ebenfalls von einer pädagogischen Mitarbeiterin in Empfang genommen. Der Kinderbereich diene auch zur Entlastung der Mütter. Und die Kinder dürfen dort einfach wieder Kinder sein, sagt Sabrina Prior, die im Kinderbereich tätig ist.

Wie lange die Frauen in der Einrichtung bleiben, ist unterschiedlich. „Manche Frauen bleiben nur für ein Wochenende und sammeln Kraft, um zurückzugehen“, sagt Ernzerhof. Die meisten Frauen bleiben und entwickeln eine neue, gewaltfreie Lebensperspektive, manche sind bis zu einem Jahr im Frauenhaus. Aktuell sei es schwierig, eine Wohnung zu finden. Aufgrund der aktuellen Wohnungsmarktsituation bleiben die Frauen laut Margot Ernzerhof etwa sechs bis zwölf Monate.

Psychische Belastung durch langen Aufenthalt

Doch ein längerer Aufenthalt kann sich auch negativ auswirken. „Eine lange Verweildauer geht mit einer starken psychischen Belastung einher“, erklärt Margot Ernzerhof. So können die Frauen langfristig keine Zukunft für sich und ihre Kinder planen. Und hinzu kommt laut Sabrina Prior, dass viele Frauen ein schlechtes Gewissen bekommen, weil sie Plätze für andere schutzsuchende Frauen und deren Kinder blockieren.

Bekommen die Frauen jedoch keine Wohnung, können sie nicht aus- und die nächste Frau nicht einziehen. Doch was können Betroffene in diesem Fall tun? Wenn im Frauenhaus kein Platz frei ist, gebe es die Möglichkeit zuerst in einem anderen Frauenhaus unterzukommen und später zu wechseln, so Ernzerhof.

Die Mitarbeiterinnen raten Betroffenen, sich an das bundesweite Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ unter 08000/116116 zu wenden. Das Frauenhaus Rhein-Erft-Kreis ist unter 02237/7689 zu erreichen. Auch online sind die freien Plätze in NRW einzusehen.