Die Stadtverwaltung soll digitaler und die Wirtschaft angekurbelt werden. Der Kandidat der Liberalen hat einiges in der Kolpingstadt vor.
FDP-BürgermeisterkandidatChristian Pohlmann will die Wirtschaft nach Kerpen holen
Ins Rennen für das Amt des Bürgermeisters in Kerpen schickt die FDP Dr. Christian Pohlmann. Der 42-jährige Kreisverbandsvorsitzende, der in der Kolpingstadt wohnt, will vor allem auf die Digitalisierung der Verwaltung und ein unternehmerfreundliches Umfeld in Kerpen sorgen. Was er sonst noch vorhat, verrät er im Interview mit Elena Pintus.
Herr Pohlmann, Ihre Parteikollegen haben Sie bei nur einer Gegenstimme gewählt. War das eine Überraschung für Sie oder vorhersehbar?
Ja, für mich war es eine Überraschung, da ich kein Blatt vor den Mund nehme. Von daher war das eine schöne Erfahrung für mich.
Kerpen: Pohlmann will mehr Nahversorger in der Stadt
Was hätten Sie als Bürgermeister von Kerpen alles vor?
Ich bekomme in Kerpen vor allem mit, wie schwierig es für Investoren ist, hier ihre Projekte durchzubringen. Wir haben Interessenten, aber viele von denen verzweifeln an der Stadt. Das hat nicht nur mit den klassischen Themen wie der fehlenden Fläche zu tun. Das fängt schon an bei ganz grundlegenden Themen wie der Nahversorgung. Nahversorger scheitern, wenn sie bei uns in die Innenstädte wollen, an den Auflagen oder sagen eben, dass sich das nicht rechnet. Ich möchte es denjenigen, die hier investieren wollen, vereinfachen. Das ist ein klassisch liberales Thema.
Wären Sie auch ein Bürgermeister für die Bürger oder nur für Unternehmen?
Natürlich wäre ich auch ein Bürgermeister für die Bürger. Ich bin ja selbst Bürger der Stadt. Was man ganz zentral zum Beispiel merkt: Als ich letztens meinen Reisepass verlängern lassen wollte, musste ich erst einen Termin machen, und dann gab es eine Einlasskontrolle.
Natürlich müssen die Mitarbeitenden in der Verwaltung sich sicher fühlen. Aber die Verwaltung ist für die Bürgerinnen und Bürger da. Da kann es echt nicht sein, dass man erstmal klären muss, um wie viel Uhr man einen Termin hat und wie man ins Rathaus reinkommt. Das Rathaus muss offen sein. Wie kann es sein, dass Unternehmen nach Corona wieder schnellstmöglich alles aufmachen und im Rathaus ist bis auf die Masken fast noch alles so, als ob wir noch Corona hätten?
Wenn man in der Verwaltung nachfragt, woran es liegt, dann sagt die Belegschaft: Wir sind es nicht. Der Personalrat sagt: Wir sind es nicht. Dann kann es nur die Verwaltungsspitze sein, die das aus Fürsorgepflicht für die Mitarbeitenden macht. Einlasskontrollen sind auch möglich, ohne dass man sich fühlt, als ob man gleich ins Gefängnis geht.
Pohlmann: Kerpener Rat sei besonders „giftig“
Welche Vorteile nehmen Sie aus ihrer aktuellen Position als Kreisverbandsvorsitzender mit, wenn Sie Bürgermeister würden?
Ich weiß zumindest, wie Politik gut kooperieren kann. Und ich muss auch sagen: Die Giftigkeit, die ich aus dem Kerpener Stadtrat kenne, die gibt es so im Kreistag nicht. Der Umgang ist sehr respektvoll und anständig. Ich will nicht sagen, dass die Politik in Kerpen grundsätzlich unanständig ist. Aber sie sollte öfter mal daran erinnert werden, was eine anständige Diskussionskultur beinhaltet.
Haben Sie basierend darauf keine Sorge, dass Sie als Bürgermeister auch angefeindet würden und diese Giftigkeit, wie Sie es nennen, zu spüren bekommen?
Doch, aber ich habe ein dickes Fell. Ich werde nicht jemand sein, der um ein Uhr nachts noch Facebook-Posts beantwortet. Ein Bürgermeister muss sich um die wichtigen Dinge in Kerpen kümmern und darf auch nicht auf jede Provokation eingehen. Ein Bürgermeister ist ein Staatsmann auf einer städtischen Ebene.
