Die CDU-Abgeordnete spricht über die Chancen der Microsoft-Ansiedlung, über Bürgerproteste auf den Straßen und Gewalt gegen Politiker.
MdL Plonsker aus Pulheim„Finde es schwierig, dass einige Demos sich nur gegen ‚Rechts‘ richten“
Microsoft baut im Norden des Rhein-Erft-Kreises ein großes Rechenzentrum und schafft damit einige Hundert Arbeitsplätze. Ist der Strukturwandel dadurch gesichert?
Romina Plonsker: Nach all der nicht unberechtigten Kritik, dass es nicht absehbar sei, was nach der Braunkohle komme, ist die Microsoft-Ansiedlung etwas Sichtbares und etwas, das die Bürger anfassen können. Aber natürlich sind dadurch nicht alle Probleme gelöst, ist Microsoft allein nicht der Game-Changer. Die Rädchen müssen sich weiterdrehen und alle Beteiligten müssen weitere Anstrengungen unternehmen, um neue Unternehmen anzusiedeln.
Was stimmt sie zuversichtlich, dass Microsoft die erhoffte Sogwirkung tatsächlich ausübt?
Alles zum Thema RWE
- Tagebau Hambach Erste Rohre für Rheinwasserleitung nach Elsdorf sind eingetroffen
- RWE informiert Bürger So soll im Tagebau Hambach der zweitgrößte deutsche See entstehen
- Naturschutzprojekt Zwei Wildpferde von der Sophienhöhe nach Holland umgesiedelt
- Empfang in Bedburg Landwirte diskutieren über Herausforderungen der Branche
- Zukunft gesucht am Tagebau Garzweiler Gestalten lässt sich in den geretteten Dörfer viel, zurückkommen wollen aber nur wenige
- 414 Bewerber Kunstverein Frechen zieht ein positives Fazit zu Internationalen Grafik-Triennale
- Ex-Umweltministerin Bärbel Höhn im Interview „Ich bin kein Fan von Schwarz-Grün“
Plonsker: Das konnte man gut in einem ähnlichen Zusammenhang in Frankfurt beobachten. Dort sind im engen Umkreis eines Rechenzentrums binnen weniger Jahre Tausende Jobs entstanden. Das ist ja auch nachvollziehbar: Wir brauchen immer mehr Rechenleistung, da suchen Unternehmen die Nähe solcher Zentren. Neben der wirtschaftlichen Bedeutung hat der Microsoft-Deal auch eine politische Komponente.
Wie meinen Sie das?
Plonsker: Ich sehe die Gefahr, dass wir Menschen, die vom Strukturwandel nicht überzeugt sind oder Angst haben, ihren Job zu verlieren und abgehängt zu werden, an die falschen Akteure verlieren – die AfD.
Die Ansiedlung von Microsoft hat viele Väter, zumindest haben fast alle Parteien den Erfolg für sich reklamiert, unter anderem Ihr ehemaliger Koalitionspartner in Düsseldorf, die FDP. Wie wirkt das auf Sie?
Plonsker: Ich bin sehr tolerant, auch in der Frage, wer welchen Anteil an diesem Geschäft hat. Meinetwegen kann sich jeder, der es für nötig hält, im Licht des Erfolges sonnen. Ex-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart tut dies auf jeden Fall zu Recht. Das NRW-Wirtschaftsministerium hat beispielsweise zusammen mit dem Rhein-Erft-Kreis und dem Rhein-Kreis-Neuss ein Gutachten zum Potenzial von Digitalparks beauftragt und damit die richtigen Weichen gestellt. Welchen Anteil Kanzler Scholz allerdings daran hat, entzieht sich meiner Kenntnis.
Worüber regen Sie sich mehr auf: über die vielen Väter des Erfolgs oder über die Kritiker?
Plonsker: Definitiv über die, die immer ein Haar in der Suppe suchen – und es auch finden. So wie Hans Decruppe aus dem linken Parteienspektrum bemängelt, dass zu wenig Jobs entstünden. Natürlich wäre auch mir lieber, wenn noch mehr Leute in solchen Rechenzentren Arbeit fänden. Aber wir reden auf der anderen Seite ja auch nicht von einem Unternehmen, das viel Fläche braucht, aber kaum Jobs schafft. Entscheidend ist doch, was an Microsoft dranhängt und welche Sogwirkung davon ausgeht. Andere kritisieren, dass Landschaft versiegelt wird, allerdings schaffen wir nur mit dem hundertprozentigen Schutz unserer Böden den Strukturwandel nicht.
Sie haben eben schon die AfD erwähnt. In den vergangenen Wochen sind Tausende Menschen auch im Rhein-Erft-Kreis auf die Straße gegangen, um für Vielfalt, Demokratie und gegen Rechtsextremismus zu demonstrieren. Bei welcher dieser Veranstaltungen waren Sie dabei?
