Bürgermeisterin Susanne Stupp im Interview„Ich bin nicht Köln, ich bin Frechen“
Frechen – In unserer neuen zehnteiligen Serie sagen uns die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, warum ihre Stadt die schönste im Rhein-Erft-Kreis ist, warum sich ein Besuch ihrer Lieblingsplätze lohnt, ob die Nähe zu Köln Fluch oder Segen ist, und was sie an ihrer Stadt ärgert.
Wie würden Sie jemandem Frechen beschreiben, der noch nie hier war?
Stupp: Frechen ist eine rheinische Stadt, die sehr gut erreichbar ist und die mit ihren 53 000 Menschen die perfekte Größe hat, dass wir uns untereinander noch gut kennen. Ich würde gerne aus dem wunderbaren Frechen-Lied von Rainald Grebe zitieren. Viele halten es für ein Spottlied. Aber das ist es gar nicht, wenn man sich die Mühe macht, mal richtig zuzuhören. Darin heißt es unter anderem, Frechen ist eine der vielen Städte, die nicht im „Lonely planet“ stehen. Und dass Frechen architektonisch gewiss nicht die schönste Stadt ist. Aber es ist die Stadt, in der man Arbeit und Freunde hat.
Warum ist Frechen die schönste Stadt im Kreis?
Weil hier die nettesten Menschen leben. Es sind die Menschen, die eine Stadt ausmachen. Sie sind tolerant, einander zugewandt und offen für Wandel. Wir haben alte Menschen und auch viele junge. Frechen überaltert nicht.
Was ist Ihr Lieblingsort in Frechen?
Es ist das Haus am Bahndamm. Früher war es eine neuapostolische Kirche, heute gehört es der Stadt und wird als Veranstaltungszentrum genutzt. Seit 30 Jahren gehe ich da ein und aus, weil ich dort auch Theater gespielt habe. Es ist definitiv mein Lieblingsort. Wenn ich nicht im Rathaus bin, bin ich im Theater. Auch wenn ich als Bürgermeisterin natürlich nicht mehr auf der Bühne stehe, so stehe ich doch gerne hinter der Theke und verkaufe Getränke. Hin und wieder zupfe ich auf dem Parkplatz Unkraut. Wenn man am Theater ein paar Meter weitergeht, an der alten Brikettfabrik vorbei, hat man den schönsten Blick auf Köln. Wie mein Kerpener Amtskollege Dieter Spürck mag ich auch das Marienfeld. Ich würde aber im Leben nicht auf die Idee kommen, da bei Dunkelheit mit einer Stirnlampe entlang zu joggen.
Und welcher ist Ihr Lieblingsort im Kreis?
Ein Platz, der mich unheimlich beeindruckt, ist im Nordkreis Terra Nova. Da gibt es mittlerweile ein großes Kulturangebot, wie zum Beispiel den Kultursommer. Und der dahinter liegende Blick auf den Tagebau macht einfach ganz viel deutlich: Wo kommen wir her, welche Dimension und welche Herausforderung bedeutet es, das durch den politischen Beschluss der Energiewende nicht weiter zu betreiben? Das macht eine Menge mit mir.
Sind die Lage und die Nähe zu Köln mehr Fluch oder Segen?
Es hilft uns natürlich, in der Nachbarschaft einer solch großen Stadt zu liegen. Wir gehören nun einmal zum ersten Siedlungsring von Köln, was zur Folge hat, dass viele Menschen zu uns kommen wollen. Das führt natürlich dazu, dass wir Schulen und Kitas bauen und uns um die weitere Infrastruktur kümmern müssen. Aber das tun wir gerne. Manchmal ärgern wir uns aber auch über die große Schwester. Dann sagen wir das, und dann ist es auch wieder gut. Wir alle müssen regionaler denken, die Zeiten der Kirchturmpolitik sind vorbei. Erst recht hier, wo wir alle so dicht beieinander sind. Es wäre daher schön, wenn wir nicht allein uns im Rhein-Erft-Kreis als große Familie sehen würden, sondern auch darüber hinaus.
Was tun Sie gegen galoppierende Grundstückspreise?
