Am Samstag erlag Wolfgang Picken seiner Krebserkrankung. Er galt als großer Woelki-Kritiker und setzte sich gegen Rassismus ein.
„Botschafter des Glaubens“Bonns Stadtdechant Wolfgang Picken überraschend gestorben
Die katholische Kirche in Bonn trauert um Stadtdechant Dr. Wolfgang Picken, der am Samstag im Alter von 56 Jahren nach einer hochaggressiven Krebserkrankung überraschend gestorben ist. Das teilten das Stadtdekanat und die Münstergemeinde St. Martin, deren Pfarrer er war, am Nachmittag mit. Weiter heißt es in der Erklärung: „Im Gebet und in Gedanken sind wir bei seiner Familie und bei den vielen Menschen, die sein so plötzlicher Tod sprachlos zurücklässt“.
Am Samstagabend wurde für den Verstorbenen in der Münsterbasilika gebetet, am Sonntag wird sein Sarg in der Kirche aufgebahrt, um der Bevölkerung Gelegenheit zum persönlichen Abschied zu geben. Wie zu erfahren war, haben selbst engste Mitarbeiter nichts von der schweren Erkrankung gewusst.
Mehr als ein Seelsorger: Gründer von Bürgerstiftung und Flüchtlingshilfe
Wolfgang Picken wurde 1967 geboren, studierte in Bonn, Rom und Köln katholische Theologie, Philosophie sowie Sozial- und Politikwissenschaften und wurde 2004 in diesem Fach promoviert. Als Diakon arbeitete er an St. Servatius in Siegburg, nach der Priesterweihe 1993 folgten Jahre als Kaplan in Bergisch Gladbach. 2004 wurde er zum Pfarrer im Bad Godesberger Rheinviertel ernannt. Hier war er mehr als Seelsorger, er wirkte auch in den politischen Raum hinein. Die von ihm 2005 gegründete Bürgerstiftung Rheinviertel, die sich um Kindergärten, Seniorenbetreung sowie um ein Hospiz kümmerte, war Vorbild für ähnliche Stiftungen in ganz Deutschland.
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In dem Stadtbezirk gründete der rührige Theologe neun Klosterniederlassungen. 2015 initiierte er den „Runden Tisch Flüchtlingshilfe Bad Godesberg“. Ein Jahr später lenkte der Pfarrer nach dem gewaltsamen Tod von Niklas P., der bei einem Überfall am Godesberger Bahnhof tödlich verletzt worden war, den Blick der Politik auf die Jugendgewalt in dem Bonner Stadtbezirk und regte einen Runden Tisch zur Gewaltprävention an. Sozialpolitische Akzente setzte er 2016 mit der Gründung des „Suppenhimmels“ in Bad Godesberg, der an jedem Werktag in der Nähe der Marienkirche ein kostenloses Mittagessen ausgibt.
Kinder- und Jugendpastoral im Zentrum
Nach dem Rücktritt von Monsignore Wilfried Schumacher wurde Wolfgang Picken 2019 Pfarrer am Bonner Münster und Stadtdechant. Damit war er gleichzeitig Vorsitzender des Bonner Caritasrats.
Im gleichen Jahr verlieh ihm der Bundespräsident für sein gesellschaftliches Wirken das Bundesverdienstkreuz. 2023 erhielt der Priester einen Lehrauftrag an der Philosophischen Fakultät der Universität Bonn.
Im Mittelpunkt seines seelsorgerischen Wirkens standen nach Mitteilung des Stadtdekanats die Kinder- und Jugendpastoral, die Messdienerarbeit sowie die Einzelbegleitung von Sterbenden. Er war ausgebildeter Sterbe- und Trauerbegleiter in der Hospizbewegung; im Jahr 2000 hatte er darüber das Buch „Abschied nehmen vom Leben“ geschrieben.
Picken war ein begnadeter Prediger, der viele Menschen in seinen Bann ziehen konnte: In Erinnerung bleiben werden vielen Gläubigen seine jährlichen Predigtreihen zur Advents- und Fastenzeit. In der Kommunalpolitik mischte er sich zuletzt ein mit seiner Unterstützung für eine Kampagne von Bonner Wirtschaftsverbänden für eine „Verkehrswende mit Vernunft“.
Er verantwortete die Generalsanierung des Münsters, das er seit der Wiedereröffnung für Kunstausstellungen und Konzerte unter anderem zum Beethovenfest öffnete.
Der Kölner Erzbischof Kardinal Rainer Woelki reagierte tief betroffen auf die Nachricht vom plötzlichen Tod des Stadtdechanten: „Als Münsterpfarrer, als Stadtdechant von Bonn und als Priester und Seelsorger war Wolfgang Picken allzeit ein engagierter Streiter für den Glauben und für die Gläubigen“, sagte der Erzbischof.
In Trauer verbunden mit der katholischen Kirche zeigte sich auch die Evangelische Kirche in Bonn und der Region. Der Bonner Superintendent Dietmar Pistorius erklärte: „Mit Wolfgang Picken verliert die römisch-katholische Kirche in Bonn einen überzeugten und überzeugenden Botschafter ihres Glaubens, die Stadtgesellschaft eine profilierte und streitbare Stimme, die Ökumene und die Evangelische Kirche in Bonn einen wichtigen Dialogpartner und ich selber einen vertrauten Weggenossen. Seine Spiritualität, seinen Scharfsinn, seinen Ideenreichtum, aber auch seinen Humor werde ich sehr vermissen.“
Der Superintendent erinnerte an seine letzte Begegnung mit dem Verstorbenen. Das war beim Gottesdienst zum Stadtpatrone-Fest im vergangenen Jahr, zu dem er ihn gebeten habe, die Predigt im Festhochamt zu halten. Pistorius: „Eine nicht zu unterschätzende Geste, die darin gipfelte, dass er seine eigentlich nach Kirchenrecht nötige eigene Predigt darauf beschränkte, zu sagen, dass er der Predigt des Superintendenten nichts hinzuzufügen habe. Diese Geste hat nicht nur mich berührt. Sie verwies auf eine tiefe Verbundenheit im Glauben an den Gott, der alle Grenzen überwindet; auch und erst recht die Grenze zwischen Leben und Tod“.
Bonns Oberbürgermeisterin Katja Dörner (Grüne) würdigte Picken als „wichtigen und geschätzten Seelsorger, Ratgeber und Begleiter in allen Lebenslagen“. Soziale Fragen und die Unterstützung bedürftiger Menschen hätten ihm besonders am Herzen gelegen