Ausstellung in Neunkirchen-SeelscheidStein erscheint plötzlich fluffig
Neunkirchen-Seelscheid – „Die Zeit im Verkehrsstau ist für mich nicht verlorene, sondern gewonnene Zeit“, sagt Markus Weisheit. Der scheinbare Stillstand inspiriert den Siegburger künstlerisch. In jüngster Zeit muss er oft im Stau gesteckt haben. Das legen die Skulpturen nahe, die Weisheit im Kunsthaus Seelscheid zeigt – in einer Doppelausstellung mit Jörn Schulze, der in der Siegburger Steinmetz- und Bildhauerwerkstatt seines Kollegen arbeitet.
Wer von der Bergstraße aus die Ausstellungsräume betritt, die Hausherr Burkard Sondermeier jüngst neu herrichtete, sieht sich mit zwei gegensätzlichen Präsentationen konfrontiert: Im weiß gestrichenen Raum links verbreiten die Skulpturen Jörn Schulzes eine philosophische Aura.
Rechts geht es in die „Krypta“, wo Markus Weisheit Reibungsflächen für seine Plastiken fand: Es ist der raue Backstein, der im herausforderndem Kontrast zu den geschliffenen Objekten steht. Widerstände fordern den Bildhauer heraus – nicht zuletzt jene, die im Material liegen, in seiner Härte und Schwere.
Archaisches im Klassischen
Die aber hebt Weisheit auf, erzeugt damit visuelle Irritation. Da steckt ein schwarzer Basalt-Würfel in einem größeren Würfel aus gestreiftem Marmor, als sei er in eine formbare, sich aufwölbende Masse hineingetrieben worden. Feinkörnigen Pietra Serena formt Weisheit zu einem fluffigen Kissen, auf dem man Platz nehmen möchte.
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Wie geknickt oder gefaltet wirken Steinplastiken aus schwedischem Basalt, die mit ihren seidenglatten Oberflächen an Metall erinnern. Die Materialdichte hebt Weisheit spielerisch auf – etwa, wenn er ein flaches Objekt aus Carrara-Marmor wie ein Segel oder ein Stück Papier an einem Stab schwingen lässt.
Steinplastiken erscheinen wie gefaltet
Nebenan zeigt Jörn Schulze lapidare Botschaften aus der Tradition. Seine Schriftsteine zeugen vom Humor des Bonners, der nicht nur dem fröhlichen Wahlspruch „Carpe diem“ huldigt, sondern auch die „Kreativität“ als typographisches Rätsel aufgibt oder zum Zweifeln – „De omnibus dubitandum“ – auffordert. Das erinnert an antike Inschriften und passt zu den Skulpturen, die Schulze unter dem Motto „Keine reine Kopfsache“ präsentiert.
Termine
Die Ausstellung im Kunsthaus Seelscheid, Bergstraße 41, ist Samstag und Sonntag 11 bis 15 Uhr sowie während der Vorstellungen von „Karneval noch einmal klassisch“ zu sehen. Finissage am Aschermittwoch, 2. März. Preise der Kunstwerke: von 60 bis 3000 Euro.
Es sind Frauen- oder Männerköpfe, etwa aus Thüster Kalkstein; „ein dankbares Bildhauer-Material – weder zu weich noch zu hart“, sagt Schulze. Die Gesichter strahlen Ruhe und Ausgeglichenheit aus, doch die klassische Form bricht Schulze ins Archaische, in dem er einen Teil, etwa den Hinterkopf, unbearbeitet lässt: „Es kommt immer darauf an, was der Stein hergibt.“
Risse und Einschlüsse in Granit oder Quarz verleihen den Gesichtern zusätzliches Leben. Zuweilen sind Arbeitsspuren von Hammer und Meißel sichtbar, etwa an einer Frauenbüste. Schulze hat ihr einen solch beseelt-entrückten Ausdruck verliehen, dass man die Dame gern länger betrachten mag, wozu die Salonatmosphäre des Kunsthauses auch einlädt.