Im Haushaltsloch„Manchmal könnte man heulen“ – Bürgermeister von Ruppichteroth über das Haushaltsloch

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Ein Mann an einem Schreibtisch voller Akten

Wie rauskommen aus dem Schuldensumpf? Mario Loskill, Bürgermeister von Ruppichteroth, ist nicht immer zum Lachen zumute.

Hoffnungslosigkeit herrschte im Gemeinderat: Als Unternehmen wäre  Ruppichteroth längst Pleite. Wie motiviert der Bürgermeister sein Team?

Im Tal der Tränen ringt sich Mario Loskill jeden Tag ein Lächeln ab: „Wenn ich durch die Rathaustür trete, mache ich ein freundliches Gesicht, ich muss bereit sein, meinen Leuten zuzuhören, jeden wertzuschätzen,  ernst zu nehmen, von den drei Fachbereichsleitungen bis zur Reinigungkraft“, sagt der Bürgermeister. Und das in Zeiten gähnend leerer Kassen, wo kein Spielraum mehr bleibt für Projekte. Im Gemeinderat wirkte Loskill geradezu verzweifelt: „Glauben Sie mir, wir sind am Limit“, beschwor er die Fraktionen.

Die beschlossen, gegen den Vorschlag des Kämmerers, die Grundsteuer B  im Doppelhaushalt 2024/2025 moderat zu erhöhen,  von derzeit 745 auf dann 795 beziehungsweise 845 Punkte. Das betrifft Eigenheimbesitzer und Mieter gleichermaßen. Auch die Grundsteuer A für die Landwirtschaft steigt von 300 auf 318 und 337 Punkte. Die Mehreinnahmen sind angesichts des Schuldensumpfes nicht mehr als Tropfen auf dem heißen Stein.

Steuererhöhungen sind in Ruppichteroth nur ein Tropfen auf dem heißen Stein

In diesem Jahr kommen knapp 185.000 Euro durch die Erhöhung zusammen, in 2025 dann knapp 370.000 Euro. Mit 23 Millionen steht die kleinste Gemeinde im Rhein-Sieg-Kreis in der Kreide, ein Unternehmen wäre längst pleite, konstatierten die Ratsmitglieder resigniert. Aber woher nehmen, wenn nicht stehlen? 

Ruppichteroth habe fast ausschließlich Pflichtaufgaben vor der Brust, betonte der Bürgermeister. Und es würden immer mehr, für die Umsetzung des Online-Zugangsgesetzes habe er eine zusätzliche Stelle vorgeschlagen, „das ist eine gesetzliche Aufgabe“, nicht mal so eben auch noch nebenher zu erledigen.

Ratsmehrheit strich Digitalisierungsstelle im Schönenberger Rathaus

Die Mehrheit war dagegen, Stelle gestrichen. Letzte Hoffnung: Bei den Zentralen Diensten laufe gerade das Auswahlverfahren, vielleicht bringe ja ein Bewerber überdurchschnittliche IT-Kenntnisse mit und könne sich einfuchsen, so Loskill. Mehr Digitalisierung bringe mehr Effizienz und damit Einsparchancen - das aber nicht kurzfristig.

Die Finanzkommission, zu der sich Kommunalpolitiker zusammenfanden, prüfte, wo sich etwas abknapsen lässt. Ein gemeinsamer Bauhof mit einer anderen Kommune? Bringt absehbar  mehr Be- als Entlastung. Mehr Kursanbieter im Bröltalbad? Das musste wegen Personalmangels monatelang dicht machen. Was wäre drin durch einen steuerlichen Querverbund von Bad und Gemeindewerken? Das müsste ein Berater eruieren, doch der kostet erst mal. 

Die Ausgaben zu deckeln, könnte die Verwaltung in Ruppichteroth lähmen

Der Ansatz der Politik, in vielen Feldern die Ausgaben bei 70 Prozent zu deckeln und jede Mehrausgabe durch die Gremien genehmigen zu lassen, könnte sich als Bumerang erweisen, betonte der Bürgermeister. „Wenn wir Heizöl bestellen, wenn wir die Betriebskostenanteile für die offene Ganztagsschule überweisen, sind wir schon drüber.“ Die Verwaltung müsse für jede Aufgabe neue Vorlagen erarbeiten, unnötige Arbeit, ja: „Das lähmt uns.“ Schon jetzt komme oft Schelte: Warum dauert das alles so lange?

