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Feuerwehr FrechenAggressionen, gefährliche Eingriffe und dreiste Forderungen bei Einsätzen

Lesezeit 3 Minuten
Auf dem Bild sind zwei Feuerwehrchefs zu sehen.

Brandamtsrat Dirk Jansen, Abteilungsleiter Gefahrenabwehr (Einsatzdienst) von der Feuerwehr Frechen und Brandoberinspektor Michael Weege (r.) , Wachabteilungsleiter der Feuerwehr Bergheim, beklagen die zunehmende Aggression und Dreistigkeit, die Einsätze der Rettungskräfte erschweren.

Zwei Feuerwehrchefs beklagen die zunehmenden Schwierigkeiten im alltäglichen Dienst und berichten über ihre bitteren Erfahrungen. 

 „Alles ist heute viel aggressiver geworden, die Hemmschwelle ist deutlich gesunken, es gibt weniger Anstand, weniger Respekt.“ Das Urteil von Dirk Jansen, Abteilungsleiter Gefahrenabwehr (Einsatzdienst) bei der Feuerwehr Frechen ist eindeutig. Der Brandamtsrat weiß, wovon er spricht, seit mehr als 30 Jahren ist er bei der Feuerwehr tätig.

Die Psychosoziale Unterstützung für die Mitarbeiter wurde ausgebaut

Seine Einschätzung betrifft nicht nur die gestiegene Gewalt gegen Einsatzkräfte, sondern auch den ganz alltäglichen Dienst. Aus diesem Grunde hat die Feuerwehr Frechen vor kurzem die Psychosoziale Unterstützung (PSU) für ihre Mitarbeiter ausgebaut. Ein Team von sieben Experten aus Haupt- und Ehrenamt steht nun beratend zur Seite.

Es sei mittlerweile ganz normal, bei einem Einsatz bedroht oder angepöbelt zu werden, schildert Jansen. Dies passiere nicht nur durch Patienten oder Angehörige, denen es beim Rettungsdienst nicht schnell genug gehe oder die Extrawünsche, etwa den Hund mitzunehmen, aggressiv durchsetzen wollten.

Unbeteiligte, die sich gestört führen, werden immer dreister.

Auch Unbeteiligte, die sich durch die Arbeit der Rettungskräfte gestört fühlten, würden immer drohender und dreister. Es sei fast üblich, dass Pylonen der Absperrungen weggeräumt würden, um einfach durchzufahren, hinter einem geparkten Rettungswagen gehupt und gebrüllt werde oder die sich gestört fühlenden Autofahrer wütend zum Einsatzort, sogar bis in Wohnungen und Häuser der Akut-Patienten kämen, um dort lautstark freie Fahrt einzufordern.

Passanten versuchen, sogar große Löschfahrzeuge einfach wegzufahren

Regelmäßig passiere es auch, dass sich Menschen einfach in die Feuerwehrfahrzeuge im Einsatz, sogar in große Löschfahrzeuge, setzten, um sie auf eigene Faust wegfahren oder von ihrer Ausfahrt entfernen zu wollen. Allerdings erfolglos, da es Wegfahrsperren gibt.

Es ist sehr roh, sehr fordernd, sehr aggressiv geworden
Michael Weege, Wachabteilungsleiter

Wenn bei einem Unfall glücklicherweise mal eine Rettungsgasse gebildet würde, was immer seltener vorkäme, wäre es an der Tagesordnung, dass Autofahrer hinter den Rettungsfahrzeugen im Einsatz herfahren würden, um schneller an der Unfallstelle vorbei zu kommen.

Offen stehende Rettungsfahrzeuge werden ausgeraubt

„Es ist sehr roh, sehr fordernd, sehr aggressiv geworden“, bestätigt Michael Weege, Wachabteilungsleiter der Feuerwehr Bergheim. Und der Brandoberinspektor berichtet, dass sich noch etwas in den vergangenen Jahren sehr verändert habe. Die Einsatzkräfte könnten keinen Rettungswagen mehr offen stehen lassen. „Bei einem Noteinsatz war ich einmal zehn Minuten weg, als ich wieder kam, waren das Handy, das Navi, das Funkgerät sowie Teile der Apotheke einfach weg“, berichtet Weege. Die Medikamente sind nun separat gesichert, die Fahrzeuge können auch nicht mehr gestartet werden. Zudem werden sie nun abgeschlossen, ehe der Einsatz beginnt.

Beide Feuerwehrmänner treibt auch noch eine andere Sorge um – viele ihrer Rettungsdienstfahrten seien eigentlich nicht nötig. Neben dreisten Forderungen wie beispielsweise der, eine winzige Brandblase nach dem Gebrauch einer Heißklebepistole zu behandeln, oder seit bereits drei Wochen andauernde Rückenschmerzen, gebe es zunehmend auch soziale Notfälle.

Bis zu 14.000 Einsätze im Jahr in Frechen

So komme es beispielsweise vor, dass ein verwahrloster Obdachloser bis zu drei Fahrten am Tag in Anspruch nehme, da er immer wieder in hilfloser Lage aufgefunden werde. Oder ein schwer erkrankter 90-Jähriger, der allein lebt, jede Nacht anrufe und um ein Glas Wasser bitte. „Solche Fälle tun mir unendlich leid, sie sind aber eigentlich gar nicht unsere Aufgabe, wir sind kein Ersatz für hausärztliche Dienste, da gibt es deutliche Lücken im Gesundheitssystem“, analysiert Jansen. So komme es auch zu der hohen Zahl von Einsatzfahrten – allein in Frechen rückt der Notdienst bis 14 000-mal im Jahr aus.

Einsatz wegen eines geplatzten Kondoms

Von einem besonders skurrilen Fall kann Michael Weege berichten: Ein Rettungswagen wurde mitten in der Nacht von einem jungen Paar angefordert – die Rettungskräfte wurden dann nach einen Schwangerschaftstest gefragt, da gerade eben das Kondom geplatzt sei.