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Kurioser FundKünstlerin schmuggelt Bild in Bonner Ausstellung – „Habe es in meine Leggings gestopft“

Lesezeit 5 Minuten
Das Bild zeigt eine Frau mit langen dunklen Haaren und nacktem Oberkörper auf grünem Grund. Sie schaut über die Schulter in Richtung der Betrachtenden.

Das Bild wurde beim Abbau der Ausstellung „Wer wir sind“ in der Bundeskunsthalle gefunden.

Das Gemälde wurde beim Abbau der Ausstellung entdeckt. Nach einem Aufruf der Bundeskunsthalle hat sich die Künstlerin jetzt gemeldet.

Wenn es um Ausstellungen in großen Kunsthallen geht, hört man durchaus das eine oder andere Mal davon, dass Bilder oder Kunstwerke gestohlen werden oder der Versuch unternommen wurde, sie zu stehlen. Der umgekehrte Fall ist da jedoch wesentlich kurioser. Genau das ist jetzt in der Bundeskunsthalle in Bonn aber geschehen – die Verantwortlichen fanden ein Bild, das zuvor nicht Teil der Ausstellung war.

Ihren Fund teilte die Bundeskunsthalle Bonn in einem Facebook-Beitrag mit und bat den Künstler oder die Künstlerin, sich zu melden. Noch am selben Tag meldete sich eine junge Frau namens Danai Emmanouilidis, die für das eingeschleuste Gemälde verantwortlich zeichnete. „Sie hat uns eine E-Mail an den Presseaccount geschickt“, sagt Angelica Francke von der Presseabteilung der Bundeskunsthalle Bonn dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Bild in die Bundeskunsthalle eingeschmuggelt: Künstlerin meldet sich zu Wort

Über ihre Motivation und den Hintergrund der Aktion in der Bundeskunsthalle werde die Kuratorin Johanna Adam noch mit der Künstlerin sprechen, sagt Francke. Auch bei anderen Medien wie dem WDR, der Tagesschau und Radiosendern hat sich Danai Emmanouilidis gemeldet und sich als Urheberin zu erkennen gegeben.

So schickte sie „Radio Cosmo“ eine Sprachnachricht, die auch im WDR Podcast „0630“ zu hören war. „Ich war mit meinem Freund unterwegs“, sagte die Künstlerin in der Nachricht. „Ich habe das Bild in meine Leggings gestopft und den Hoodie drübergezogen. Dann haben wir es reingeschmuggelt.“ Auch Klebeband habe sie für die geplante Aktion dabeigehabt. „Wir haben das Bild dann unbemerkt gut aufhängen können, kurz vor Schluss am Abend war das. Dann haben wir uns wieder rausgeschlichen.“ Auch dem WDR sagte die Kunstschaffende: „Ich wollte immer schon ein Bild in eine Ausstellung schmuggeln.“

Künstlerin will auf die Unterrepräsentation junger Kunstschaffender aufmerksam machen

Die Auswahl der Ausstellung „Wer wir sind“ in der Bundeskunsthalle Bonn war kein Zufall. „In der Ausstellung geht es um Migration, Rassismus, Ausgrenzung aus der Gesellschaft“, so Danai Emmanouilidis. „Ich war beeindruckt von der Ausstellung und dachte, weil es in meiner Kunst auch um diese Themen geht, dass ich aktivistisch da ein Bild aufhänge.“ So habe sie auch darauf aufmerksam machen wollen, dass junge Künstlerinnen und Künslter eher weniger in vielen Ausstellungen repräsentiert seien.

Am Donnerstag, 12. Oktober, löste das aufgetauchte Gemälde in der Bundeskunsthalle vielfältige Reaktionen aus, auch in den sozialen Medien. Die Bundeskunsthalle hatte auf Facebook einen Aufruf nach der Künstlerin oder dem Künstler veröffentlicht.

Wem haben wir das Bild zu verdanken?
Bundeskunsthalle Bonn in einem Aufrauf auf Facebook

„Es gibt für alles ein erstes Mal“, schrieb die Bundeskunsthalle auf Facebook. „Erst beim Abbau von »Wer Wir Sind« ist aufgefallen, dass wir ein Werk mehr in unserer Ausstellung hatten!“ Jemand habe ihnen ein „mutmaßlich selbstgemaltes“ Bild einfach in die Ausstellung gehängt.

