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„Im Tunnel“Hürther Ex-Radprofi spricht über seine Erinnerungen an die Tour de France

Lesezeit 5 Minuten

Ralf Grabsch ist heute als Bundestrainer für die U-23 zuständig.

Hürth – Am Samstag startet zum 108. Mal die Tour de France in Brest und führt die teilnehmenden Radsportler über 21 Etappen kreuz und quer durch Frankreich, bis sie in Paris ihr traditionelles Ende findet. Von den über 100 Austragungen erlebte der Hürther Ralf Grabsch fünf in den Jahren 2006 bis 2010 hautnah mit, drei als Radsportler und zwei als Sportlicher Leiter für das Team Milram. Im Gespräch mit Matthias Breuer erklärt der jetzige U-23-Bundestrainer und Präsident des RC Schmitter Köln-Gleuel, welche Fahrer bei der Tour begeistern werden, und wieso er nicht mehr persönlich am Start der Tour stehen muss.

Herr Grabsch, Ihre letzte Tour-Teilnahme ist mittlerweile über zehn Jahre her. Wie gerne würden Sie nochmal an der Grande Bouclé teilnehmen wollen?

Grabsch: Die Große Schleife vermisse ich schon sehr, denn sie ist der absolute Höhepunkt der Radsportsaison. Von daher schaue ich auf den Start der Tour mit einem weinenden Auge. Auf der anderen Seite ist es für mich aber eine absolute Genugtuung, den Job als Bundestrainer zu haben. Dadurch habe ich die Möglichkeit, vielleicht einen kommenden Tour-Starter auszubilden und meine Erfahrungen an diesen weitergeben zu dürfen. Meinen Job würde ich für einen Platz bei der Tour deshalb nicht mehr eintauschen wollen.

Haben Sie während Ihrer fünf Teilnahmen einen Moment erlebt, an den Sie sich heute noch gerne zurückerinnern?

Eigentlich nicht. Wenn du bei so einer dreiwöchigen Rundfahrt teilnimmst, bist du irgendwann einfach im Tunnel und bekommst nicht richtig mehr mit, was links und rechts von dir passiert. Natürlich war es für mich ein schöner Moment, als ich 2006 in Straßburg bei meiner ersten Teilnahme auf der Startrampe der Tour stand und meine ersten Meter fahren durfte, weil ich mir damit meinen Lebenstraum erfüllt habe. Ansonsten waren für mich die Eröffnungs- und Abschlusszeremonien immer das Größte.

Zur Person

Ralf Grabsch wurde am 7. April 1973 in Lutherstadt Wittenberg geboren. Seine Radsportkarriere begann er beim SC DHfK Leipzig. Später wechselte er zur RG Hamburg. An der Seite von Jan Ullrich errang er 1994 erste internationale Erfolge. So gewann er eine Etappe der Friedensfahrt und belegte den zweiten Rang der Einzelwertung hinter seinem Teamkollegen Jens Voigt. Im gleichen Jahr holte er mit dem deutschen WM-Vierer auf der Straße Bronze.

Nach vier Jahren im Telekom-Trikot beendete 2008 seine aktive Karriere und wurde Sportlicher Leiter beim Team Milram. Seit 2012 ist er Trainer der U-23-Nationalmannschaft. (red)

Werfen wir einen Blick auf die Tour 2021. Wer ist Ihr Top-Favorit auf den Gesamtsieg?

Am Ende wird die Tour zwischen den Slowenen Primož Roglič und Tadej Pogačar entschieden, wobei ich der festen Überzeugung bin, dass kein Weg an Pogačar vorbeiführen wird. Klar, bei so einer Rundfahrt kann immer etwas Unerwartetes passieren, aber Pogačar hat dieses Jahr sehr starke Leistungen bei den Rennen in der Vorbereitung gezeigt und fast alle gewonnen.

Welcher deutsche Fahrer wird sich dieses Jahr gut schlagen?

Emanuel Buchmann wird dieses Jahr den deutschen Fans wieder viel Freude bereiten. Er ist ein Fahrer, der auf Gesamtwertung fahren und ganz vorne landen kann. Das ist ja, was die Deutschen interessiert. Natürlich steht Buchmann in seinem Team Bora-Hansgrohe hinter Wilco Kelderman erst mal nur als Co-Kapitän am Start und der Kurs liegt ihm wahrscheinlich auch nicht so sehr. Aber bei so einer Tour kann viel passieren. Deshalb glaube ich, dass er in der Gesamtwertung am Ende trotzdem weit vorne zu sehen sein wird.

Im Interview spricht Ralf Grabsch über die seine aktive Zeit als Teilnehmer der Tour de France.

Was können die Fans von den Hürther Radprofis, Nils Politt und André Greipel, erwarten?

Nils wird bei der Tour viel für seine Teamkapitäne bei Bora arbeiten und sich unterordnen müssen. Ich hoffe aber, dass Nils auf einer Etappe auch einmal freie Fahrt erhält und uns mit seiner aktiven Fahrweise begeistern darf. Es wäre schade, wenn er sich nur unterordnen müsste, aber das gehört halt dazu. Dass André nach seiner diesjährigen Ausbootung beim Giro d'Italia bei der Tour starten darf, finde ich schön. Er hat in den letzten Wochen gezeigt, dass man sich auch im hohen Sportler-Alter noch entwickeln kann. Von einem Etappensieg würde ich bei ihm jetzt nicht sprechen wollen, aber wenn er zwei bis drei Podestplätze am Ende holt, wäre das wahrscheinlich auch für ihn eine Genugtuung.

Welche der 21. Etappen sollten sich die Tour-Fans auf jeden Fall ansehen?

Als echter Radsportfan lässt man sich selbstverständlich keine Etappe entgehen (lacht). Ansonsten werden die bergigen Etappen wieder am besten zu verfolgen sein. Ich selbst war zwar nie ein Bergfahrer, dennoch bin ich gerne die Pässe in den Pyrenäen und den Alpen gefahren, weil die Fans, die Landschaft und die Fahrer des Gesamtklassements auf diesen Etappen am meisten bieten. Mir bereitet es auch heute noch am meisten Freude, diese Etappen von Anfang bis Ende vor dem Fernseher zu verfolgen.

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Wie gespannt sind Sie auf das Tour-Debüt von Superstar Mathieu van der Poel?

Ich bin sehr gespannt auf seinen ersten Auftritt bei der Tour, sein Debüt wurde auch mal langsam Zeit. Van der Poel ist für mich auf den ersten Etappen der absolute Favorit auf den Tagessieg und das Gelbe Trikot. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ihm irgendwer auf den ersten Etappen Paroli bieten kann. Natürlich werden sich alle auf ihn Fokussieren, wodurch sehr großer Druck auf ihn lasten wird. Aber das ist ja bei jedem Rennen für ihn so, womit er sehr gut umgehen kann.