Müll beim Einkauf vermeiden22-Jährige eröffnet Unverpackt-Laden in Seelscheid
Neunkirchen-Seelscheid – „Die sauren Pommes sind ein Verkaufsschlager“, sagt Lea Bockem und fischt mit der Zange ein gelbes zuckriges Stäbchen aus dem Glasbehälter. Appetit wecken auch gefriergetrocknete Erdbeerscheiben und Himbeeren, die Müslis oder dem Mineralwasser den letzten Kick geben sollen. Im neuen Unverpackt-Laden, den Lea Bockem Mitte September in Seelscheid eröffnet hat, locken ausgewählte Köstlichkeiten, wenn möglich bio, fair gehandelt und CO2-neutral produziert. Darauf legt die junge Chefin großen Wert.
Schon als Teenager hat sie sich für einen nachhaltigen Lebensstil interessiert und versucht, Müll beim Einkauf zu vermeiden. „Aber 2015 gab es in der Region kaum entsprechende Angebote. Und da habe ich beschlossen: Irgendwann eröffne ich selber einen Unverpackt-Laden“, sagt die 22-Jährige.
Die Chance bot sich nun in einem Wohn- und Geschäftshaus, das ihrer Familie gehört. „Meine Oma hat hier früher Farben und Lacke verkauft, darauf hat noch viele Jahre eine Leuchtreklame hingewiesen“, erzählt die Siegburgerin. Sie selbst hat als Kind mit ihren Eltern in dem Gebäude gewohnt, das verkehrsgünstig in Nähe der Zeithstraße liegt.
Gute Bedingungen also für die Existenzgründerin, die Betriebswirtschaft an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg studiert. „Vor meinem Bachelor muss ich ein Praxissemester absolvieren und das kann ich nun im eigenen Betrieb erledigen.“
Weitere Läden in der Region
„Fräulein Jule“ in Lohmar
Im September 2018 hat Bettina Roth in Lohmar-Wahlscheid den ersten Unverpackt-Laden im Rhein-Sieg-Kreis eröffnet. Die Resonanz war so groß, dass Anfang 2020 der Laden „Fräulein Jule“, benannt nach der Tochter der Geschäftsinhaberin, in ein größeres Ladenlokal an der Wahlscheider Straße 40 umzog.
„Unverpackt-Oberpleis“
In Königswinter baute Martin Pothmann einen Teil seines Reformhauses zum Unverpackt-Laden um. Eröffnet wurde „Unverpackt-Oberpleis“ im Mai 2020. Würde jeder Bürger den Jahresbedarf an Kaffee oder Nudeln lose einkaufen, könnte man eine gelbe Tonne Müll pro Kopf und Jahr einsparen, meint Pothmann.
Unverpackt-Laden in Siegburg
In der Corona-Krise eröffneten auch Styliani Gaintantzi ihren Laden in Siegburg. An der Zeithstraße 4 führt sie Produkte, die sie vorzugsweise von kleinen Landwirten aus der Region bezieht. Auch hier werden die Waren in Großgebinden oder Pfandbehältern angeliefert.
„Einfach lose“ in Troisdorf
„Einfach lose“ hat Regina Hopp-Konrad ihren Unverpackt-Laden in Troisdorf-Spich genannt, der an der Hauptstraße 154 liegt. Das Geschäft bietet Kunden auch einen Lieferservice an. Außerdem werden in einem Blog Rezepte und neue Produkte vorgestellt. Gegen eine Gebühr von acht Euro im Monat erhalten Kunden eine Mitgliedskarte und bekommen dafür Preisnachlässe auf ihre Einkäufe.
Lea Bockem profitiert inzwischen davon, dass es einen Boom an Unverpackt-Läden gibt. „Das hat sich durch die Corona-Pandemie und die Klimakrise noch verstärkt. Viele Menschen haben angefangen zu backen oder zu kochen; und sie beschäftigen sich intensiver mit der Herkunft ihrer Lebensmittel.“
Unterstützung bei der Zusammenstellung des Sortiments erhält die Geschäftsfrau, die noch eine Minijobberin angestellt hat, vom Unverpackt-Verband. Was ihrem Laden die besondere Note über das Standard-Angebot hinaus gibt, sind die Produkte aus der Region oder von kleinen Start-up-Unternehmen: Honig aus Markelsbach, Milchprodukte (im Glas) vom Hof Scheja in Sankt Augustin, Kaffee von der Rösterei Cofi Loco aus Siegburg, Mehl von der Horbacher Mühle und Kosmetika aus Erftstadt sind in dem 35 Quadratmeter großen Ladenlokal zu finden. Dienstags, donnerstags und samstags liefert die Hennefer DLS Vollkorn-Mühlenbäckerei Brot und Teilchen an.
Stolz ist Lea Bockem darauf, Schokolade von fairafric anzubieten; die erste Schokolade, die komplett in Afrika hergestellt wird. Senf, passierte Tomaten und Ketchup im Pfandglas sind ebenfalls Neuerungen im Sortiment. Nicht immer sind die Produkte teurer als im Supermarkt. Gewürze, dekorativ in bauchigen Gläsern präsentiert, sind preisgünstiger, weil sie lose in größeren Mengen eingekauft werden.
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In einer Ecke des Ladenlokals, das mit viel hellem Holz eingerichtet ist und Gemütlichkeit ausstrahlt, finden sich Putzmitteln und Kosmetika. Hier fallen die peppig farbigen „Duschbrocken“ auf, produziert von zwei Jungunternehmern aus Stuttgart. Die Zeiten, in denen solche festen Seifen das Haar glanzlos und stumpf werden ließen, sind passé, so Lea Bockem.
„Das Angebot an unverpackten Produkten wird permanent weiterentwickelt.“ So kann sie nun auch biologisch abbaubare Zahnseide im einem kleinen Glaszylinder anbieten. Wer vergisst, die eigenen Behälter mitzubringen, findet im Eingang Gläser zum Befüllen, die Kundinnen gespendet haben. Leer steht zurzeit noch die erste Etage, hier würde Lea Bockem langfristig gern ein Café einrichten.