Neunkirchen-SeelscheidNachlassverwalter von Rose Ausländer bringt eigenes Buch heraus
Neunkirchen-Seelscheid – „Du hast mit deinen Sternen nicht gespart“; so beginnt ein Gedicht von Rose Ausländer, das sie ihrem Dichterfreund Paul Celan widmete. Und so ist auch das neue Buch von Helmut Braun betitelt, in dem der Neunkirchener Literaturexperte und Nachlassverwalter von Rose Ausländer (1901-1988) das Verhältnis der beiden berühmten Lyriker untersucht, deren Leben und Werk durch die gemeinsame Herkunft aus der Bukowina verwoben sind.
Anlass für diese Publikation boten zwei Gedenktage: 2020 jährten sich zum 100. Mal Celans Geburtstag sowie zum 50. Mal sein Todestag. Helmut Braun hatte eine Reihe von Veranstaltungen geplant, die alle wegen der Pandemie ausfallen mussten. Deshalb entschloss sich der Literaturhistoriker, seine neuen Erkenntnisse über Ausländer und Celan in einem Band zusammenzutragen, den er nun am Freitag, 14. Januar, um 19.30 Uhr in der Buchhandlung Krein vorstellt.
Rose Ausländer und Paul Celan kannten sich aus der Bukowina
In ihrer Geburtsstadt Czernowitz sind sich die beiden Lyriker erstmals begegnet, und so kommt Rose Ausländer zu Wort, wie sie ein farbiges Porträt der multikulturellen Metropole mit ihrem „barocken Sprachmilieu“ entwirft. „Märchen und Mythen lagen in der Luft, man atmete sie ein“ , schreibt sie. Es ist eine „versunkene Welt“, untergegangen mit der Shoa, zu deren wenigen Überlebenden Ausländer und Celan zählten. Die Ermordung seiner Eltern löste bei dem Dichter „ein lebenslanges Trauma aus, das mit zu seinem Freitod beigetragen hat“, sagt Braun.
Schon 1956 schreibt Rose Ausländer nach der Lektüre von Gedichten ihres Schriftstellerkollegen hellsichtig: „Der Tod hat seinen besten Dichter ins Leben gerufen.“ Der Tod bestimme sein Werk, sagt Helmut Braun – im Gegensatz zu Rose Ausländer, bei der die Trauer über den Verlust der Angehörigen zwar in ihrer Lyrik mitschwinge, doch sei sie letztlich dem Leben und den Lesern zugewandt.
„Celans Lyrik ist hermetisch, sie verweigert sich dem direkten Zugriff und bedarf der Dechiffrierung“, so Braun. 3500 Dissertationen haben sich daran abgearbeitet. Rose Ausländer dagegen „gibt dem Leser keine Rätsel auf; sie bedient sich einer offenen, klaren Sprache“.
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Spekulationen hat das Verhältnis der beiden Dichter ausgelöst, das Braun unter der Überschrift „Bekanntschaft, Freundschaft, Liebe?“ untersucht. Fest steht, dass die Lyrik als Lebenselixier ihre Verbindung begründete. Sie lasen einander Gedichte vor, übergaben dem anderen Lyrikbände mit Widmungen. Celan schenkte Ausländer vier Typoskripte und zwei Manuskripte seiner Gedichte, die sie als Schätze aufbewahrte.
Paul Celans „Todesfuge“: Rose Ausländer äußert sich zu Plagiatsvorwurf
In der Kontroverse um den Plagiatsvorwurf zur „Todesfuge“ bezog sie für Celan mit folgenden Worten Position: „Alles, was geschrieben steht, gehört zum Steinbruch der Wörter. Dieser Steinbruch steht allen offen. Es kommt nur darauf an was daraus gemacht wird.“
In der New Yorker Zeitschrift „Aufbau“ schrieb sie den Nachruf auf den Weggefährten, doch erst in ihren sechs Celan-Gedichten werde sie der Bedeutung dieses Werks gerecht, so Braun.
Mit Manuskripten, Fotografien, abgedruckten Briefen und Rezensionen wirft er Schlaglichter auf das Geflecht der biografischen Beziehungen, aus der die Werke entstanden. Und er weckt die Lust, das poetische Universum der Czernowitzer Dichter selbst zu erkunden. Dies ist auch direkt vor Ort möglich: Braun bietet in diesem Jahr erneut zwei Gruppenreisen nach Czernowitz an als poetische Spurensuche an.
Helmut Braun: „Du hast mit deinen Sternen nicht gespart“ – Rose Ausländer und Paul Celan. Rimbaud Verlag/Verlag Ralf Liebe. 127 Seiten, 20 Euro.