Die Politik glaubt dennoch, dass sich die AfD-Erfolge im Osten nicht auf die Region übertragen. Dabei erstarkte sie hier schon bei der Europawahl.
Kommentar zur Kommunalwahl 2025Führende Politiker in Rhein-Erft unterschätzen AfD-Erfolg im Osten
Vier Stunden und 21 Minuten. Oder auch 394 Kilometer. Diese Zeit braucht es, beziehungsweise diese Entfernung gilt es für eine Autofahrt von Frechen nach Erfurt zu überwinden. Noch vor 35 Jahren, als die beiden deutschen Staaten eine Mauer trennte, wäre deutlich mehr Zeit vonnöten gewesen, um aus dem Herzen des Rhein-Erft-Kreises nach Thüringen zu gelangen. Wir erinnern uns?
394 Kilometer – das mag für den einen ein Katzensprung sein, für andere führt diese Entfernung offenbar zu der trügerischen Einschätzung, dass Entwicklungen dort mit ihrem eigenen Lebensumfeld nichts zu tun haben. Warum auch? Ist ja nur der Osten! Bewohnt von undankbaren, immer maulenden, die Demokratie nicht wertschätzenden und sich stattdessen nach autoritären Systemen sehnenden Menschen!
Klingt überzogen? Stark vereinfacht? Muss nicht so sein.
Zu politischen Themen äußern sich die Parteien nur ungern
Am Tag nach den erwarteten Wahlerfolgen der AfD in Thüringen und in Sachsen bewerteten Parteivorsitzende und -sprecher demokratischer Parteien im Rhein-Erft-Kreis den Wahlausgang in den beiden Bundesländern. Sie äußerten sich auch dazu, welche Konsequenzen der starke Zuspruch für die vom Oberverwaltungsgericht Münster als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestufte Partei für die Kommunal- und Kreistagswahl 2025 haben wird.
Das taten sie übrigens auch nur auf Nachfrage. Äußerungen zu gesellschaftspolitisch relevanten Themen sind von ihnen selten zu vernehmen. Über Jubilarehrungen und Besuche von Schulklassen bei Abgeordneten berichten Parteien dagegen gern und ausführlich – wobei ich weder langjährige Verdienste noch politische Bildung herabwürdigen möchte.
Was war die Essenz dieser Stellungnahmen? Vor allem CDU-Chefin Romina Plonsker und SPD-Vize Helge Herrwegen betrachten die beiden Landtagswahlen als isolierte Ereignisse, die wenig bis keine Auswirkungen auf die Wahlen im Herbst 2025 haben werden. Ein Vergleich zum Rhein-Erft-Kreis falle daher schwer, äußerten sich die Vertreter der beiden großen Volksparteien. Vereinfacht: Erfurt ist nicht Elsdorf.
Stimmt das? Ein Blick auf die Ergebnisse der AfD bei der Europawahl lässt daran zweifeln. Mit 19,6 Prozent wurde sie in Elsdorf hinter der CDU zweitstärkste Kraft. Nur wenige Kilometer davon entfernt, in Bergheim-Zieverich, wählte fast jeder Dritte die AfD. Im gesamten Kreis erhielt sie kaum weniger Stimmen als die Grünen, knapp 13 Prozent.
Dem Pfeifen im Walde ähnelnd bemerkt dann auch der stellvertretende Vorsitzende der CDU-Fraktion im Landtag, Gregor Golland aus Brühl, in seinem wöchentlichen Newsletter, dass die CDU in beiden Bundesländern mehr Stimmen erhalten habe als bei der letzten Landtagswahl, „und das unter wirklich schwierigen Bedingungen“. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass sie zwar in Thüringen etwas zulegen konnte, in Sachsen – wo sie den Ministerpräsident stellt – aber Verluste hinnehmen musste. Aber so ist das ja seit jeher nach Wahlen: Irgendwie hat jeder irgendwas gewonnen.
Zurück zum Rhein-Erft-Kreis: Zu meinen, dass bei der Wahl 2025 kommunalpolitische Themen im Fokus stehen, dürfte zu einem bösen Erwachen führen. Erst recht, wenn Bundestags- und Kommunalwahl auf den selben Tag fallen sollten. Dann könnte so mancher Parteienvertreter feststellen, dass der Weg zurück zu Wahlerfolgen länger ist als eine Fahrt nach Erfurt – nämlich fünf Jahre bis zur nächsten Wahl. In dieser Zeit kann viel passieren, möglicherweise nicht zum Besten der Bürgerinnen und Bürger.