Ein NABU-Experte erklärt, um was für eine Schildkröte es sich handelt und ob es ratsam ist, sie einfangen zu wollen.
Exotisches TierGroße Schildkröte im Rhein in Bonn entdeckt – Rettung „keine gute Idee“

Eine Schildkröte paddelt in Bonn im Rhein am Ufer entlang.
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Wer die Tage in Bonn gemütlich an der Promenade am Rhein spazieren geht, der könnte vor Überraschung ungläubig in die Fluten hinabblicken. Denn in dem Strom, den schon die Römer ehrfurchtsvoll Rhenus Pater („Vater Rhein“) nannten, paddelt derzeit eine Schildkröte herum.
Das Tier ist aufgrund seiner beeindruckenden Größe tatsächlich kaum zu übersehen. Auch zwei jungen Männern ist die Schildkröte aufgefallen. Sie haben es sich zur Aufgabe gemacht, das Exemplar aus den Fluten zu retten.
Schildkröte im Rhein – Retter lassen sich viel einfallen
Die beiden Retter gingen mit ziemlichem Einfallsreichtum an die Jagd. Doch die Rettungsaktion war bislang noch nicht erfolgreich. Das Problem: Die Schildkröte dümpelte im Rhein zwischen Bundesrechnungshof und dem Kanzlerbungalow. Hier besteht das Ufer aus einer steilen Wand, die nahezu senkrecht ins Wasser reicht. Näher heranzukommen, ist also kaum möglich, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen.
Zunächst ließen die Männer einen Eimer an einem Seil herunter, doch die Schildkröte entwischte immer wieder. Auch mit einer selbstgebauten Zange hatten die beiden Samariter bislang noch kein Glück.
Um was für eine Schildkröte handelt es sich genau?
Doch wie dringend ist eigentlich eine solche Rettungsaktion? Laut Elmar Meier, Schildkröten-Experte beim NABU NRW, handelt es sich um eine ziemlich beeindruckende Gelbwangen-Schmuckschildkröte, Trachemys cripta scripta. „Das Tier ist ausgewachsen und schon älter“, so Meier zum „Kölner Stadt-Anzeiger“. Das sei eindeutig an dem einsetzenden Melanismus am Kopf des Tieres zu erkennen, aufgrund dessen die typische gelbe Hinteraugenzeichnung verschwindet.
Die natürliche Verbreitung der Gelbwangen-Schmuckschildkröte sind die östlichen USA von Virginia bis ins nördliche Florida. In Deutschland, vor allem aber auch im Rhein, kommt diese Art also eigentlich nicht vor. Doch vor allem nach dem Verbot von Rotwangen-Schmuckschildkröten begann ein wahrer Import-Boom dieser Unterart. „Vor Jahren gehörte die Gelbwangen-Schmuckschildkröte noch zum Standard-Sortiment in fast jedem Zoogeschäft“, erläutert der NABU-Experte.
Schildkröten-Boom in Zoogeschäften – überforderte Halter setzen sie aus
Vielen Haltern seien die Tiere sprichwörtlich über den Kopf gewachsen, weiß Meier. Beim Kauf im Zoogeschäft sind die Gelbwangen-Schmuckschildkröten oft noch klein und niedlich, doch die Exemplare werden oft ziemlich groß. Viele der Tiere werden dann vorsätzlich ausgesetzt.
Die Tiere können aber auch sehr gut klettern. Es sei deshalb auch gut möglich, dass das Tier aus einer eingefriedeten Teichanlage entwichen ist.
Schildkröte im Rhein fangen? „Keine gute Idee“
Aufgrund der beachtlichen Größe der Schildkröte im Rhein in Bonn vermutet der NABU-Experte, dass es sich um ein ausgewachsenes Weibchen handelt. Die werden größer als ihre männlichen Artgenossen. „Das Tier aus dem Rhein fangen zu wollen ist dann keine gute Idee, wenn man sich selber in Gefahr bringt“, rät Meier. „Wenn das Tier noch fit ist, lässt es einen Fang so einfach auch gar nicht zu. Die Fluchtdistanz ist meistens zu hoch.“
Die reinen Überlebenschancen für die Gelbwangen-Schmuckschildkröte im Rhein seien „gar nicht mal so ganz schlecht“, erklärt der NABU-Experte zur anderen Option, das Tier dort zu belassen. Aus ihrer Heimat seien die Schildkröten auch kühlere Winter gewohnt, obwohl die Wassertemperatur im Rhein deutlich niedriger sei. Doch dies könne das Tier durch ausgiebige Sonnenbäder am Ufer kompensieren. Für eine Fortpflanzung sei es jedoch zu kalt.
Elmar Meier betont unterdessen, dass das vorsätzliche Aussetzen solcher Tiere illegal und strikt abzulehnen ist. Invasiv seien Schmuckschildkröten anders als in Südeuropa bei uns noch nicht. „Das könnte sich bei fortschreitendem Klimawandel aber in Zukunft ändern“, so der Experte.