Plonsker: Bei keiner. Das hatte zum einen terminliche Gründe, zum anderen habe ich auch bei einigen Demonstrationen Vorbehalte: Ich finde es schwierig, dass sich einige Demonstrationen nur gegen „rechts“ richten. Man sollte sich generell gegen jede Form von Extremismus einsetzen, egal ob Rechts- oder Linksextremismus, Antisemitismus oder religiösen Extremismus. Gerade im Hinblick auf die Europawahl können die Demonstrationen auch ein Zeichen für Europa zu setzen, das die AfD in seiner jetzigen Form und politischen Struktur ja ablehnt. Aber nur gegen etwas zu sein, reicht mir nicht aus. Stattdessen habe ich gerne an Veranstaltungen teilgenommen, bei der sich die Teilnehmer für den Frieden in Europa und in der Ukraine eingesetzt haben.
Damit stoßen Sie die Teilnehmer der Demonstrationen vor den Kopf.
Plonsker: Das ist nicht meine Absicht. Ich habe nur deutlich gemacht, warum ich mich von der Zielrichtung der meisten Demonstrationen in den vergangenen Wochen nicht angesprochen fühle. Ich finde, dass die Städte und ihre Bürger ein tolles Zeichen gesetzt haben und habe Respekt vor den Menschen, die auf die Straße gegangen sind.
Was halten Sie von der Forderung nach einem Verbot der AfD?
Plonsker: Ein Verbotsverfahren kann immer nur die ultima ratio sein. Aufgrund der Unsicherheit muss der Verfassungsschutz in Bund und Ländern zunächst die AfD gesichert als rechtsextremistisch einstufen. Im Landtag setzen wir uns dagegen im parlamentarischen Prozess mit der AfD auseinander und die Landtagswahl 2022 hat gezeigt: mit Erfolg, denn die AfD hat deutlich verloren.
Nun haben so viele Bürger ein deutliches Zeichen gesetzt, dass sie sich gegen einen Rechtsruck in Deutschland wehren. Worin sehen Sie jetzt die Aufgabe der Politik?
Plonsker: Unsere Aufgabe ist es, unsere Politik und die Entscheidungen noch besser zu erklären. Das gelingt uns auf Landesebene ganz gut, und ich bin mir sicher, dass wir es im Bund auch besser machen würden als die Ampel. Wer keinen klaren Kurs hat und Streit öffentlich austrägt, befördert die Unzufriedenheit in der Bevölkerung über politische Entscheidungen und es befördert das Bild, das offenkundig leider immer mehr Menschen über Politik haben. Zuletzt wurden dabei Grenzen deutlich überschritten, wie die persönlichen Attacken unter anderem auf Robert Habeck.
Die Angriffe auf Politiker häufen sich ja generell, verbal und bisweilen auch körperlich. Haben Sie selbst solch negative Erfahrungen gemacht?
Plonsker: Ich habe das große Glück, dass ich bisher noch nicht persönlich bedroht worden bin. Und ich hoffe sehr, dass dies so bleibt.
Wie nehmen Sie die Spannungen in der Gesellschaft wahr, die sich dann in Angriffen gegen einige Politiker entladen?
Plonsker: Ich empfinde eine extrem ambivalente Stimmung. Zum einen besteht ein großer Wunsch nach Individualität, gepaart mit Skepsis staatlichen Instanzen. Zum anderen wird dann nach dem Staat gerufen, einem starken Staat, wenn es um persönliche Belange und Vorteile geht und der alles für einen regelt, sodass man nicht mehr mitdenken muss. Das passt für mich aber nicht überein. Die AfD macht es sich einfach: Sie gibt auf komplexe Fragen einfache Antworten – beispielsweise zum Klimaschutz oder zur Migration, in dem sie beides einfach ablehnt. Aber es freut mich zu sehen, dass der Rückhalt für die AfD in den Umfragen in den vergangenen Wochen sinkt. Unser Nahziel und das aller Demokraten muss es sein zu erreichen, dass sich diese Entwicklung bis zur Europawahl fortsetzt. Das Europa der rechtsextremen Parteien ist nicht unser Europa.
Romina Plonsker (35) stammt aus Pulheim-Stommelerbusch und absolvierte nach dem Abitur eine Ausbildung zur Bankkauffrau. Danach studierte sie Betriebswirtschaftslehre in Köln und Madrid mit Schwerpunkt Bankwesen. Ihren Master-Abschluss machte sie im Jahr 2017, bereits als Abgeordnete des Landtags. Am 24. Februar 2021 wurde sie als Arbeitnehmervertreterin in den Aufsichtsrat der RWE Power AG gewählt.