Der scheidende Polizeidirektor Roland Küpper spricht im Interview über heldenhafte Einsätze während der Flut und Frauen in Uniform.
RuhestandPolizeichef aus Rhein-Erft im Interview: „So stelle ich mir die Polizei vor“
Der Leitende Polizeidirektor Roland Küpper hat neun Jahre als ranghöchster Polizeibeamter die Kreispolizeibehörde im Rhein-Erft-Kreis geleitet. Ende des Monats hat Küpper seinen letzten Arbeitstag, bevor er in den Ruhestand verabschiedet wird. Im Interview mit Udo Beißel erzählt er über die vergangenen Jahre im Rhein-Erft-Kreis, über die Einsätze am Tagebau Hambach, die Hochwasserkatastrophe und über die Bezahlung von Spezialisten bei der Polizei.
Seit neun Jahren sind Sie Leitender Polizeidirektor im Rhein-Erft-Kreis. Wird Ihnen der Job fehlen?
Roland Küpper: Das kann ich mit einem klaren Ja beantworten. Neben der täglichen Arbeit wird mir das Miteinander mit den Kollegen fehlen. Jetzt bin ich mal ganz unbescheiden: Auch das Gefühl, immer gefragt zu werden, derjenige zu sein, der Auskunft geben und Entscheidungen treffen muss, wird natürlich wegfallen.
Bis Sie 2015 in den Rhein-Erft-Kreis kamen, waren Sie kaum länger als drei oder vier Jahre beruflich sesshaft. Was hat den Rhein-Erft-Kreis für Sie so interessant gemacht?
Ich habe 1981 bei der Polizei angefangen und von der damaligen Schutzpolizei über die Kriminalpolizei verschiedene Stationen durchlaufen und bin dabei auch im Innenministerium oder bei der Polizei in Köln tätig gewesen. Ich hatte immer den Wunsch, mich zu verändern und etwas Neues kennenzulernen, über den Zaun zu schauen und die Polizeiarbeit in all ihrer Breite kennenzulernen. Weil: Polizei ist wesentlich mehr als nur der Streifenwagen auf der Luxemburger Straße oder der Kriminalbeamte, der den Vorgang bearbeitet. Polizei ist einer der größten Arbeitgeber in NRW, extrem vielseitig und hat eine Menge zu bieten. Ich bin aus dem Ministerium gegangen, weil hier ein Abteilungsleiter frühzeitig in Pension gehen wollte. Wenn man sich die Laufbahn bei der Polizei anschaut, ist Abteilungsleiter das, was ich aus meiner Sicht am besten erreichen konnte. Der Rhein-Erft-Kreis ist die größte Landratsbehörde in NRW und größer als so manches Polizeipräsidium. Ich hatte in den neun Jahren die Möglichkeit, in meine Heimat nach Siegburg zu wechseln. Das wäre viel näher für mich gewesen. Aber es hängt ja auch von der Behörde selbst ab. Und diese Behörde habe ich kennen und lieben gelernt. Und wenn man neun Jahre in dieser Funktion ist, kann man eine Behörde so aufbauen, wie man glaubt, dass sie funktioniert. Und dazu zählt auch dieses neue Gebäude hier. Das ist ein Projekt gewesen, das wollte ich gerne zu Ende führen.
Wie hat sich die Polizei in Ihrer Zeit entwickelt?
Von der Anzahl der Mitarbeiter her sind wir mehr geworden. Wir haben jetzt etwa 870 Beschäftigte, inklusive der Tarifbeschäftigten. Wir hatten vor neun Jahren 53 Tarifbeschäftigte (Angestellte, keine Beamte, Anm. der Red.) und haben jetzt 110. Die sind in verschiedenen Bereichen eingesetzt. Das betrifft den Bereich der Kriminalpolizei im Erkennungsdienst, der Verkehrspolizei, der ESO-Fahrzeuge (Radarwagen/Geschwindigkeitsüberwachung, Anm. der Red.). Aber auch in den Verkehrskommissariaten sowie im Sachgebiet für Zentrale Qualitätssicherung oder in der Pressestelle gibt es Tarifbeschäftigte. Dadurch sind mehr Polizeibeamte für polizeispezifische Arbeit freigesetzt worden. Insgesamt – und das war mir auch immer wichtig – habe ich darauf geachtet, dass auch mehr Frauen in Führungsverantwortung gekommen sind.