Warum denken Sie, dass Sie der richtige Kandidat für den Bürgermeister-Posten sind?
Ich habe das Gefühl, dass Kerpen gerade wie eine Sportmannschaft ist, die vom Abstieg bedroht ist. Wenn man nicht das komplette Team austauschen kann, braucht es manchmal einfach einen Trainerwechsel.
Ich glaube, dass Dieter Spürck vieles durchaus gut macht. Aber ich denke, dass wir jetzt einen frischen Wind und neue Impulse brauchen. Wir Liberale gehen mit Digitalisierung ganz anders um als jemand aus der CDU oder SPD.
Beispiel ist der Bürgermeister in Dresden, ein Parteifreund von mir. Der hat eingeführt, dass man fast alles digital vorbereiten kann und dann nur noch ins Rathaus kommen muss, um nachzuweisen, dass man das auch selbst ausgefüllt hat.
Digitalisierung der Verwaltung als große Herausforderung
Viele Fraktionen stoßen die Diskussion um die Digitalisierung regelmäßig an. Die Rückmeldung der Stadt ist meist, dass für die Umsetzung Geld und Personal fehlen. Wie würden Sie als Bürgermeister damit umgehen?
Das ist in der Tat ein Problem. Die Personaldecke in der IT ist auf der Verwaltung sehr dünn, weil in der freien Wirtschaft deutlich mehr gezahlt wird. Aber auch hier gilt, es müssen Prozesse digitalisiert werden. Und natürlich müssen wir in den einzelnen Fällen schauen, ob sich die Digitalisierung bestimmter Prozesse vom Arbeitsaufwand her lohnt. Wenn dem nicht so ist, dann sehe ich davon natürlich ab.
Was ist denn, wenn Sie zu dem Schluss kommen, dass sich angestrebte Veränderungen an vielen Stellen tatsächlich finanziell und personell nicht lohnen?
Diese Argumentation habe ich so ähnlich schon öfter in der Diskussion um das Europagymnasium gehört. Wir als FDP haben mehrfach eine Public-Private-Partnership angeregt, also dass jemand für uns das Gebäude baut und die Stadt das dann mietet. Uns wurde immer wieder von der Stadt gesagt, dass sich das nicht lohnen würde. Wir haben dann öfter nachgefragt, und niemand in der Verwaltung kann uns sagen, wo diese Wirtschaftlichkeitsprüfung zu finden ist.
Pohlmann: Politik und Verwaltung sollten an einem Strang ziehen
Ich erlebe es leider, dass man sich versucht, einen schmalen Fuß zu machen, weil man nicht bereit ist, etwas umzusetzen. Aber die Verwaltung hat Beschlüsse der Politik umzusetzen. Wenn ein Grundsatzbeschluss getroffen wurde, sollten wir auch alle an einem Strang ziehen.
In der Verwaltung sitzen traditionell viele Juristen. Und Juristen fragen meist als erstes: Was spricht dagegen? Und nicht: Wie machen wir das möglich? Die Denke, etwas zu ermöglichen, die gibt es fast gar nicht. Das möchte ich ändern. Ich möchte gern ein „Ermöglicher“ sein in Kerpen.
Gibt es noch andere Themen, die Sie angehen wollen, abseits der klassisch liberalen?
Wir haben immer noch einen Siedlungsdruck und müssen mehr Wohnfläche schaffen, das auch unorthodox. Wir sollten nachverdichten, wobei das für mich auch einschließt, dass in die Höhe gebaut werden kann.
In Sindorf haben wir zudem das Problem, dass wir an Wohnfläche wachsen wollen, aber dass die soziale und schulische Infrastruktur nicht hinterherkommt. Das ist aber sehr schwierig, denn da braucht man auch ausreichend Personal. Ohne vernünftige Landesgesetzgebung ist es schwierig, an Lehrer und Kita-Kräfte zu kommen.
Wie rechnen Sie sich Ihre Chancen auf den Bürgermeister-Posten aus?
Die Chancen sind gegeben. Erstes Ziel muss sein, in die Stichwahl zu kommen, vor der SPD und den Grünen zu liegen. Und ich kann mir durchaus vorstellen, dass wir nächstes Jahr noch einiges an Überraschungen erleben, nicht zuletzt durch die Bundestagswahl.