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Über drei Jahre auf WanderschaftBierbrauer aus Hürth findet auf der Walz die große Liebe

Lesezeit 3 Minuten
Ein junger Mann mit Hut und Schal klettert über das Ortseingangsschild von Hürth-Fischenich. Ein Empfangskomitee will ihn auffangen.

Bierbrauer Moritz David kehrt von der Walz zurück. Übers Ortsschild musste sich Moritz David wie bei der Losgehe auch bei der Heimgehe schwingen.

Nach alter Handwerkstradition ist der Bierbrauer Moritz David nach der Gesellenprüfung dreieinhalb Jahre auf Wanderschaft gegangen.

Auf der Walz hat Moritz David sein Glück gemacht. Nach dreieinhalb Jahren Wanderschaft ist der Brauer und Mälzer heimgekehrt. In alter Handwerker-Tradition so, wie er losgezogen ist: mit einem Sprung über das Ortsschild Fischenich. Samstagnachmittag stieg die Spannung bei denen, die vor der Brauerei Bischoff das Empfangskomitee bildeten, als Moritz David in einer Polonaise von 14 weiteren Handwerkern und Handwerkerinnen das Ortsschild ansteuerte.

„Du trittst in ein neues Leben hinein, gewöhnst dich daran, und dann trittst du wieder da heraus in die sogenannte Normalität“, sinnierte der 26-Jährige auf dem letzten Kilometer. Eilig schien er es vor dem nahenden Höhepunkt und Ende seiner Tour ganz und gar nicht zu haben. Trotz tränenreicher Umarmung seiner Mutter wird es den Hürther nicht lange zu Hause halten.

Hürther fand auf der Walz seine Freundin

Denn er hat unterwegs einen Goldschatz gefunden: seine Freundin. Mit ihr und ihrer kleinen Tochter will er schon im Juli nach Österreich ziehen. Kommt noch ein Quäntchen Glück mehr dazu, bekommt er die erhoffte Anstellung bei Gallien Bräu.

Im ersten Reisejahr durfte sich Moritz David, so die Regel, nur in deutschsprachigen Ländern aufhalten. Also trampte er durch die Schweiz, Österreich und Liechtenstein. Den ungewollten Abstecher nach Südtirol in Italien, wo immerhin auch deutsch gesprochen wird, verziehen ihm die Vereinigten Löwenbrüder & Schwestern Europas (VLE), die seine Walz begleiteten.

Brauer durfte nicht näher als 50 Kilometer an seine Heimatstadt Hürth herantippeln

Moritz Davids Reisebericht ist bereits auf den Internetseiten des Zusammenschlusses der Lebensmittelhandwerker nachzulesen. Handy und Laptop musste der Hürther zu Hause lassen. Erst nach drei Monaten durfte er sich bei der Familie und Freunden melden. Aber niemals näher an seinen Heimatort herantippeln als bis zum Bannkreis von 50 Kilometern.

Moritz David hat sein Handwerk nach dem Schulabschluss 2017 bei der Brauerei Becks in Bremen gelernt. Danach durfte er in dem Hürther Familienunternehmen Coltro Gold ins handgemachte Bierbrauen hineinschnuppern. Die kleinen Betriebe bevorzugte er auch auf der Walz. An zehn Arbeitsplätzen auf Zeit, sechs Wochen davon allein in der Schweiz, stellte sich der junge Mann der Herausforderung, die Meister von seinem Können zu überzeugen.

Bürgermeister Dirk Breuer drückt dem Walz-Heimkehrer Moritz David das Stadtsiegel ins Wanderbuch.

Nun ist es besiegelt: Auch Bürgermeister Dirk Breuer (l.) begrüßte Walz-Rückkehrer Moritz David daheim in Hürth.

„Man sagt ja, dass ein Jahr Wanderschaft drei Jahre normales Leben sind. Ich fühle mich zwar nicht neun Jahre älter, aber persönlich habe ich festgestellt, dass ich reifer geworden bin“, erzählt der Brauer und Mälzer. Wanderbuch und Gesellenbrief dienten unterwegs als Ausweis.

Bei der Losgehe, so der Reiseantritt in der Fachsprache, Mitte Dezember 2020 verabschiedete auch Bürgermeister Dirk Breuer den Wandergesellen und hieß ihn nun selbstverständlich zur Heimgehe willkommen. Das Siegel der Stadt und die Signatur des ersten Bürgers sind das letzte Zeugnis von Moritz Davids Wanderjahren.

Bierbrauer aus Hürth floh vor dem Winter nach Jamaika

Lang ist die Liste der Länder, die Moritz David bereist hat. Eine zweimonatige Rundreise durch Zentralamerika ging ebenso ins Buch ein wie ein Besuch seines Bruders, der 2022 in der kanadischen Metropole Vancouver ein Auslandsjahr absolvierte.

Vor dem kalten Winter in Europa „floh“ er nach Jamaika, wo er die Chance ergriff, fünf Wochen in der einzigen Brauerei auf der Karibikinsel, die eher für Rum bekannt ist, mitzuarbeiten. Beruflich brachte ihn die Zeit im erzgebirgischen Brauhaus Zwönitz am meisten voran, da er dort größtenteils selbstständig zu Werke gehen durfte.

Am „coolsten“ fand Moritz David den Aufenthalt in Sibiu in Rumänien. Denn in der früheren Hermannstadt veranstalten die Schächte – Vereinigungen von Handwerkern auf Wanderschaft – jedes Jahr eine Schauwerkstatt, um den Menschen vom Abenteuer Walz zu erzählen.