Bürgermeister Norbert Büscher zeigt sich im Gespräch zuversichtlich, dass seine Gemeinde noch vor 2045 bei der Energieversorgung autark wird.
Energie und Klimaschutz in MuchAuf dem Weg zur Selbstversorgung mit Sonne und Wind
2045 soll die Republik dem Klimaschutz zuliebe CO₂-neutral sein. Das ist manch einem zu spät, anderen ein völlig unerreichbares Ziel. Für den Mucher Bürgermeister Norbert Büscher gilt das nicht. Er ist sich sicher: So lange werde die Gemeinde nicht brauchen. „Much soll bei der Energieversorgung autark werden. Dafür gibt es einen Beschluss des Gemeinderats.“
Büscher ist überzeugt, dass die Gemeinden einiges an der Basis machen kann und dabei Vorbildcharakter haben sollte. Für ihn selbst sei die regenerativen Energien schon als Beigeordneter ein Steckenpferd gewesen. Wichtig sei es, die Leute zu überzeugen, Bürger mitzunehmen: „Wir können vorangehen.“
Sieben Jahre mit dem Elektrokleinwagen durch Much
Entsprechend sei auf dem Rathaus bereits vor zehn Jahren eine Photovoltaikanlage installiert worden, und er selbst sei dank einer Kooperation mit Westenergie sieben Jahre lang mit einem elektrischen Renault Zoe unterwegs gewesen. „Zu einer Zeit, als das Thema Elektromobilität durchaus noch verpönt war.“
Immer wieder habe er so das Thema ansprechen können, heute allerdings habe er umgesattelt und sei mit einem 49-Euro-Ticket und öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs. Privat habe er Hybridfahrzeug samt Wallbox zu Hause und frage sich mitunter: „Wann habe ich eigentlich das letzte Mal getankt?“ Für die Verwaltungsmitarbeiter gebe es außer einem Renault Zoe im Besitz der Gemeinde zwei Car-Sharing-Fahrzeuge der Rhenag, mit Vorrangzeiten für die Gemeinde. „Das wollen wir noch nach vorne bringen“, sagt Büscher.
Strom als Schlüsselenergie für die Mucher Wärmeversorgung
Strom dürfte auch die Schlüsselenergie zur künftigen Wärmeversorgung Muchs sein. Büscher rechnet nicht damit, dass sich in der Flächengemeinde mit 78 Quadratkilometern effiziente Nah- oder gar Fernwärmenetz bauen lassen. Umso wichtiger werde die Wärmepumpe und Photovoltaik für den Eigenbedarf. „Aber damit kriegen wir den Energiehunger nicht gestillt.“ Wenn immer mehr Wärmepumpen kämen, steige der Bedarf entsprechend, was man nur mit Dachanlagen nicht abdecken könne. Förderungen sehe er nicht als Aufgabe der Kommune.
Die Lücke sollen in Much Freiflächen-PV-Anlagen und Windkraftanlagen schließen. Büscher geht davon aus, dass schon bald keine Anlage mehr ohne Speicher gebaut wird, da gebe es neue Möglichkeiten. Aufklärungsarbeit sei wichtig, weder solle es in Much eine „Verspargelung“ durch zu viele Windräder geben, noch zu viele PV-Flächen. Neben Kritikern gebe es aber auch durchaus Bürger, die fragten, ob etwas auf ihren Grundstücken möglich sei.
Büscher ist zudem Aufsichtsratsvorsitzender der Genossenschaft Bürgerenergie Rhein-Sieg, die plant, auf einer alter Erddeponie in Müllerhof-Strießhardt auf 9,5 Hektar Fläche eine große PV-Flächenanlage zu errichten. „Da sind wir schon im Bauleitplanverfahren.“
Die Bürgerenergie ist wichtig für die Partizipation
Die Bürgerenergie nimmt einen hohen Stellenwert für Büscher bei der Energieversorgung ein, „dabei partizipiert der Bürger". Für die Genossenschaft will er sich auch im Ruhestand weiter engagieren, wie auch in weiteren Ehrenämtern: Büscher ist seit zehn Jahren Bürgermeister, hat aber angekündigt, bei der nächsten Wahl nicht mehr zu kandidieren.
