Köln – Der Bad Godesberger Dechant Wolfgang Picken, eine der strahlendsten, aber auch schillerndsten Persönlichkeiten im Klerus des Erzbistums Köln, strebt nach höheren Aufgaben. Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ ist er als neuer Stadtdechant von Düsseldorf im Gespräch. An diesem Mittwoch will Kardinal Rainer Woelki mit den Pfarrern in der Landeshauptstadt über einen möglichen Wechsel des 1967 geborenen Geistlichen sprechen. Wie zu hören ist, hat der für Düsseldorf zuständige Weihbischof Dominikus Schwaderlapp dazu bereits seit Wochen Sondierungsgespräche mit den örtlichen Seelsorgern geführt, stieß bei ihnen aber auf einhellige Ablehnung.
Protestschreiben an Woelki
Seit Mitte Juni hat sich nun eine Reihe von Pfarrern mit Protestschreiben an Woelki gewandt. Darunter ist ein gemeinsamer Brief von zwei der vier Düsseldorfer Dechanten mit dem Ziel, Woelki von einer Berufung Pickens auf den wichtigsten Seelsorgeposten in der Landeshauptstadt abzuhalten. Tenor: Picken polarisiere und passe nicht nach Düsseldorf. Das Erzbistum äußere sich generell nicht zu Personalangelegenheiten, sagte Sprecher Christoph Heckeley auf Anfrage und verwies auf ein laufendes Verfahren. Picken war am Montag für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
Wunsch nach neuer Aufgabe
Wie aus der Bistumsverwaltung verlautet, hat Picken dem Erzbischof seinen Wunsch nach einer neuen Aufgabe signalisiert. Der Geistliche ist seit 2004 Pfarrer im Bonner Rheinviertel, einem Teil Bad Godesbergs, der seit seinem Amtsantritt einen in vielerlei Hinsicht außergewöhnlichen Aufschwung erlebt hat. Er machte Kitas, Bildungs- und Jugendarbeit, Hospizhilfe, Sterbebegleitung und andere soziale Projekte von Bistumsgeldern unabhängig, indem er eine Bürgerstiftung gründete. Nach Pickens Worten ist aus der „kleinen, charismatischen Pommesbude“ eine der bundesweit größten Institutionen ihrer Art geworden, mit einem Stiftungsvermögen von sieben Millionen Euro und 1000 Ehrenamtlichen. Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ berichtete zum zehnjährigen Bestehen der Stiftung am 19. Juni über „das Wunder vom Rhein“ (Picken).
"Rappelvolle Kirche"
Auf Benefiz-Events sammelt Picken Spenden von mehreren Zehntausend Euro ein, und er versichert sich der Unterstützung wohlhabender Gönner, von denen es in Bad Godesberg reichlich gibt. Zu seinen Fans gehören Telekom-Chef Timotheus Höttges, dessen Vorgänger René Obermann und seine Frau, ZDF-Moderatorin Maybrit Illner oder Ex-Verfassungsrichter Udo Di Fabio. Auch der Kommunikationsdirektor der Uni Köln, Patrick Honecker, wohnt in Pickens Pfarrbezirk. Er spricht von einer „sehr gewinnenden Persönlichkeit mit hohem Mobilisierungspotenzial“. Bei Picken sei „die Kirche rappelvoll, und das gelingt nun wirklich nicht jedem“.
Als „Bonn Camillo“ hat Picken, seit 2013 auch Leitender Pfarrer für den Seelsorgebereich Bad Godesberg mit 26 000 Katholiken (Bistumsrekord), einen Stammplatz in den Zeitungsspalten der Boulevardpresse. Auch überregional wurden die Medien auf ihn aufmerksam, seit seine Gemeinden mit den Kennzahlen kirchlichen Lebens Spitzenplätze belegen. „Die meisten Kirchgänger, die größte Schar von Messdienern“, schwärmte das Magazin „Focus“ 2009 und zeichnete ein hingerissenes Porträt des „unkonventionellen Gottesdieners“, der zeitweilig am Elitekolleg für deutschen Priesternachwuchs in Rom studierte und in Bonn einen Doktor in Politologie erwarb.
Ein auffallend gut aussehendes Erscheinungsbild
Picken sei „ein schlanker Mann mit exzellenten Manieren“, der seinen „Anzug aus feinem Tuch trägt wie ein Model die neueste Kollektion eines Edeldesigners“. Hinzu kommt ein auffallend gut aussehendes Erscheinungsbild, an dem nicht nur die im Porträt erwähnten indischen Schwestern Gefallen finden: „Aus seinem gebräunten Gesicht leuchten graublaue Augen. Die dominante Nase verleiht dem 1,92-Meter-Mann Entschlossenheit, die vollkommen geschwungenen Lippenbögen eine fast anrührende Sanftheit.“ Er selbst beantworte die Frage nach Starkult mit einem selbstbewusst-bescheidenen Blick und predige: „Meine Mission ist die Liebe.“
Angesichts der knappen Führungsreserve im Klerus ist es erstaunlich, dass sich die Bistumsleitung nicht längst der Talente Pickens versichert hat. Selbst seine Gegner im Düsseldorfer Klerus attestieren ihm „in mancher Hinsicht Brillanz“. Effizienz und öffentliche Wirkung verdankten sich aber auch – und daran nehmen seine Mitbrüder Anstoß – einer ausgeprägten persönlichen Eitelkeit und einer „stark polarisierenden und konfliktträchtigen Wirkung“. Weiterer Vorbehalt: Picken sei ein Mann für die Erfolgreichen. Das passe doch nicht zum Priesterbild des neuen Erzbischofs.
Eine Art katholischer Schüttelkrampf
Als nach der Wahl des Kölner Generalvikars Stefan Heße zum Hamburger Erzbischof über die Nachfolge spekuliert wurde und der Name Picken fiel, löste dies im Generalvikariat und unter den Kölner Pfarrern eine Art katholischen Schüttelkrampf aus. Dasselbe wiederholt sich jetzt in Düsseldorf, wo Picken den zum Domkapitular beförderten Rolf Steinhäuser ersetzen würde. Der Düsseldorfer Stadtdechant hat deutlich mehr Gewicht als sein Kollege in Köln, wo die geballte Bistumshierarchie versammelt ist. Mit der Verantwortung für City-Pastoral, das Bildungszentrum Maxhaus, die Caritas und dem Sitz in zahlreichen Gremien ist der Stadtdechant der einflussreichste Seelsorger in der Landeshauptstadt.
Noch höher hinauf in der Hierarchie ginge es, wenn Woelki den Strahlemann aus Bonn zum Weihbischof machen würde. Ein Posten ist nach dem gesundheitsbedingten Rücktritt von Manfred Melzer gerade frei. „Aber“, fragt ein Insider aus dem Zentrum der Kölner Kirche, „wer kann schon glauben, dass der Kardinal mit seiner betont bescheidenen Art einen Priester vom Typus Picken ständig an seiner Seite haben will?“