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EhrenamtAnette Gövert begleitet Menschen aus dem Rhein-Erft-Kreis

Lesezeit 4 Minuten
Frank Nixdorf steht links im Bild und trägt ein blaues Polo-Hemd. Rechts steht Anette Gövert, sie trägt ein rotes Kleid. Hinter den beiden ist ein Banner aufgestellt, auf dem die Aufschrift steht: „Wir sind da. Engagiert für andere, aktiv im Betreuungsverein.“

Anette Gövert arbeitet als Ehrenamtliche Betreuerin, Frank Nixdorf ist Hauptamtlicher beim Betreuungsverein des SKM. Das Gebäude des SKM in Erftstadt.

Anette Gövert ist ehrenamtlich als Betreuerin aktiv. In ihrem Job begleitet sie Menschen teilweise über Jahrzehnte.

Für jeden Lebensaspekt von Geld bis Gesundheit gibt es Formulare: Wohngeldantrag, die Gebührenbefreiung bei der Krankenkasse, ein Grundsicherungsantrag. All diese bearbeitet die Ehrenamtlerin Anette Gövert seit 2004 für Menschen, die sich von ihr betreuen lassen. Insgesamt 22 Personen hat sie so begleitet.

Trotzdem übersieht Gövert bei der Formularflut nicht den Menschen. Das wird spätestens dann deutlich, wenn sie erzählt, dass sie eine Frau 19 Jahre lang bis zu ihrem Tod begleitete. „Wir hatten eine Whatsapp-Familiengruppe, und wenn dann irgendwas Akutes war, dann konnte man sich immer austauschen“, erzählt sie. Dabei war sie 2004 noch eine Fremde für die Familie. Wie entsteht so etwas?

Es fingt mit einem Gespräch mit Frank Nixdorf vom SKM an

Angefangen hat alles, als Anette Gövert von Dortmund nach Hürth zog. Sie besuchte die Seniorentage der Stadt Frechen und lernte am Infostand der Arbeitsgemeinschaft der Betreuungsvereine Frank Nixdorf kennen, der hauptamtlich im Betreuungsverein des Sozialdienstes Katholischer Männer im Rhein-Erft-Kreis arbeitet. Anette Gövert nahm einen Flyer mit und überlegte, ob das für sie das Richtige war. „Mein Sohn war gerade 18, hatte sein Abitur und ist dann für ein Jahr nach Italien gegangen. Da war mir ziemlich langweilig, und ich habe etwas Sinnstiftendes gesucht.“ In ihrer Tätigkeit im öffentlichen Dienst hatte sie viel im sozialen Bereich mitbekommen und mit Menschen zu tun gehabt, die Unterstützung brauchten. Und sie war bestens mit Behördensprache vertraut. Sie hatte also beste Voraussetzungen.

Trotzdem scheiterte ihr erster Anlauf im Jahr 2003 – die Chemie mit dem Betreuten habe nicht gepasst, und ihr fehlte als Neuling die Erfahrung. Bevor sie die Flinte endgültig ins Korn werfen konnte, kam schon das zweite Angebot vom Betreuungsverein, und sie lernte die Frau kennen, die sie 19 Jahre lang unterstützen würde. „Sie durfte ich begleiten, bis sie im vergangenen Jahr verstorben ist. Das war die längste Betreuung, die ich hatte.“

Betreuungsverein des SKM sitzt in Erftstadt-Gymnich

Die Menschen, die Betreuung in Anspruch nehmen, reichen dabei von 18 Jahren bis ins hohe Alter. Ein suchtkranker 20-Jähriger hat dabei ganz andere Bedürfnisse als eine 90-jährige Heimbewohnerin. Ein Gericht schaut deshalb von Fall zu Fall, welche Aufgaben ein Betreuer übernehmen soll. Die Themen sind unter anderem Gesundheitsfürsorge, Wohnungsangelegenheiten, Finanzen und Kontakt zu Behörden. Der Betreuer steht dabei regelmäßig mit dem Rechtspfleger in Kontakt und muss über seine Tätigkeit berichten sowie Rechenschaft über die finanzielle Situation ablegen.

Grundsätzlich bekommen neue Ehrenämtler eher die leichten Fälle, wobei sich die schweren Fälle manchmal erst im Verlauf als solche herausstellen. Da steht der Betreuungsverein unterstützend zur Seite, der seinen Sitz in Erftstadt-Gymnich hat. Im Verein tauschen sich die Ehrenämtler aus und können sich fortbilden lassen.

Die Wünsche des Betreuten stehen im Mittelpunkt

Die Betreuung soll immer Interessen der Person wahren, das ist auch spätestens mit einer Reform 2023 deutlich im Gesetz verankert, wie Frank Nixdorf vom Betreuungsverein erklärt. „Da wurde festgelegt, dass der Wunsch des Betreuten im Mittelpunkt steht. Und die Menschen sollen dabei so selbstständig wie möglich bleiben.“ Es ist auch denkbar, dass eine Person irgendwann nicht mehr auf Hilfe angewiesen ist und ihre Angelegenheiten wieder allein regeln kann.

Spätestens mit der Reform von 2023 ist klar: Ein Betreuer muss die Person gut kennen, die er betreut. Zwar bekommt man über die Einsicht in die verschiedenen Gesundheits-, Wohn- oder Finanzsituationen ohnehin einen tiefen Einblick in das Leben einer Person. Gleichzeitig macht ein Vertrauensverhältnis es leichter, auf Wünsche einzugehen.

Manchmal bricht eine Schachtel Pralinen das Eis

So ein Verhältnis ist aber auch nicht immer gewünscht. Manche Personen wollen lieber eine gewisse Distanz behalten, dann müsse man das respektieren, so Gövert. Auf der anderen Seite gibt es auch Fälle, in denen das Vertrauen einfach etwas länger auf sich warten lässt. Die Ehrenamtlerin erzählt: „Ich habe mal eine Dame im Heim kennengelernt, da stimmte die Chemie von vorneherein gar nicht.“ Die Frau habe sich sehr zurückgezogen und wollte nicht mit ihr reden. „Man hat gemerkt, dass es ihr nicht gepasst hat, wenn ich zu Besuch kam. Aber ich musste sie ja auch einige Dinge fragen, weil es vieles zu klären gab.“

Dann brachte Gövert ihr zu Weihnachten eine Schachtel Pralinen mit. „Und da fing sie plötzlich an zu weinen und meinte: Also mir hat noch nie in meinem Leben irgendeiner irgendwas geschenkt.“ Von da an haben sie jedes Mal zusammen einen Kaffee getrunken, wenn sie zu Besuch war. „Sie hat sich dann immer gefreut, mich zu sehen.“


Im Rahmen einer bundesweiten Aktionswoche werden die Betreuungsvereine SKM und SkF derzeit um neue Ehrenämtler. Am 19. September um 17.30 Uhr findet eine Infoveranstaltung mit Andrea Wüsten (SKF) und Frank Nixdorf (SKM) für Menschen statt, die sich für die ehrenamtliche rechtliche Betreuung interessieren. Ort der Veranstaltung: An St. Severin11-13, 50226 Frechen. Anmeldung bei: Frank Nixdorf, 02235-7995-51, nixdorf@skm-rek.de, oder Andrea Wüsten, 02234/60398-32, wuesten@skf-erftkreis.de