Das Interesse an der Ausbildung zum Heilerziehungspfleger ist stark zurückgegangen. Das stellt den Schulträger vor wirtschaftliche Probleme.
Zu wenig StudierendeBerufskolleg der Lebenshilfe in Hürth-Gleuel steht vor dem Aus
Das Berufskolleg der Lebenshilfe in Hürth-Gleuel steht vor dem Aus. In der Bildungseinrichtung in den Räumen der ehemaligen Volksschule an der Hermülheimer Straße werden seit 1996 Heilerziehungspflegerinnen und -pfleger sowie Sozialassistentinnen und -assistenten ausgebildet. Doch das Interesse an den Bildungsgängen, die für die Betreuung von Menschen mit Behinderungen qualifizieren, geht seit Jahren zurück. Mit den aktuell nur noch 90 Studierenden und Auszubildenden sei das Berufskolleg nicht mehr wirtschaftlich zu führen, sagt Bärbel Brüning, Geschäftsführerin der Lebenshilfe NRW.
Bis zu 230 Schüler und Studierende wurden in der Vergangenheit am Berufskolleg der Lebenshilfe, einem Selbsthilfeverband für Menschen mit geistiger Behinderung, ausgebildet, zwei Drittel davon Frauen. „Wir waren im Regierungsbezirk das erste Berufskolleg, das die Ausbildung in der Heilerziehungspflege in praxisintegrierter Form angeboten hat“, sagt Schulleiter Uwe Görlt. Diese Verbindung zwischen Theorie und Praxis habe damals noch als „exotisch“ gegolten.
Am Berufskolleg in Hürth werden Theorie und Praxis verbunden
Konkret bedeutet das, dass die angehenden Heilerziehungsfachkräfte bei Trägern etwa von Wohngruppen, Werkstätten oder Kitas beschäftigt sind, wo sie an drei Tagen in der Woche arbeiten und Praxiserfahrungen sammeln. Zwei Tage in der Woche gehen sie in Gleuel auf das Berufskolleg. Dazu kommen pro Halbjahr zwei Wochen Blockunterricht. Der Einzugsbereich des Berufskollegs erstreckt sich laut Schulleiter Görlt bis in die Eifel, in den Aachener Raum und ins Rechtsrheinische.
Dass die Bildungseinrichtung der Lebenshilfe im Vergleich zu anderen Berufskollegs überschaubar groß sei, sei ein großer Vorteil, sagt der studierte Gymnasiallehrer Görlt, der seit zehn Jahren in der Einrichtung arbeitet, davon acht Jahre als Schulleiter. „Wir haben einen ganz anderen Zugang zu unseren Schülern“, so Görlt, der ein zwölfköpfiges Kollegium anführt. „Ich kenne sie alle beim Namen, die meisten haben bei mir Unterricht.“ Gerade beim niederschwelligen Ausbildungsgang zur Sozialassistenz kämen viele Schülerinnen und Schüler aus prekären Verhältnissen und würden von der persönlichen Betreuung profitieren.
Interesse an sozialen Bildungsgängen lässt nach
Doch der Schülerkreis wurde mit den Jahren immer überschaubarer. Zwar gibt es noch für jeden der drei Ausbildungsjahrgänge in der Heilerziehungspflege, die mit dem Bachelor im Sozialwesen abschließen, eine Klasse. Für den dualen Ausbildungsgang zum Sozialassistenten sei aber in diesem Jahr erstmals keine Klasse mehr zustande gekommen.
Landesgeschäftsführerin Brüning erklärt den Schülerrückgang vor allem mit dem demografischen Wandel und einem allgemein nachlassenden Interesse an sozialen Berufen. Auch Werbekampagnen für die Ausbildung am Gleueler Berufskolleg hätten diesen Trend nicht aufhalten können.
Lebenshilfe muss Eigenanteil an den Betriebskosten in Gleuel leisten
Den Landesverband der Lebenshilfe, der Schulträger und Gesellschafter des Berufskollegs ist, stellen die sinkenden Schülerzahlen vor wirtschaftliche Probleme. Denn das Berufskolleg ist eine sogenannte Ersatzschule. Das bedeutet, dass der Träger anders als die öffentlichen Schulen bei den Betriebskosten einen Eigenanteil leisten muss, der zurzeit bei rund 60.000 Euro im Jahr liege. Der Landeszuschuss hängt von den Schülerzahlen ab. „Die Betriebskosten bleiben aber hoch, auch wenn die Schülerzahlen zurückgehen“, sagt Bärbel Brüning.
Aktuell subventioniere der Landesverband der Lebenshilfe den Betrieb des Berufskollegs aus Mitteln der Mitgliedsvereine. „Das kann aber auf Dauer nicht so gehen“, sagt die Landesgeschäftsführerin. „Das Geld ist ja eigentlich für die Verbandsarbeit der Orts- und Kreisvereine vorgesehen.“ Außerdem sei es den Mitgliedern kaum zu vermitteln, dass sie mit ihren Mitgliedsbeiträgen eine Schule finanzieren, deren Absolventen nur zu höchstens einem Drittel bei Einrichtungen der Lebenshilfe beschäftigt seien, zu zwei Dritteln aber bei anderen Trägern.
Einführung eines weiteren Bildungsgangs in Gleuel ist gescheitert
Die Lebenshilfe fordert deshalb eine Vollfinanzierung des Berufskollegs durch die öffentliche Hand. Schließlich übernehme die Bildungseinrichtung eine gesellschaftlich wichtige Aufgabe, so Brüning. „Wir haben in den vergangenen Monaten viele Gespräche mit Politikern und Behörden geführt“, sagt die Geschäftsführerin. „Leider ohne Erfolg.“
Um die Schülerzahlen zu steigern, wollte die Lebenshilfe auch einen neuen Ausbildungsgang einführen und am Berufskolleg zusätzlich Erzieher ausbilden. „Wir haben im vergangenen Jahr einen Antrag gestellt und bis heute keine Bewilligung“, so Brüning. „Hintergrund ist, dass wir zuerst das Lehrpersonal nachweisen sollen, das wir aber nicht einstellen können, solange wir nicht sicher sind, die Ausbildung überhaupt bewilligt zu bekommen.“
Noch gibt es für das Aus des Berufskollegs keinen offiziellen Beschluss, den der Landesvorstand der Lebenshilfe treffen muss. Bis zur Schließung der Einrichtung würde dann noch mindestens ein halbes Jahr vergehen. Für Geschäftsführerin Bärbel Brüning ist aber klar, dass es in Gleuel nicht weitergehen werde. Das hänge auch mit dem alten Schulgebäude zusammen, das die Lebenshilfe von der Stadt gepachtet hat und das nicht barrierefrei sei.
„Wir suchen intensiv nach Lösungen“, sagt die Geschäftsführerin. Das könnten etwa Kooperationen mit anderen Trägern oder Berufskollegs sein. Brüning stellt aber klar: „Die Auszubildenden und Studierenden werden ihre Ausbildung auf jeden Fall beenden können.“ Auch für das Lehrerkollegium werde gemeinsam mit den Beteiligten nach Lösungen gesucht.