Schon 14 Säuglinge und Kleinkinder im Alter von bis zu vier Jahren haben bei der 41-Jährigen gelebt.
Hilfe in akuter KriseJudith Schmitz aus Kerpen nimmt Babys suchtkranker Eltern auf

Bereitschaftspflegemutter Judith Schmitz mit dem Baby Hubertus.
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„Du schenkst jedem Kind einen Platz in deinem Herzen und gibst dem Kind ein Stück Herz mit. Aber du hast für das nächste Kind wieder Platz in deinem Herzen!“ Das sagt Judith Schmitz (41), die als Bereitschaftspflegemutter für „KidS“, der Kinder- und Jugendpädagogischen Einrichtung der Stadt Köln, tätig ist. Häusliche Gewalt, psychische Probleme, Drogen- und Alkoholsucht, Obdachlosigkeit oder Inhaftierung der Eltern sind die Gründe, warum Babys und Kinder aus diesem gefährdeten Umfeld herausgenommen werden.
Dafür sorgt die Familiäre Bereitschaftsbetreuung, die Kindern im Alter von null bis vier Jahren in akuten Krisensituationen einen geschützten familiären Rahmen gibt. Judith Schmitz weiß aus eigener Erfahrung nur zu gut, was es heißt, ein Adoptivkind zu sein, kam sie doch selbst mit 14 Monaten zu ihren Adoptiveltern. Mit ihrem Mann Dirk und ihren beiden Kindern Nico (16) und Laura (11) lebt sie in Horrem.
Kerpen: Ein Job, der die ganze Familie betrifft
Der zwölf Monate alte Hubertus (Name geändert) ist das 14. Kind, das seit 2019 bei Judith Schmitz und ihrer Familie für eine bestimmte Zeit Geborgenheit und Schutz gefunden hat. Gut kann sich die Restaurantfachfrau an das erste Mal erinnern, als sie im Dezember 2019 mit einem Baby im Auto zu Hause vorfuhr.
Bis dahin sei es ein langer Weg gewesen, seit die Familie im Mai 2019 die Entscheidung zur Bereitschaftspflege eines Kindes getroffen hatte. Es sei eben ein Job, der die ganze Familie betrifft. „Mama, Du bist eine gute Kümmerin, dann kannst Du Dich auch um andere Kinder kümmern“, sagten Sohn und Tochter. Dirk Schmitz, Leiter des Kerpener Vater-Kind-Kreises, konnte dem nur zustimmen.
Manchmal waren die eigenen Kinder ein wenig eifersüchtig
Es folgten etliche Haus- und Kennenlernbesuche durch Vertreter des Fachdienstes von „KidS“, ein Führungs- und Gesundheitszeugnis wurde angefordert. Darüber hinaus wurde Judith Schmitz in diversen Arbeitskreisen und Fortbildungen auf den Umgang mit Babys von drogen- und alkoholabhängigen, psychisch erkrankten Eltern vorbereitet und geschult.
Als sie dann im Dezember 2019 mit dem ersten Baby, vier Monate alt, in Horrem ankam, dachte sie: „Jetzt bist Du für dieses Kind zuständig und musst dafür sorgen, dass dieser kleine Mensch am Leben bleibt“. Ein wenig mulmig war ihr da schon zumute.
13 weitere Babys folgten, die für bestimmte Zeit ein behütetes Zuhause fanden. Leicht war es nicht immer, wenn ein Kind krank wurde oder nächtelang unentwegt schrie. Auch Nico und Laura quälte manchmal ein Funken Eifersucht, wenn ihre Mutter ständig ein Baby auf dem Arm hatte. „Ich bin eben immer belegt“, lacht Judith Schmitz, während sie den kleinen Hubertus im Arm hält.
Baby hörte die Stimme der Mutter und konnte nicht aufhören zu schreien
Mit gemischten Gefühlen fährt sie seit fünf Jahren einmal in der Woche mit ihrem Schützling zum sogenannten „Besuchskontakt“ nach Köln. In den Räumen der Kinder- und Jugendpädagogischen Einrichtung haben die Eltern die Möglichkeit, mit ihrem Kind eine Stunde zu verbringen.
Judith Schmitz überbringt das Kind den Eltern, um es nach einer Stunde wieder in Empfang zu nehmen. „Manchmal freut es mich für das Kind. Manchmal wiederum tut es mir weh, weil die Zusammenführung, im Hinblick auf die schwierige Lebenssituation der Eltern und dem daraus resultierenden Verhalten, dem Kind nicht guttut“, sagt sie.
Dabei erinnert sie sich an ein Baby, das, sobald es die Stimme der Mutter hörte, nicht aufhörte zu schreien. Der Besuchskontakt musste infolgedessen abgebrochen werden. Ganze 17 Monate war ein Kind bei Familie Schmitz in der Betreuung. Aber egal, wie lange die Kinder bei der Familie sind, der Abschied ist jedes Mal unendlich traurig.
Nach Überprüfung der aktuellen Lebenssituation der Eltern durch das Jugendamt, erfolgt die Übergabe der Kinder an die Eltern in den Räumlichkeiten von „KidS“. Im Fall des Sorgerechtsentzugs durch das Familiengericht wird das Kind direkt zu den neuen „Langzeitpflegeeltern“ gebracht. „Da blutet einem das Herz und es fließen Tränen“, sagt Judith Schmitz. Aber da ist dann auch wieder Platz für das nächste Kind im Herzen der Familie Schmitz.