Seit mehr als 30 Jahren fällt der Blick der Wesselinger auf den Schandfleck. Die unendliche Geschichte soll nun ein gutes Ende finden.
Ende einer IndustriebracheKVB kaufen Norton-Gelände in Wesseling und verlagern Werkstätten
1992 gingen beim Schleifmittelhersteller Norton in Wesseling die Lichter aus, 90 Mitarbeiter wurden entlassen. Es markierte das Ende mehr als 80-jährigen Geschichte für das Fabrikgebäude an der Köln-Bonner Eisenbahnlinie. 1993 kaufte ein Privatmann die Immobilie. Seither verfällt das Gelände, ärgern sich viele Wesselinger über den Schandfleck in ihrer Stadt und über den Stillstand.
Doch nun kommt Bewegung in die Sache. Nach Recherchen dieser Zeitung haben die Kölner Verkehrsbetriebe (KVB) das ehemalige Norton-Areal im Bereich Kronenweg/Vorgebirgstraße von der Glückstädter Heringsfischerei gekauft. Über den Kaufpreis ist nichts bekannt. Dort will das Verkehrsunternehmen hochmoderne Werkstätten bauen. Bisher wartet die KVB ihre Bahnen auf dem Wesselinger Gelände der Häfen und Güterverkehr Köln (HGK).
KVB und Stadt Wesseling wollen Details erst später nennen
Für dieses Areal hat sich nach Information dieser Zeitung die Stadt Wesseling das Vorkaufsrecht gesichert – im Gegenzug hat sie auf das Vorkaufsrecht für das Norton-Gelände verzichtet. Diesen Schritt war der Wesselinger Stadtrat 2020 auf Vorschlag der Verwaltung eine Vorkaufsrechtssatzung gegangen, um die Fehlentwicklungen zu beenden und die Fläche gewerblich nutzbar zu machen.
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Welche Pläne die Stadt Wesseling mit dem HGK-Gelände verfolgt, ist nicht bekannt. Aufschluss darüber gibt es möglicherweise am Freitag (1. Dezember). Bürgermeister Ralph Manzke (SPD) und KVB-Vertreter wollen den Ringtausch der beiden Grundstücke öffentlich bekanntmachen. Informiert wurden nur die Ratsmitglieder, sie hat Manzke aber zum Stillschweigen verpflichtet. Er wollte auf eine Anfrage dieser Redaktion das gemeinsame Projekt mit der KVB nicht bestätigen. Ein KVB-Sprecher verwies auf die Pressekonferenz am Freitag, vorher gebe es keine Informationen.
Das Votum für Wesseling dürfte in Frechen mit Interesse vernommen werden: Zu Jahresbeginn hatte sich eine Mehrheit im dortigen Stadtrat gegen die Ansiedlung der KVB auf dem Gelände der ehemaligen Brikettfabrik Wachtberg ausgesprochen. Hauptargument war, dass ein Verkehrsunternehmen der Gewerbesteuerkasse nichts einbringe.
Hinter Wesselings bekanntester Industriebrache liegen bewegte Zeiten. Seit Jahren verkommt das Norton-Gelände inmitten der Stadt, immer wieder war es dort zu Bränden und Schäden gekommen. Vielfältige Versuche, einen Investor zu finden, verliefen im Sande. Dem Vernehmen nach waren die meisten Interessenten wegen der Kaufpreisvorstellungen abgesprungen. Mehr als acht Millionen Euro wollte der Eigentümer für das Gelände haben.
2015 hieß es beispielsweise auf Betreiben der CDU, ein Projektentwickler wolle das 90 000 Quadratmeter große Gewerbegebiet kaufen und gemischt nutzen. Es sollten Büros, Produktionsstätten, Gewerbeflächen, Einzelhandelsgeschäfte, Gastronomie und Wohngebäude entstehen. Realisiert wurde nichts davon, der Kauf kam nicht zustande.
Das Norton-Gelände kam nie aus den Schlagzeilen heraus: Mal löste die Polizei eine illegale Rave-Party auf, mal entdeckten Jugendliche die verfallenen Fabrikhallen als Abenteuerspielplatz. Vor Jahren stürzte eine damals 14-Jährige von einem Dach zehn Meter in die Tiefe und wurde lebensgefährlich verletzt. Immer wieder brannte es, ein anderes Mal wurden von dem Gelände Schüsse auf eine KVB-Bahn abgegeben.
Und für Fotografen und Filmer, die sich auf Aufnahmen solcher Lost Places (verlassener Orte) spezialisiert haben, ist das Areal ein Dorado. Ihnen allen wurde der Zugang zum Gelände mitunter nicht schwer gemacht, weil es nur unzulänglich gesichert war.
Denkmalpfleger wollten die Industriebrache unter Schutz stellen
Auch der Rheinische Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz (RVDL) hatte Interesse an der markanten Industrieanlage. Er wollte die Gebäude unter Denkmalschutz stellen, weil es gleich mehrere denkmalrelevante Eigenschaften der Norton-Werke gebe, die eine Eintragung rechtfertigen würden. Aber das stieß bei der Stadt Wesseling nicht auf große Gegenliebe.