Was war der größte Erfolg in Ihrer Laufbahn?
Sie können sich an den Autobahn-Schützen erinnern, der von seinem Lkw aus auf andere Lkw-Fahrer geschossen hat. Ich war damals für den Abschnitt NRW zuständig und habe den Mann aus Kall (Eifel) gemeinsam mit dem BKA festgenommen. Das war ein Wahnsinnserfolg. Sie erinnern sich an den Rewe-Räuber, der in mehr als 30 Fällen Supermärkte überfallen und dabei die Opfer gefesselt hat. Auch dessen Festnahme war ein außergewöhnlicher Erfolg. Aber natürlich war das nicht mein Verdienst allein – dahinter steckt immer ein gut funktionierendes Team, ohne das ein solcher Erfolg nicht möglich ist. Aber auch das erste Geständnis vergisst man nicht und ist für jeden ein persönlicher Erfolg. Das war zwar nur eine Serie von Ladendiebstählen, aber darauf war ich damals auch stolz. Das waren die dienstlichen Fälle, die Straftaten betreffen und natürlich auch öffentlich wirksam waren. Erfolg ist aber auch, wenn Sie Mitarbeiter fördern, die nachher erfolgreich Führungsverantwortung übernehmen. Das ist zwar kein Erfolg, der messbar ist, aber einen auch sehr zufrieden stellt.
Das sind Ihre persönlichen Erfolge. Hat sich die Polizei im Rhein-Erft-Kreis als Behörde auch positiv verändert?
Ja, natürlich. Der Neubau des zentralen Gebäudes hier in Bergheim ist positiv. So etwas baut auch nicht jeder. Und natürlich baut man den auch nicht alleine. Aber das ist das Tolle an der Polizei. Wir sind ein riesen Verein und ein Team, das zusammen was auf die Beine stellt. Und wenn man über Erfolg der Behörde spricht, dann gibt es einen ganz großen. Und das ist der Umgang mit der Hochwasser-Katastrophe im Juli 2021. So professionell, wie hier unter Außerachtlassung persönlicher Interessen zusammengearbeitet wurde, ist außergewöhnlich. Die Kolleginnen und Kollegen, die den Bürgern die Keller ausgeräumt oder anders geholfen haben. Eine Kollegin und ein Kollege die in der Senke an der B265 hindurchgeschwommen sind, um die Menschen aus ihren Fahrzeugen zu retten. Das ist Polizei, so wie ich mir Polizei vorstelle. Da haben sich übrigens auch die Strukturen einer Landratsbehörde bewährt. Der Landrat hat Katastrophenalarm ausgelöst, und alle haben zusammen im Krisenstab gesessen. Da wurde Hand in Hand gearbeitet. Ja, wir haben auch Glück gehabt. Wir haben angefangen mit einer dreistelligen Zahl an vermissten Personen. Fall für Fall wurde abgearbeitet und mir wurde immer wärmer, als die Zahl immer geringer wurde. Ich würde heute vermutlich anders darüber denken und nicht von Erfolg sprechen, wenn wir Tote zu beklagen gehabt hätten.
Die Krawalle am Tagebau Hambach haben über Jahre nicht nur bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Die Einsatzleitung hatte aber die Polizeileitung aus Aachen zugesprochen bekommen. Hätten Sie die gerne behalten, schließlich liegt der größte Teil des Tagebaus und des Waldes im Rhein-Erft-Kreis?
Ja, das stimmt. Der größte Teil liegt im Rhein-Erft-Kreis, und wir hatten entsprechend viel zu tun. Wenn hier irgendwas war, wenn die Brücke 126 beschädigt oder besetzt war, dann waren meine Mitarbeiter vor Ort. Aachen hatte die Ermittlungsleitung (Ermittlungskommission Hambach) und Einsatzführung bei Großlagen. Wir haben die ersten Angriffe erledigt. Wir waren auch diejenigen, die mit Steinen beworfen wurden, als wir dort Streife gefahren sind. Also das Thema Hambach war für uns nicht weg. Wir waren aber die Ersten vor Ort.