Jetzt wollten sie mehr über die Künstlerin oder den Künstler erfahren und fragten: „Wem haben wir das Bild zu verdanken? Wer ist darauf zu sehen? Was war die Motivation hinter der Aktion?“

Zudem betonte die Bundeskunsthalle, dass der- oder diejenige keinen Ärger zu befürchten brauche, denn „um ehrlich zu sein, finden wir das ziemlich lustig“, so die Bundeskunsthalle in ihrem Beitrag. „Wir würden den/die Künstler:in gerne kennenlernen.“

Das unverhofft aufgetauchte Bild zeigt eine Frau mit langen dunklen Haaren, nacktem Oberkörper und augenscheinlich rot geschminkten Lippen. Sie kehrt den Betrachtern halbseitig ihren Rücken zu und schaut über die Schulter in Richtung der Betrachtenden.

Jemand könnte das Gemälde unter seinem Pulli versteckt haben.
Johanna Adam, Kuratorin in der Bundeskunsthalle Bonn

Darüber, wann das Bild in die Ausstellung „eingeschleust“ wurde, könne man nur mutmaßen, sagt die Kuratorin Johanna Adam dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Es muss aber in den letzten Tagen passiert sein, andernfalls wäre es früher aufgefallen.“ Es sei in einem Eckchen platziert worden, in dem keine anderen Kunstwerke installiert waren, weil es dort Hörstationen und Wandtexte als Fotos gab. „Daher war an dieser Stelle auch kein Wachpersonal erforderlich.“ Da das Gemälde nicht besonders groß sei, könnte es jemand unter seinem Pulli versteckt haben und so in die Ausstellung gebracht haben.

Ausstellung „Wer wir sind“ wirft einen Blick auf Deutschland als Einwanderungsland

Gefunden wurde das Bild in der Ausstellung „Wer wir sind“, die zwischen dem 26. Mai und dem 8. Oktober in der Bundeskunsthalle gezeigt wurde. Laut Beschreibung der Bundeskunsthalle stellte die Ausstellung kritische Fragen an Deutschland als Einwanderungsland.

„Ein Begriff, gegen den sich die Politik gewehrt hat und der heute selbstverständlich erscheinen sollte.“ Die Ausstellung habe daher einen Blick auf die Strukturen unserer Gesellschaft geworfen, auf die Errungenschaften und Hürden im „Ringen um ein gleichberechtigtes Miteinander.“

Demnach gab es bei „Wer wir sind“ verschiedene Werke zu sehen, die Rassismus thematisierten, aber auch Kunstwerke, die die Wirren der Bürokratie für Migrantinnen und Migranten widerspiegelten. „Es geht um das gemeinsame Wir in der Ausstellung. Wie wollen wir leben, wie wollen wir zusammenleben? Wie wollen wir eine Gesellschaft, eine Gemeinschaft schaffen“, sagte Intendantin Eva Kraus.

Auch Rassismus und Ausgrenzung spielen in den Kunstwerken eine Rolle

Entstanden ist die Ausstellung in Kooperation mit dem „DOMiD“, dem Dokumentationszentrum und Museum über die Migration in Deutschland. Das DOMiD sei 1990 von Migrantinnen und Migranten gegründet worden, sagt Karin Schaumburg vom Dokumentationszentrum im Video „Behind the Art“. Das Ziel des Zentrums sei es, über eine „inklusive Erinnerungskultur“ ein „gesamtgesellschaftliches, solidarisches Wir zu kreieren“. Dafür sammele das DOMiD Integrationsgeschichten aller Art, inzwischen verfüge es über 150.000 Zeitzeugnisse aus der gesamten Migrationsgesellschaft und -geschichte seit 1945 und teilweise darüber hinaus.

„Ich glaube, es ist wichtig, dass wir uns alle fragen und hinterfragen“, so Eva Kraus. „Und das ist das Ziel der Ausstellung.“ Angesprochen habe die Ausstellung viele Menschen, sagt Johanna Adam dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Viele Besucherinnen und Besucher, die eine eigene Familiengeschichte haben, in der Migration eine Rolle spielt, waren bewegt davon, dass ihre Geschichte(n) eine breite Sichtbarkeit erfahren“, gibt sie die Rückmeldungen einiger Gäste der Ausstellung wieder.

Es sei positiv, dass auch über Rassismus gesprochen wurde. „Und das empfinden wir – wie auch viele Besucherinnen und Besucher – gerade heute als wieder sehr notwendig“, sagt Johanna Adam. Denn es gehe in der Ausstellung auch um Sichtbarkeit und gesellschaftliche Marginalisierung, um Teilhabe und die Frage, wer mitbestimmen darf, wer wo „vorkommt“.

„Da ist ein in die Ausstellung geschmuggeltes Bild vielleicht sogar ein Kommentar darauf, wie schwer es ist, als Künstlerin und Künstler in einer Ausstellung in einem öffentlichen Museum vorzukommen, wenn man nicht den klassischen Werdegang hat gehen können“, so die Kuratorin. (mit dpa)