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Krisenstab in Rhein-Erft„70 bis 80 Prozent der Erkrankten kommen aus Seniorenheimen“

Lesezeit 5 Minuten
Krisenstab RE

Die Einsatzleitung des Krisenstabs im Rhein-Erft-Kreis mit Ordnungsdezernent Martin Gawrisch (r.)

  1. Martin Gawrisch ist Ordnungsdezernet im Rhein-Erft Kreis und leitet den Corona-Krisenstab.
  2. Zudem ist der für den Rettungsdienst zuständig.
  3. Der Leiter des Corona-Krisenstabs zur aktuellen Lage, dem Umgang mit den Lockerungen und über die Kosten

Rhein-Erft Kreis – Martin Gawrisch (44) ist Ordnungsdezernent in der Kreisverwaltung und damit auch zuständig für den Rettungsdienst. Er leitet den Corona-Krisenstab und ist Kämmerer der Kreisverwaltung. Mit ihm sprach Udo Beißel.

Herr Gawrisch, wie managen Sie die Corona-Krise?

Es gibt spezielle Strukturen für Krisenfälle. Der Krisenstab setzt sich aus Fachkräften von Ordnungsamt, Feuerwehr, Rettungsdienst, Sozialamt und den zuständigen Dezernenten des Rhein-Erft-Kreises zusammen. Und es gibt sogenannte ereignisspezifische Mitglieder des Krisenstabs, das kann beispielsweise bei einem großen Stromausfall ein Experte eines Energieanbieters, das können aber auch die Bundeswehr oder Polizei sein.

Im Fall der Corona-Krise brauchten wir natürlich Sachverstand aus den Bereichen Medizin und Hygiene. Da liegt das Schwergewicht beim Kreisgesundheitsamt. Da auch Altenwohnheime eine wesentliche Rolle in der Corona-Krise spielen, ist auch die Heimaufsicht des Kreises mit vertreten.

Was bedeuten die Lockerungen der Maßnahmen für Sie und Ihre Mitarbeiter?

Das bedeutet, dass wir weiterhin ganz genau auf die Entwicklung der Fallzahlen schauen. Wir haben erreicht, dass sich die Zahl der Infizierten im Kreis in der vergangenen Woche halbiert hat. Aber das ist eine Entwicklung auf sehr dünnem Eis. Die guten Zahlen basieren natürlich auf dem guten Verhalten der Bürger.

Geschätzt sind es 90 bis 95 Prozent der Bürger, die sich die Vorgaben zu Herzen nehmen. Es ist aber definitiv zu früh, jetzt schon von einer Entspannung zu reden. Wir müssen penibel beobachten, wohin sich die Situation entwickelt. Wir bereiten uns natürlich auf den Fall vor, wenn die Zahl der Infizierten wieder ansteigen sollte.

Um schnell handeln zu können, wurde eine „operativ-taktische Einsatzleitung“ ins Leben gerufen, die rund um die Uhr besetzt und bei der Feuerwache Frechen angesiedelt ist. Hat sich die Einrichtung bewährt?

Diese Einrichtung hat sich voll bewährt. Die Einsatzleiter kommen aus allen Feuerwehren der Kreiskommunen, kennen sich schon über Jahre und sind in der Lage, Entscheidungen des Krisenstabs sofort umzusetzen.

Zur Einsatzleitung gehören die Hilfsorganisationen. Welche Aufgabe übernehmen sie?

Die vier Hilfsorganisationen sind sehr wichtig für uns. Alle sind Bestandteile unserer Einsatzkonzepte. Der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) leistet logistische Arbeit. All das, was wir an Schutzmaterial vom Land bekommen, wird vom ASB abgeholt und an Pflegeheime, Krankenhäuser und andere Stellen verteilt. Die Malteser und das Deutsche Rote Kreuz (DRK) sind im Bereich „Notarztwagen Sichtung“ eingebunden.

Michael Gawrisch ist Leiter des Krisenstabs.

