Gold-Kraemer-Stiftung FrechenInterview mit Vorstandsvorsitzendem Hans Josef Deutsch
- Die Gold-Kraemer-Stiftung in Frechen ist heute eine der größten gemeinnützigen Stiftungen privater Initiative in Deutschland.
- Patrik Reinartz sprach mit dem neuen Vorstandsvorsitzenden Prof. Dr. Hans Josef Deutsch.
- Über die Corona-Krise, Zukunftspläne und das Kunsthaus.
Frechen – Die Gold-Kraemer-Stiftung in Frechen ist heute eine der größten gemeinnützigen Stiftungen privater Initiative in Deutschland. Patrik Reinartz sprach mit dem neuen Vorstandsvorsitzenden, Prof. Dr. Hans Josef Deutsch, unter anderem über die Corona-Krise und die Zukunftspläne der Stiftung.
Herr Prof. Dr. Deutsch, wie ist die Gold-Kraemer-Stiftung bislang durch die Corona-Krise gekommen?
Das war und ist eine große Herausforderung, besonders in den Wohngruppen unserer sechs Paul-Kraemer-Häuser. Die Menschen konnten die Wohnungen über sechs Wochen hinweg nicht verlassen, sie hatten so gut wie keine Außenkontakte. Auch die Werkstätten, in denen viele arbeiten, hatten geschlossen.
Ich habe großen Respekt vor unseren Mitarbeitern, die sich rund um die Uhr um die Bewohner gekümmert haben. Mittlerweile gibt es einige Lockerungen. Doch die Angehörigen können sich sicher sein, dass wir uns intensiv um die Gesundheit der Bewohner kümmern und alle Vorsichtsmaßnahmen einhalten.
Gab es Corona-Fälle in den Paul-Kraemer-Häusern?
Wir hatten zwei Betroffene von insgesamt 150 Bewohnern. Sie hatten sich jedoch nicht in den Wohngruppen angesteckt. Sie kamen von stationären Behandlungen zurück und hatten sich mit dem Virus infiziert. Die beiden Betroffenen mussten sich dann in Abstimmung mit dem Gesundheitsamt in Isolation begeben. Speziell geschulte Mitarbeiter haben sich um sie gekümmert.
Was hat Sie dazu bewogen, Anfang des Jahres das Amt des Vorstandsvorsitzenden zu übernehmen? Sie hätten ja auch den Ruhestand voll und ganz genießen können . . .
Meine Frau war auch überrascht, wir hatten eigentlich andere Pläne. Im Krankenhaus habe ich mich in der Interventionskardiologie rund um die Uhr um Notfälle gekümmert, deswegen wollten wir es jetzt eigentlich etwas ruhiger angehen lassen. Das können wir aber auch. Dennoch habe ich hier eine respektable Aufgabe übernommen, die ich voll und ganz erfüllen will.
Dabei werde ich vom Vorstand der Stiftung und unserer Geschäftsführung unterstützt. Vorbild für mich waren die Eheleute Kraemer, die sich überzeugend den Menschen mit Behinderung zugewendet haben.
Wie kamen Sie mit der Gold-Kraemer-Stiftung in Verbindung?
Als ich im Jahr 2000 meinen Dienst im St.-Katharinen-Hospital angetreten habe, bat mich der damalige Frechener Bürgermeister Hans-Willi Meier darum, das Stifter-Ehepaar Paul und Katharina Kraemer medizinisch zu betreuen. Ich habe beide bis zu ihrem Tod begleitet. Dem Vorstand der Stiftung gehöre ich schon seit 2007 an.
Die Stifter selbst haben mich darum gebeten, mich insbesondere um den Sozialbereich zu kümmern. Das Amt des Vorsitzenden ist für mich eine Ehre und eine Verpflichtung, aber es ist keine Ein-Mann-Show. Es gehört das ganze Team aus dem ehrenamtlich tätigen Vorstand und den Mitarbeitern dazu.
Was sind die Leitlinien Ihrer Arbeit?
Ich möchte, dass der Wille des Stifter-Ehepaares immer erkennbar bleibt. Das Grundprinzip lautet: Wir müssen uns umfassend und empathisch um Menschen mit Behinderung kümmern. Zudem geht es darum, Akzeptanz in der Gesellschaft zu schaffen. Die Stifter haben sich schon der Inklusion verschrieben, als dieser Begriff noch völlig unbekannt war. Der Mensch stand bei ihnen stets im Mittelpunkt. Daran wollen wir festhalten, und das müssen wir auch an die nachfolgenden Generationen weitergeben. Es gibt nicht zweierlei Maß, wenn es um die Menschen geht. Jeder Mensch und jedes Leben ist wertvoll und einzigartig.