Eine weitere große private Fläche bei Gibbinghausen/Gerlinghausen, neun Hektar groß, müsse noch mit dem Rhein-Sieg-Kreis abgestimmt werden, der Besitzer würde seinen Strom gern selbst ans Gewerbegebiet Bövingen liefern.
Zur Windkraft in Much liegt ein Gutachten vor, und Büscher sagt, er könne sich vorstellen, dass sich ein kleiner Windpark mit vielleicht vier Rädern realisieren lasse – auch dies ein wichtiger Baustein auf dem Weg in die Autarkie. Genaueres zu Flächen könne man sagen, wenn die Bezirksregierung im Herbst den neuen Regionalplan vorlege.
Werbetrommel für Photovoltaik auf Firmendächern rühren
Bei der Ausweisung der nötigen Flächen helfe ein Energieatlas des Landes, erläutert Fachbereichsleiterin Kerstin Zeilinger. Bedacht werden müsse immer, dass es in Much sehr viele Landschaftsschutz- und Wasserschutzgebiete gebe. In den Gewerbegebieten sollten sich die Firmen mehr Gedanken machen, ihre Dächer mit Photovoltaik zu belegen, findet Büscher. „Da müssen wir noch einmal die Werbetrommel anschmeißen.“ Die Gemeinde selbst plant in naher Zukunft bei der Erweiterung von zwei Grundschulen, auf einem Kindergarten und auf der Gesamtschule PV-Anlagen.
Bei kleineren Projekten hofft der Bürgermeister auf Erleichterungen, damit der Besitzer einer PV-Anlage jemandem Strom liefern kann, der keine eigene Anlage hat. „Noch geht das nicht, das wird aber kommen“, ist Büscher sicher.
Kerstin Zeilinger zufolge hat Much die Bestandsaufnahme für die kommunale Wärmeplanung abgeschlossen. Jetzt gehe es um Potenziale, wobei aber gut erkennbar sei, „dass wir mit 114 Ortschaften weder für eine Nah- noch ein Fernwärmenetz originär infrage kommen“. Büscher schließt nicht aus, dass es einmal entlang der B 56 eine Wasserstoffleitung für Firmen mit entsprechendem Interesse geben könnte. Aber bis 2045 werde das wohl kaum der Fall sein.
Büscher weist noch auf eine andere Option für Much hin, die Energiegewinnung aus dem Rohstoff Holz mit Pellets oder Hackschnitzeln. Der Mucher Holzspezialist Kosche habe das schon vorgemacht und das Vereinshaus Oberheiden kostenlos mit Energie aus den bei der Produktion anfallenden Spänen versorgt.
Holzkraftwerke wie in Österreich als Option für Much
Österreich etwa sei bei Holzkraftwerken mit Anschluss an Nahwärmenetze schon sehr weit. Eine spannende Sache könnte das im Bergischen Land für Forstbetriebsgemeinschaften werden. „Aber wer macht das? Rhein-Sieg-Netz mit einem Förster? Auch das könnte ein Pilotprojekt sein“, überlegt Büscher. Förderungen durch das Land seien allerdings „hochgradig kompliziert“, durch Vorschriften, welche Bäume gepflanzt werden sollen, und verschiedene Vergütungsregeln.
Bei der Aufforstung müsse die Überpopulation des Wilds bedacht werden, wozu es die Abstimmung mit der Jägerschaft brauche. Monokulturen wolle niemand, auch nicht mit Weihnachtsbäumen: „Die Frage ist, was ist der widerstandsfähige Wald der Zukunft?“, so Büscher. Dennoch habe die Holzwirtschaft für ihn eindeutig Potenzial.
„Wir können uns auch mit Erdwärme und anderen Dingen beschäftigen“, ergänzt Büscher, die großen Vorhaben mit Sonne und Wind müssten über Flächennutzungspläne gelenkt und gesteuert werden. Letztlich gehe es um eine gute Mischung und das richtige Augenmaß.