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PilotprojektGeflüchtete arbeiten in Kerpen für 80 Cent die Stunde

Lesezeit 3 Minuten
Das Foto zeigt Cem Yilmaz, Dezernent der Stadt Kerpen

Cem Yilmaz ist Dezernent der Stadt Kerpen.

Mit der Idee aus Thüringen will der Dezernent Asylbewerbern die Möglichkeit zur Beschäftigung und Integration bieten. Doch es gibt scharfe Kritik.

„Arbeitsgelegenheiten für Asylbewerbende“ heißt das Pilotprojekt, das der Dezernent der Stadt Kerpen, Cem Yilmaz, in die Kolpingstadt geholt hat. Das Projekt ermöglicht es Menschen im Asylverfahren, bis zu 20 Stunden die Woche zu arbeiten. Und dabei soll gleichzeitig der Allgemeinheit geholfen werden.

Denn die Arbeitsbereiche umfassen etwa Hausmeistertätigkeiten in öffentlichen Gebäuden, Hilfe bei der Straßenreinigung, in den städtischen Bädern oder auch im Bauhof. Auch in den Unterkünften für Geflüchtete können sie kleinere Aufgaben übernehmen.

Kerpen: Deutsch lernen und Kontakte knüpfen

„Die Idee dahinter ist, den Menschen eine Beschäftigung zu bieten. Gleichzeitig ist es in meinen Augen aber auch ein Integrationsprojekt. Sie können nicht nur die deutsche Sprache im Alltag einsetzen, sondern auch Kontakte zu den Menschen vor Ort knüpfen“, erklärt der Dezernent. Gleichzeitig sei es für viele Geflüchtete auch sinnvoll, „mal aus den Unterkünften rauszukommen und mit Außenstehenden zu sprechen“.

Im Rhein-Erft-Kreis seien diese Arbeitsgelegenheiten für Asylbewerbende einzigartig, sagt Yilmaz. Und auch über den Kreis hinaus seien ihm zumindest in der näheren Region keine vergleichbaren Projekte bekannt.

Ursprung des Pilotprojekts in Thüringen

Ursprünglich entwickelt wurde das Ganze in Thüringen. Die Idee stammt aus dem Saale-Orla-Kreis, sagt Yilmaz. „Das Thema war dort sehr präsent in den lokalen Medien und hat dort auch sehr gut funktioniert. Das Ganze wurde sogar noch ausgeweitet, weil sich Externe schließlich angeboten haben, dass die Geflüchteten ebenfalls bei ihnen arbeiten können.“ Er führt aus: „Wir haben uns dann gedacht, dass man das vielleicht auch in Kerpen einführen könnte?“

Die Idee überzeugte die Kerpener Politiker. In der jüngsten Ratssitzung wurden dem Projekt außerplanmäßig je zusätzliche 10.000 Euro für die kommenden zwei Jahre zugesprochen. Tatsächlich ging das Projekt erst kürzlich von der Vorbereitungsphase in die Umsetzung über, wie Yilmaz in der Ratssitzung berichtete.

Kerpener Linke kritisiert Stundenlohn: „Menschenunwürdig“

Denn die ersten Menschen hätten das Angebot bereits angenommen und arbeiteten in verschiedenen städtischen Zuständigkeitsbereichen. „Ich habe mittlerweile auch schon einige Rückmeldungen erhalten. Die Personen sind sehr zufrieden mit ihren Tätigkeiten“, sagt der Dezernent.

Vollkommen ohne Kritik blieb das Projekt allerdings doch nicht. Allein die Linke stimmte in der jüngsten Ratssitzung gegen eine Bereitstellung außerplanmäßiger Mittel. Der Knackpunkt: die Bezahlung. Denn die liegt gerade einmal bei 80 Cent die Stunde. Anetta Ristow (Linke) nannte die Bezahlung in der Sitzung „menschenunwürdig“. Stattdessen schlug sie vor, die Beschäftigung als Ehrenamt mit der gängigen Ehrenamtspauschale anzubieten.

„Es handelt sich bei den 80 Cent leider um den gesetzlichen Rahmen“, sagt Yilmaz: „An den wollen wir uns auch halten. Auch wenn die 80 Cent natürlich ein bisschen wenig sind“, gibt er zu. Er betont zudem, dass es bei dem Projekt entschieden nicht darum gehe, Asylbewerber „ans Arbeiten“ zu bringen: „Ich sehe das vielmehr als Integrationsmaßnahme.“

Für viele Geflüchtete sei das lange Warten während des Asylverfahrens nervenzehrend und teilweise auch äußerst langweilig. Denn bis auf Sprachkurse zu belegen, sind die Beschäftigungsmöglichkeiten für Menschen im Asylverfahren stark begrenzt. „Hier möchten wir einfach eine Möglichkeit zur Beschäftigung bieten“, erklärt der Dezernent. Immerhin könne so ein Verfahren auch mal mehrere Jahre dauern.


Das Projekt im Überblick

Nach dem aktuellen Stand kostet das Projekt die Stadt 25.000 Euro, gerechnet auf drei Jahre. Noch bis einschließlich 2026 sollen die Arbeitsgelegenheiten fortgesetzt werden.

Grundlage für die Umsetzung ist das Asylbewerberleistungsgesetz, das es ermöglicht, Asylbewerbende zu Arbeitsgelegenheiten bei staatlichen, bei kommunalen und bei gemeinnützigen Trägern zu verpflichten, wenn das Arbeitsergebnis der Allgemeinheit dient.

Sprach- und Integrationskurse, Schule und Ausbildung sowie sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse haben gegenüber dem Pilotprojekt Vorrang.

Die Stadt rechnet in einem ersten Schritt mit 14 Asylbewerbern, die teilnehmen. Neben dem Bauhof, der Unterstützung von Schul- und Jugendamtshausmeistern und der Arbeit in den Bädern sei etwa die Arbeit in den Unterkünften für Geflüchtete, bei der Feuerwehr und bei den Zentralen Diensten denkbar, heißt es in der entsprechenden Beschlussvorlage.