Was sind die nächsten größeren Projekte der Stiftung?
Das wichtigste Vorhaben ist sicherlich das Kunsthaus, das Herzstück unseres Wohn- und Kunstquartiers am Guidelplatz in Brauweiler. Dort werden bis September zehn Künstlerinnen und Künstler mit Behinderung in eigenen Ateliers ihre Ausbildung beginnen und pädagogisch begleitet werden. Sie werden zum Teil dort auch wohnen.
Zur Person
Prof. Dr. Hans Josef Deutsch ist seit Beginn des Jahres Vorstandsvorsitzender der Gold-Kraemer-Stiftung. Er trat die Nachfolge von Johannes Ruland an. Bis zu seinem Ruhestand war Deutsch Chefarzt im Frechener St.-Katharinen-Hospital. Dort leitete er die Abteilung für Kardiologie und Innere Medizin I. Bereits seit 2007 engagiert er sich ehrenamtlich im Vorstand der Stiftung. Der 66-Jährige wurde Ende vergangenen Jahres mit dem Bundesverdienstorden ausgezeichnet. (rtz)
Die Stiftung hat angekündigt, sich aus der Kulturarbeit in der Kirche Alt St. Ulrich in Frechen-Buschbell zurückziehen zu wollen. Wie geht es dort weiter?
Es wird dort weiterhin Kulturveranstaltungen geben. Mit unserer Unterstützung hat sich ein Förderverein gegründet, der das Kulturprogramm in Alt St. Ulrich künftig organisieren wird. Wir stehen dem Verein auch weiterhin zur Seite. Ab September wird es auch wieder die ersten Kulturveranstaltungen geben können. Es werden übrigens noch Künstler aus der Region gesucht, die nach der langen Corona-Pause wieder auftreten wollen.
Die Gold-Kraemer-Stiftung widmet sich auch der Sportförderung. Wie kam es dazu?
Angefangen hat das mit dem Pferdesport- und Reittherapie-Zentrum am Sitz der Stiftung in Buschbell. Dies war ein Wunsch der Eheleute Kraemer, die beide aktive Reiter waren. Hintergrund war auch, dass der Umgang mit Tieren den Menschen mit Behinderung sehr zugute kommt. 2013 wurde unser Fußball-Leistungszentrum für Menschen mit Behinderung eröffnet. Es gehört mittlerweile zu unserem „Zentrum für Arbeit durch Bildung und Sport“. Im September 2019 ist Judo als zweite Sportart hinzugekommen.
Im Gegensatz zum Fußball sind dort übrigens die Frauen in der Überzahl. Ziel ist es, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren. In einigen Fällen ist dies schon gelungen. Möglich macht dieses Angebot die Zusammenarbeit mit dem Landschaftsverband Rheinland, der Bundesagentur für Arbeit und den Gemeinnützigen Werkstätten Köln.
Wie finanziert sich die Gold-Kraemer-Stiftung?
Die Eheleute Kraemer waren sehr erfolgreiche Unternehmer. Nach dem Krieg haben sie die Kraemer-Juweliergruppe Schritt für Schritt aufgebaut. Heute gehören 45 Geschäfte dazu. Das Besondere hier: Sämtliche Erträge fließen nach Abzug der Kosten in die Stiftung. Das war der Wille der Eheleute Kraemer! Es ist in Deutschland einmalig, dass eine Juwelier-Kette einer großen Sozialstiftung gehört. Die Läden bilden die Grundlage unserer wirtschaftlichen Existenz. Durch die Erträge kann die Stiftung ihre Aufgaben erfüllen. Heute gilt es, den Erfolg der Juwelier-Gruppe unter sich stets verändernden Marktbedingungen fortzuführen.
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Wir wollen den Online-Handel intensivieren, brauchen aber auch umsatzstarke Standorte. So eröffnen wir im Oktober eine neue Juwelier-Kraemer-Filiale im Einkaufszentrum Köln-Weiden. Ein für uns wichtiges Standbein ist auch die Vermietung unserer Immobilien an Wohnungssuchende und Gewerbetreibende. Brauweiler ist hier ein aktuelles Beispiel mit 33 Wohnungen.