„Wir wollen am Ende drübergucken, für ein gutes Gefühl, dass wir verantwortungsvoll damit umgehen“, sagte der CDU-Fraktionsvorsitzende Martin Groeger. Und Frank Kemper (Bündnis soziale Gerechtigkeit, früher Linke) ergänzte: „Die Leute fragen uns doch, was wir hier tun.“

CDU, BSG, Grüne und FDP hatten eine gemeinsame Erklärung mit ihren Forderungen verteilt. Lothar Kaiser von der SPD hingegen unterstützte den Bürgermeister: „Wir strafen uns selbst, bitte lasst die Finger davon.“ Nur eine Mehrheit aus CDU und BSG beschloss den Deckel, stellte aber in Aussicht, ihn möglicherweise bald wieder abzuschaffen.

„Das ist alles gut gemeint“, sagte Mario Loskill (parteilos) zu den Ratsmitgliedern, „aber ihr werdet das nicht retten, wir verwalten nur noch Minus, sprecht mit euren Landtags- und Bundestagsabgeordneten.“

Sorgen um kommunalpolitisches Engagement in der Bröltalgemeinde

Er mache sich ernsthaft Sorgen, dass sich unter diesen Vorzeichen künftig überhaupt noch jemand ehrenamtlich in der Kommunalpolitik engagieren wolle. Der Doppelhaushalt wurde mehrheitlich beschlossen, ebenso der Stellenplan, die Gemeinde bleibt im Haushaltssicherungskonzept.

Wie macht der Bürgermeister nun weiter? Die Krise schweiße zusammen, das Rathausteam sei wie eine Familie, sagt Loskill, der seit 2009 im Amt ist. Die Aufgabe sei ja immer noch schön. Hat er Ideen, wie Ruppichteroth herauskommen könnte aus der Misere, da ja alle Appelle an Bund und Land, für eine auskömmliche Finanzierung zu sorgen, nicht fruchten?  

Ruppichteroths Bürgermeister sieht eine Verbandsgemeinde als Lösung

Er hat Ideen. Beim Schwimmbad wäre doch eine Gesellschaft öffentlichen Rechts mit den Nachbarkommunen hilfreich, da könnte man sich gegenseitig personell aushelfen. Da hat er schon bei Kollegen vorgefühlt. Das Bröltalbad zu schließen, sei keine Option, die Kinder müssten doch schwimmen lernen. 

Auch eine Eingemeindung ist für ihn nicht tabu. Ein Zwischenschritt wäre eine Verbandsgemeinde mit mehreren anderen Kommunen, jede, so auch Ruppichteroth, würde dann ihren Rat behalten und ihre Eigenständigkeit, eine gemeinsame Verwaltung aber immens sparen. Die letzte Gemeindereform 1969 sei ja 55 Jahre her, „vielleicht ist es an der Zeit, wegzukommen vom Kirchturmdenken“. 

Ich bin noch in der Entscheidungsfindung.
Bürgermeister Lokill auf die Frage, ob er noch einmal Antritt 2025

Noch herrsche ja gute Stimmung im Rathaus, auch dank der kurzen Wege, Gleitzeit, Homeoffice, Jobrad und Obst für alle, es gebe noch erstaunlich viele Bewerbungen auf offene Stellen - „wir punkten mit der familiären Atmosphäre“, das spiegelten ihm die Interessenten.

Und trotzdem: „Manchmal könnte man heulen, so wie Bund und Land die Demokratie an der Basis an die Wand fahren“, bekennt der Bürgermeister. Im kommenden Jahr sind Kommunalwahlen, wird er noch einmal antreten in seinem Heimatort? Mario Loskill: „Ich bin noch in der Entscheidungsfindung.“

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