Heißt: Sie begleiten die Testungen in den Altenheimen. Die Johanniter sind neben den anderen Hilfsorganisationen im Bereich „mobiles Screening“ eingesetzt. Zur Erklärung: Der Kreis hat verschiedene Testmöglichkeiten geschaffen. Eine ist das „mobile Screening“. Dabei fahren wir zu den Menschen hin, die nicht mobil sind.

Sind inzwischen genug Schutzkleidung und Masken vorhanden, und für wie lange reicht der Vorrat aus?

Im März und Anfang April war das ein riesiges Problem. Wir hatten zwar Schutzmaterial bestellt, aber die Lieferungen kamen nicht an oder hingen beim Zoll fest. Inzwischen haben wir ausreichende Bestände, sowohl für den Rettungsdienst, die Krankenhäuser als auch für Altenwohnheime und ambulante Pflegedienste.

Die reichen für ein bis zwei Monate. Allerdings setzen wir darauf, dass die Einrichtungen Eigenversorgung betreiben. Wir müssen uns aber grundsätzlich keine Sorgen um Schutzkleidung machen.

Sind die Altenwohnheime nach wie vor Hotspots?

Ja, das kann man so sagen. Zwischen 70 und 80 Prozent der Erkrankten kommen aus den Pflegeheimen. Daher werden die Bewohner auch regelmäßig von uns getestet.

Wie klappt die Abstimmung mit den Kommunen?

Wir stehen in ständiger Kommunikation mit den Städten. Das sind über Jahre gewachsene Strukturen, das funktioniert sehr gut. Wir haben schon immer gut zusammengearbeitet und gemeinsam Entscheidungen getroffen.

Wie hilfreich sind dann so Alleingänge wie in Wesseling. Bürgermeister Erwin Esser führt als bislang einziger Bürgermeister im Rheinland Mundschutz für die Grundschüler ein – war das mit Ihnen so besprochen?

So eine ähnliche Entwicklung gab es im März schon einmal im Bereich Abstandsregelung oder in der Frage, mit wie vielen Leuten darf ich gemeinsam auf der Straße sein. Da gab es unterschiedliche Regelungen in Erftstadt, Kerpen und anderen Kommunen.

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Deshalb waren wir als Kreis dankbar, als das Land eine Regelung für alle herausgab. Unser Ziel ist es auch, einheitliche Regelungen zu veranlassen. Wir haben die Schulen des Kreises auch mit Mund-Nase-Schutz ausgestattet. Wenn man die Abstandsregel einhält, dann ist eine zusätzliche Verpflichtung derzeit jedoch nicht notwendig. Aber ich kenne auch nicht die Sorgen, die Herr Esser in seinen Schulen wahrnimmt.

Die Bewältigung der Krise kostet Geld. Haben Sie als Kämmerer den Überblick?

Was die Kommunen an Kosten haben, weiß ich noch nicht. Der Kreistag hat bislang eine Summe von sieben Millionen Euro bereitgestellt, um Schutzmaterial zu kaufen, um einen zusätzlichen Notarzt auf der Leitstelle zu finanzieren, für Beratungen im Rettungsdienst.

Ausgegeben haben wir bislang etwa 3,5 Millionen Euro. Am Ende werden wir schauen müssen, ob Gegenfinanzierungsmöglichkeiten bestehen. Kosten des Rettungsdienstes haben grundsätzlich die Krankenkassen zu tragen.

Wer bezahlt die Beatmungsgeräte, die gekauft wurden?

Der Kreis hat medizinische Geräte angeschafft, die vornehmlich für den Rettungsdienst sind. Sollte es aber Bedarf aus den Krankenhäusern geben, dann stellen wir die Geräte selbstverständlich zur Verfügung. Die Geräte müssen natürlich dann auch bezahlt werden. Die Krankenhäuser können aber die Kosten wieder mit den Krankenkassenverbänden abrechnen.