Sie sind seit 1981 bei der Polizei. Was hat sich seitdem am Gravierendsten geändert?
Die Polizei von 1981 ist gar nicht mehr mit der heutigen Zeit zu vergleichen. Das Einzige, was geblieben ist, ist der Name Polizei und die gesetzliche Aufgabe. Wenn wir von 1981 reden, dann reden wir von einer Zeit, in der es noch kein Internet, keine Mobiltelefone gab. Auch Internet-Straftaten und Internet-Pornografie kannte man nicht. Und wir reden davon, dass sich die Täterstruktur völlig geändert hat. Wir haben damals noch von Scheckreiterei gesprochen, das kennt heute niemand mehr. Im Jahr 1983 wurden die ersten Frauen bei der Polizei eingestellt, die dann auch Streife gefahren sind. Bis dahin kannte man Frauen bei der Polizei nur von Erik Ode aus der Fernsehsendung Der Kommissar mit dem Satz „Mach mal Kaffee“. Früher war die Polizei eine reine Männerdomäne mit allem, was dazu gehörte. Heute gibt es einen hohen Anteil an Frauen in der Behörde, der Tonfall hat sich geändert, die Zusammenarbeit hat sich völlig geändert, es hat sich im Vergleich zu früheren Zeiten eine extrem deeskalierende Art eingestellt, die viel bürgerorientierter ist. Das soll nicht heißen, dass es damals schlechter war, es war eben eine andere Zeit. Die Denke hat sich ebenso geändert – auch vom Bürger gegenüber der Polizei. Einen dummen Spruch den Beamten im Streifenwagen gegenüber, das hätte sich damals niemand getraut.
Was macht Ihnen am meisten Sorgen, wenn Sie an die Zukunft der Polizei denken?
Um die Polizei mache ich mir keine Sorgen. Ich mache mir dann Sorgen, wenn beispielsweise weniger Polizeibeamtinnen und -beamte eingestellt würden, um zu sparen. Das passt nicht in die heutige Zeit. Innere Sicherheit ist etwas, für das immer Geld da sein muss. Dazu zählt auch die Ausstattung. Ich bin froh, dass diese Behörde auch DEIG (auch Taser genannt, Anm. der Redaktion) hat. Ich habe Sorge, dass die Polizei irgendwann mal den Anschluss verliert. Den Anschluss an die Technik, an die Entwicklung im Bereich bestimmter Straftaten, weil dann nur noch Fachleute dahinter steigen, wie die Straftaten begangen werden. Stichwort Cyber-Crime. Aber wenn ich Spezialisten brauche und haben will, dann muss ich Spezialisten auch bezahlen können.
Als ehemaliger Leistungssportler im Rudersport haben Sie die letzten neun Jahre eine Behörde mit 870 Mitarbeitern als Steuermann im Boot geführt. In Ihrer Freizeit lesen Sie gerne historische Romane. Wie können wir uns Ihre Zukunft vorstellen – im Bötchen auf dem Decksteiner Weiher mit einem dicken Buch?
(Lacht) Nein, mit Sicherheit nicht. Die Zukunft ist, und da bin ich an dieser Stelle bei Star Trek, das unentdeckte Land. Ich habe keine Ahnung, in welche Richtung das gehen wird. Ich weiß auch gar nicht, ob ich das jetzt wissen möchte. Es beginnt ein neuer Lebensabschnitt, wie nach der Schule. Damals wusste ich auch nicht, ob Polizei das Richtige für mich ist. Und so ähnlich sehe ich das mit meiner Pensionierung auch. Das ist ein neuer Lebensabschnitt, von dem ich noch nicht weiß, wohin der Weg mich führen wird. Vielleicht gehe ich mal eine Zeit lang ins Fitness-Studio oder schaffe mir einen Hund an. Da bin ich vollkommen offen und werde das natürlich mit meiner Frau besprechen.