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Lieferengpässe und Wartezeiten bis 2022Händler in Rhein-Erft erleben Fahrrad-Boom

Lesezeit 4 Minuten

Rainer Braun ist Monteur im Erftstädter E-Bike-Geschäft „Antrieb-E“. Er hat alle Hände voll zu tun. Bei dem schönen Frühlingswetter lassen viele Leute ihr Rad auf Vordermann bringen.

Kerpen/Rhein-Erft-Kreis – Die Corona-Krise hat viele Menschen das Fahrrad wiederentdecken lassen. Auf dem Drahtesel kann man sich trotz aller Beschränkungen immerhin noch frei durch die Welt bewegen. Den Fahrradhändlern bescherte die Pandemie auf diese Weise einen wahren Boom. Doch nun holt die Corona-Krise auch die Radhändler ein, und das quasi hinterrücks.

„Wir haben so viele Aufträge wie selten zuvor“, schildert ein Händler aus Kerpen die Situation. „Doch nun gehen uns die Bauteile für die Räder aus.“ Durch die Pandemie seien Lieferketten unterbrochen, berichtet auch Michael Schwarz aus Kerpen-Balkhausen. „Ich habe um die 800 Rennradrahmen auf Lager, aber was fehlt, sind die einzelnen Komponenten, um sie aufzubauen“, erklärt er.

Rhein-Erft-Kreis: Sogar Shimano kann nicht liefern

Schaltgruppen für die Kettenschaltung fehlten ebenso wie Kurbeln und andere Teile, mit denen der Rennradspezialist die Maschinen auf die besonderen Bedürfnisse des jeweiligen Kunden anpasst. Sogar die Firma Shimano, ein Gigant der Branche, könne derzeit nicht liefern, sagt Schwarz, und das nicht nur kurzfristig.

Michael Schwarz geht davon aus, dass sich daran so schnell auch nichts ändern. „Wir können nichts bestellen“, sagt er. Erst 2022 oder sogar 2023 können bestimmte Teile wieder geliefert werden. Das ist der aktuelle Stand.“ Zum Glück habe er einiges im Voraus ordern können. „Aber die Lieferengpässe betreffen nicht nur Rennräder und ihre Bestandteile, sondern auch E-Bikes und alle anderen Räder. Das geht nicht nur uns so, das geht der ganzen Branche so.“

Michael Schwarz hat noch Rahmen, aber Teile werden knapp.

Wie Schwarz hat sich auch der Quadrath-Ichendorfer Fahrradhändler Markus Päffgen von Andrés Bike-Shop auf die Sondersituation während der Corona-Pandemie eingestellt. „Die Werkstatt darf öffnen für Kunden, aber der Verkauf nicht. Wir beraten online oder am Telefon.“ Deshalb haben Päffgen und Schwarz kontaktlose Übergaben angeboten und liefern die Räder auch bis an die Haustüre. „Das wird sehr, sehr stark genutzt“, sagt Päffgen. Zwar gebe es trotzdem Einbußen. „Aber wir Radhändler sind dennoch Gewinner der Krise.“ Ein großes Problem sieht aber auch Päffgen in den Lieferengpässen.

Schwarz sieht ein weiteres Problem nach der Pandemie auf die Radfahrer zukommen: „Die Radwege werden nach diesem Boom nicht mehr ausreichen in Deutschland.“ Es werde zwar über die Förderung des Radverkehrs geredet, aber getan werde nicht viel. „Die Niederlande und Dänemark haben das besser verstanden. Dort wird das Straßennetz konsequent auf die Bedürfnisse der Radfahrer eingerichtet. Hier warten wir immer noch auf den ersten Radschnellweg in Frechen“, nennt er ein Beispiel.

Fahrradhändler aus Erftstadt von „Rekordjahr“

Der schleppende Ausbau der Infrastruktur macht auch Stefan Fischer Sorgen. Er verkauft in seinem Geschäft „Antrieb E“ in Erftstadt-Lechenich Elektro-Räder. In der Werkstatt kümmern sich die Mitarbeiter aber auch um klassische Fahrräder. Das vergangene Jahr sei ein Rekordjahr gewesen, berichtet Fischer, auch für die kommenden Monate ist er positiv gestimmt. Die Kunden berät er per E-Mail und telefonisch.

Stefan Fischer bedient Kunden nur an der Tür.

„Dabei versuchen wir, die Bedürfnisse und Wünsche der Leute einzugrenzen“, sagt Mitarbeiter Rainer Braun. Für Probefahrten stellen sie die Räder vor die Tür. Außerdem fahren Mitarbeiter mit einer Auswahl von Bikes zu Kunden. „So können die Leute coronakonform die Räder testen“, erklärt Braun. Es bleibt das Nachschubproblem. „Wir haben bereits Bestellungen für 2022 aufgegeben, um rechtzeitig an Ware zu kommen“, sagt sein Chef Stefan Fischer. Sonst habe man das erst im Spätsommer getan.

Hürther Fahrradhändlerin wartet acht Monate auf Bestellung

Auch in Hürth-Efferen, bei „Fahrräder Müller-Z“ kennt man diese Sorgen. „Früher waren acht Wochen Lieferzeit schon lang, heute warten wir manchmal acht Monate“, sagt Inhaberin Monika Müller-Zschirnt. Das gelte für Ersatzteile und neue Räder. Besonders gefragt seien Trekkingräder und E-Bikes.

Monika Müller-Zschirnt führt ein Geschäft in Hürth.

Die Geschäftsfrau glaubt, dass dem Boom keine Flaute folgen wird. Volle Straßen und Umweltbewusstsein machten das Radfahren attraktiv. Immer mehr Firmen böten ihren Mitarbeitern zudem Fahrrad-Leasing an. Auch Radtouren in der Freizeit seien populär. Das werde sich so schnell nicht ändern.

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Und noch etwas bleibt wohl ein Dauerphänomen in der Branche: „Sobald das Wetter schön wird, wollen alle ihr Rad reparieren lassen oder ein neues haben“, erzählt Müller-Zschirnt. Doch ihr ist vollkommen klar, dass man sie in vielen krisengebeutelten Branchen um diese Probleme beneiden dürfte.