AboAbonnieren

Corona in Rhein-ErftVeranstalter und Künstler bangen zum zweiten Mal um ihre Existenz

Lesezeit 5 Minuten

Fabian Schmelcher ist seit sechs Jahren selbstständiger Freiberufler und singt vornehmlich auf Hochzeiten.

Rhein-Erft-Kreis – Den Ernst der Lage hört man Fabian Schmelchers Stimme nicht wirklich an. „Ich will ja nicht den Kopf in den Sand stecken“, spricht er in die Freisprechanlage während der Autofahrt. Frust lässt sich nicht heraushören. Grund, zu klagen, hätte der 32 Jahre alte Erftstädter aber allemal. Die neuen Corona-Maßnahmen und Beschränkungen, die die Bund-Länder-Konferenz für den gesamten November festgelegt hat, treffen die Live-Branche hart. Veranstaltungen dürfen in dieser Zeit kaum stattfinden.

Schmelcher ist Sänger, vornehmlich wird er für Hochzeiten gebucht. Etwa 40 bis 50 Auftritte habe er im Jahr, sagt der Sänger, der seit sechs Jahren Freiberufler ist. „Dieses Jahr kann ich sie an zwei Händen abzählen.“ Denn viele Hochzeiten seien zunächst auf den Herbst oder Winter verschoben worden, könnten jetzt aber doch nicht stattfinden. 90 Prozent seines Umsatz büße er in diesem Jahr ein, sagt Schmelcher, der mit Lebensgefährtin und achtjährigem Sohn in Erftstadt lebt.

So reagierte der Erftstädter auf den ersten Corona-Lockdown

Nach der ersten „Schockstarre“ im Frühjahr, habe er die Zeit genutzt, um administrative Dinge zu erledigen, die ansonsten häufig liegen blieben. Zum Beispiel hat Schmelcher seine Homepage überarbeitet und neue Hörproben eingesungen. „Das war eine Ablenkung, zumal absehbar war, dass es im Sommer weitergeht“, erinnert er sich.

Außerdem hat der Künstler die Veranstaltungsreihe „Musik trifft Kulinarik“ ins Leben gerufen, bei der er in Restaurants gesungen hat. Eine Gage hat er dafür nicht bekommen, stattdessen hat er an jedem Abend auf Spenden der Gäste gehofft. „Ich wollte ja auch singen“, sagt er. Das sei schließlich seine Leidenschaft, und jeder Künstler und jede Künstlerin ergreife den Beruf auch deshalb.

7000 von 9000 Euro Corona-Hilfe müssen wohl zurückgezahlt werden

Bei allem Idealismus muss Schmelcher aber Miete zahlen und seinen Lebensunterhalt bestreiten. Die erste Corona-Hilfe von 9000 Euro sei für Künstler wie ihn nicht hilfreich gewesen. Denn damit dürfe man nur „laufende betriebliche Kosten“ decken. Aber ein Sänger wie Schmelcher lebt von seinem Dienst, seinem Gesang. Ein angemietetes Büro hat er nicht.

Wahrscheinlich wird er 7000 Euro wieder zurückzahlen müssen. Er hat eine Altersvorsorge aufgelöst und ein Stipendium beantragt. Auch wenn der Sänger anerkennt, dass die Politikerinnen und Politiker zurzeit schwere Entscheidungen treffen müssten, fühlt er sich nicht besonders gut unterstützt.

Firma muss Mitarbeiter entlassen und Autos verkaufen

Ebenfalls rund 90 Prozent Umsatz verliert nach Aussage des Geschäftsführers Sascha Schaadt die Erftstädter PA-Line Mediatechnik GmbH. Das Veranstaltungsunternehmen setzt im Jahr rund drei Millionen Euro um. Schaadt musste schon Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlassen, zurzeit befinden sich fast alle in Kurzarbeit. Er hat Fahrzeuge verkauft und wo es ging, Kosten eingespart.