Die hehre Theorie lautet ja: Bauen, bauen, bauen – um den Markt zu vergrößern. Das kann aber nicht die Lösung sein, zumal uns Grenzen gesetzt sind. Wir haben nicht viele freie Flächen. Daher sind wir mit maßvollem Wachstum unterwegs, vorrangig im Westen unserer Stadt. Dort und bei anderen Baugebieten muss ich mir grundsätzlich die Frage stellen, ob sich die Frechenerin oder der Frechener Frechen noch leisten kann. Und bei jenen, die nach Frechen ziehen, ist es mir wichtig, dass wir sie integrieren und sie sich integrieren wollen: sei es im Kirchenchor oder im Sportverein. Daher ist schnelles Wachstum extrem gefährlich. Dann nämlich fühlen sich die Leute in ihrer eigenen Stadt wie Fremde. Mein größter Albtraum wäre es, wenn wir zur Schlafstadt von Köln würden. Ich bin nicht Köln, ich bin Frechen!
Zur Person
Geboren: 12. April 1969 in Köln
Privat: verwitwet
Beruflicher Werdegang: Referentin der CDU-Bundesschatzmeisterin, Kommunikation für die Quarzwerke in Frechen, Kuratorin für die Schlösser Augustusburg und Falkenlust in Brühl, Referentin von Jürgen Rüttgers und bei der Barmer GEK
Seit 1986 in der CDU, seit 1994 im Rat, seit 2015 Bürgermeisterin. (jtü)
Was ist die größte Herausforderung für Frechen und den Rhein-Erft-Kreis in den nächsten zehn Jahren?
Strukturwandel! Wir haben zwar nicht mehr das große Loch in der Stadt, und die Prozesse der Umsiedlung haben wir hinter uns – aber hier erleben wir Alpha und Omega des Strukturwandels: Alpha, weil Ende dieses Jahres die Brikettfabrik zumacht – mit 500 Leuten, mal 2,5 Zulieferbetriebe. Omega, weil die große Hauptwerkstatt nicht erst 2038, sondern 2030 schließen wird. Auf einem Gebiet von einer Größe von elf Fußballfeldern wird dort alles an Großgeräten repariert. Das wird dann Geschichte sein – und darauf müssen wir uns einstellen. Aber da sind wir auf einem guten Weg.
Was fehlt in Frechen – was wünschen Sie sich?
Wissen Sie was? Mir fehlt nichts! Natürlich kann man das ein oder andere sicher schöner machen. Aber das ist ja jetzt nichts, was wir nicht selbst schaffen könnten. Mir hat neulich ein junger Mann erzählt, dass er den Großteil seiner Weihnachtsgeschenke in Frechen gekauft hat. Erst war ich überrascht. Aber dann zählte er auf: Hier wird Bier gebraut, Kaffee geröstet, Gin gemacht, es gibt eine Ölmühle, und wir haben viele schöne Geschäfte, wie beispielsweise einen Unverpackt-Laden und einen Eine-Welt-Laden. Was will man mehr?
Was ärgert Sie in/an Frechen?
Ich weiß nicht, ob das unbedingt am Frechener liegt; aber was mich zunehmend ärgert in den letzten Jahren: Wir richten alle viel zu sehr den Blick auf die fünf Prozent der Unzufriedenen, die laut sind und die oft nur ihre Einzelinteressen, Lebenslagen oder Thematiken vertreten. Dabei verlieren wir ganz viele Menschen aus dem Blick, die gerne hier leben. Ich möchte, dass wir an einem Strang ziehen und uns von diesem geringen Prozentsatz an Menschen nicht die ganze Stadt schlechtreden lassen. Ich würde mir wünschen, dass wir den Blick auf das Schöne und Positive wenden.
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Was möchten Sie in dieser Amtszeit noch erreichen?
Wir bauen eine neue Realschule, da sind wir jetzt final in der Suche nach einem neuen Grundstück. Die Nachfrage ist extrem groß. Und dann wird auch das Terrassenfreibad saniert sein – es dauert im Planungsprozess länger, als wir es veranschlagt hatten, und leider ist es auch teurer geworden. Das wird auch bedeuten, dass wir das Freibad für eine gewisse Zeit schließen müssen. Aber ich freue mich schon sehr darauf, es wieder eröffnen zu dürfen. Ich habe meine halbe Jugend da verbracht.