Auf der 50-Kilometer-Tour von Dormagen nach Elsdorf gab es bei Zwischenstopps Gespräche mit Fachleuten des BUND und RWE Power.
TagebauGrüne warfen bei einer Radtour im Rhein-Erft-Kreis einen Blick in die Zukunft
Im türkisblauen Wasser schaukelnde Segelboote, vergnügt planschende Kinder und Ausflügler, die von der Strandbar aus die Windsurfer beobachten. „Die meisten von uns werden es nicht mehr erleben. Aber den nachfolgenden Generationen in unserer Region gönne ich von Herzen, dass diese Visionen rund um die Tagebau-Restseen irgendwann Wirklichkeit werden“, sagt Antje Grothus, ohne freilich allzu sehr ins Schwärmen zu geraten.
Denn die auf Umweltthemen und Strukturwandel spezialisierte Grünen-Landtagsabgeordnete aus Kerpen weiß auch, dass der Weg dahin lang und schwierig ist. „Die Seenplanung ist ein riesiges Experiment mit ungewissem Ausgang. Denn allen positiven Gutachten zum Trotz bleiben bei solchen Jahrhundert-Projekten angesichts der Klimakrise und anderer Unwägbarkeiten immer auch Restrisiken bestehen.“
So hätten es viele Fachleute nicht für möglich gehalten, dass am derzeit entstehenden Cottbuser Ostsee einmal großflächig Uferböschungen abrutschen würden. Entgegen aller Berechnungen sei es trotzdem passiert. „Bei uns könnte die Seebefüllung länger als die berechneten 40 bis 60 Jahre dauern. Oder es könnte sich herausstellen, dass das eine oder andere touristische Projekt doch nicht umsetzbar ist“, sagt Grothus.
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„Das sollten manche Protagonisten den Menschen auch mal offen und ehrlich sagen. Doch da scheint mir der Glaube an das technisch Machbare zuweilen größer zu sein als der Respekt vor der Natur.“ Den nachdenklichen Blick in die fernere Zukunft warf Antje Grothus am Freitag nach einem Ausflug, bei dem es eher um die Probleme des Hier und Jetzt ging.
Rhein-Erft-Kreis: Gespräche mit Fachleuten
Mit Kolleginnen und Kollegen aus der Landtagsfraktion, Grünen aus der Kommunalpolitik und weiteren Interessierten radelte sie an der geplanten Trasse der Rheinwassertransportleitung entlang. Über diese unterirdische Rohrverbindung sollen die Restseen Garzweiler und Hambach ab 2030 mit gigantischen Wassermengen aus dem Rhein befüllt werden.
Auf der 50-Kilometer-Tour von Dormagen nach Elsdorf gab es bei Zwischenstopps Gespräche mit Fachleuten. In Knechtsteden traf man Dirk Jansen. Der Landesgeschäftsführer des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) machte die Dimensionen des Projekts sowie die damit verbundenen Eingriffe in den Wasserhaushalt und die Landwirtschaft deutlich.
Zweifel an der Wasserqualität
So werde der Graben für die Wasserrohre rund 25 Meter und die fürs Bauen nötige und anschließend zu rekultivierende Arbeitsschneise sogar bis zu 70 Meter breit. Positiv hervorgehoben wurde allerdings, dass die Rohrleitungen unter dem geschützten und wertvollen Knechtstedener Wald bergmännisch ohne Baumrodungen vorangetrieben werden sollen. Skeptisch sind der BUND und auch die Grünen bei der Frage der Wasserqualität.
„Das Rheinwasser soll nicht aufwendig geklärt, sondern lediglich gesiebt werden, um Fische, Algen und Unrat herauszufiltern“, sagte Antje Grothus. Sie bezweifelt, dass das reiche, „um langfristig eine gute Wasserqualität in den Restseen zu gewährleisten“. Daher plädiert sie dafür, in den kommenden Verfahren vorausschauend zusätzlichen Flächenbedarf für eine Wasserreinigungsanlage vorzusehen.
„Das darf nicht an zusätzlichen Kosten für RWE scheitern, denn der Schutz des Trinkwassers muss die höchste Priorität haben.“ Michael Eyll-Vetter, Leiter der Tagebausparte von RWE Power, verwies beim Treffen am Schloss Paffendorf auf Gutachten, die dem Rheinwasser eine für die Seen völlig ausreichende Qualität bescheinigen.
Auch die Befürchtung von Umweltschützern, dass der Rheinpegel bei Niedrigwasser zu stark abgesenkt werden könnte, teilte Eyll-Vetter nicht. Selbst bei der maximal geplanten Abschöpfung von 18 Kubikmetern pro Sekunde sinke der Pegel des Rheins nur um weniger als 2,5 Zentimeter. Bei Wasserknappheit werde die Abschöpfmenge zudem deutlich gesenkt oder zeitweise ganz gestoppt.
Vom Rhein ins Kohleloch
Die Rheinwassertransportleitung (RWTL) zur Befüllung der Tagebaurestseen Garzweiler und Hambach wird insgesamt rund 45 Kilometer lang. Sie beginnt mit einem Entnahmebauwerk bei Dormagen-Piwipp. Hier sollen dem Rhein ab 2030 über mindestens 40 Jahre hinweg bis zu 18 Kubikmeter Wasser pro Sekunde entnommen werden.
Nach der Erstbefüllung der Seen muss die RWTL noch jahrzehntelang in Betrieb bleiben, um Versickerungsverluste auszugleichen. Es dürfte wohl rund 100 Jahre dauern, bis der im Zuge der Braunkohleförderung abgesenkte Grundwasserspiegel so weit gestiegen ist, dass auf das Rheinwasser verzichtet werden kann.
Durch eine 25 Meter breite unter-irdische Pipeline mit drei Rohren (jeweils 2,20 Meter Durchmesser) fließt das Wasser ab Piwipp zunächst bis Dormagen-Rheinfeld, wo zum Höhenausgleich ein Pumpwerk geplant ist. Nach gut 22 Kilometern durch vorwiegend landwirtschaftliches Gebiet soll bei Grevenbroich-Allrath ein Verteilerbauwerk errichtet werden. Hier teilt sich die Leitung.
In westlicher Richtung führt sie in zwei Rohren über 4,2 Kilometer bis zum Einleitungspunkt in den Garzweiler See. Die Hambach-Leitung mit ebenfalls zwei Rohren zweigt bei Allrath nach Süden ab und führt über 18,5 Kilometer zunächst an Grevenbroich-Frimmersdorf, Bergheim-Niederaußem und Bergheim-Paffendorf vorbei. Das letzte Teilstück ist parallel zum Fahrrad-Speedway bis nach Elsdorf geplant.
Die RWTL endet südwestlich von Esch in der Nähe des Aussichtspunktes Terranova 4. Dort wird das Rheinwasser in den Ham-bacher See eingeleitet. Wegen des vorgezogenen Braunkohleausstiegs wird am Hambach-See nicht nur früher mit der Befüllung begonnen, sondern auch mehr Rheinwasser entnommen als ursprünglich vorgesehen. Das regionalplanerische Verfahren für die RWTL ist weitgehend abgeschlossen. Die Bauarbeiten sollen Anfang 2025 beginnen und fünf Jahre dauern. (jo)