Die Erftstädter PA-Line Mediatechnik GmbH war Teil des Erftstädter Kultursommers, hier Comedian Markus Maria Profitlich.

„Auch vorher gab es schon keine Veranstaltungen“, sagt er angesprochen auf den neuerlichen Lockdown. Zusammen mit der Stadt hatte er im Sommer den Erftstädter Kultursommer ausgerichtet. Auch hier spielte eine große Portion Idealismus mit. Denn Gewinn habe er dadurch nicht gemacht. Aber seine Leute hätten arbeiten und die Bürger sich an Kultur erfreuen können.

Seine Firma hat die erste Überbrückungshilfe in Anspruch genommen und einen 500.000-Euro-Kredit aufgenommen, alles sei bereits aufgebraucht. Bekomme er keine weitere Überbrückungshilfe, könne er zumachen, sagt er. Zwei bis drei Kollegen kennt er schon, die die Segel gestrichen hätten. Viele kleinere, einzelne Selbstständige arbeiteten in dieser Zeit in anderen Branchen. Er findet, die Medien bauschten die Pandemie zu sehr auf.

Das sagt Ex-Wise-Guy Eddi Hüneke aus Hürth

Einigermaßen glimpflich läuft es für Eddi Hüneke, Ex-Wise-Guy und jetzt solo unterwegs, aus Hürth. Er hat sich zu Hause ein Video-Studio eingerichtet und auf Online-Konzerte gesetzt. Dafür hat er dann Tickets verkaufen können. Er hat Ende Oktober sein neues Album „Alles wird gut“ herausgebracht, das eigentlich als Hybrid-Format auf einem Livekonzert und gleichzeitig im Stream hätte präsentiert werden sollen. Das fiel aber auch aus, sodass er „Alles wird gut“ zum ersten Mal vor Online-Publikum spielte.

Im Frühjahr hatte Eddi Hüneke eine virtuelle Chorprobe auf die Beine gestellt. Jetzt gibt es Konzerte online.

Er habe zwar Spaß, sich auf neue Bedingungen einzulassen, aber für dauerhaft tragfähig hält er dieses Konzertmodell nicht. Viele an den Konzerten beteiligte Branchen wie die Veranstalter fielen dann raus. Hüneke zeigt sich dankbar, dass es ihm vergleichsweise gut gehe. Im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen. Grundsätzlich findet Hüneke, dass sich der Ton in der Corona-Diskussion zu sehr verschärft habe. In einer demokratischen Kultur müssten auch unterschiedliche Meinungen nebeneinanderstehen können.

Musik-Unterricht im Rhein-Erft-Kreis findet online statt

„Mir tut es in der Seele weh“, sagt Bettina Zacher-Schauerte, die Leiterin der Musikschule La Musica, die einem Zweckverband der Städte Bedburg, Bergheim, Elsdorf, Kerpen und Pulheim angehört. In der Musikschule arbeiten größtenteils Honorarkräfte. Auch wenn sie inzwischen „Lockdown-erfahren“ seien, hätten sie viel Stress gehabt, nachdem bekannt gegeben worden war, dass die Musikschulen auch wieder schließen müssen.

Das könnte Sie auch interessieren:

Unterricht findet jetzt online von zu Hause statt, aber viele Lehrer mussten ihre Stundenpläne umstellen. Denn wenn jemand zum Beispiel eine Bläserklasse in einer Schule unterrichtet, kann das nicht online stattfinden. Jeder Musiker und jede Musikerin, der oder die betroffen ist, gehe anders damit um, weil die Gegebenheiten immer unterschiedlich seien. Musikalische Früherziehungskurse hätten sie zum Beispiel im Sommer schon umgestellt, da dort nicht gesungen werden durfte.

Sehr bedauerlich sei, dass während dieser Zeit Schüler verloren gingen, berichtet Zacher-Schauerte. „Es wollen auch nicht alle Online-Unterricht.“ Sie hofft, dass die Beschränkungen im Dezember wieder aufgehoben werden. „Denn sie sind ein echtes Problem für Selbstständige.“