30 bis 40 junge Leute, die es wohl gezielt auf Einsatzkräfte abgesehen hatten – so stellte sich die Silvesternacht in Bonn laut Ermittlern dar.
„Angriff! Knall sie ab, Bruder!“Anklage zeichnet schockierendes Bild der Silvesterkrawalle in Bonn
Böller, Silvesterraketen und Steine - in der Silvesternacht 2022/23 haben sich Polizisten und Feuerwehrleute im Bonner Stadtteil Medinghoven massiven Angriffen ausgesetzt gesehen. Etwas mehr als ein Jahr später hat nun ein Prozess gegen sieben Angeklagte begonnen, die an den Krawallen beteiligt gewesen sein sollen. Vor einer Jugendstrafkammer des Bonner Landgerichts wurde ihnen am Dienstag Landfriedensbruch, tätlicher Angriff und Widerstand gegen Einsatzkräfte sowie versuchte Körperverletzung vorgeworfen.
Zum Prozessauftakt kündigten die Verteidiger an, dass ihre Mandanten sich zunächst nur zu ihrer Person äußern wollten. Einlassungen zur Sache wurden für einen späteren Verhandlungstag angekündigt. Nur ein Angeklagter, ein 34-Jähriger, will sich schweigend verteidigen.
Silwesterkrawalle: Angeklagte sind zwischen 18 und 34 Jahren
Die nun angeklagte Gruppe setzt sich aus zwei 18 Jahre alten Jugendlichen, vier Heranwachsenden bis 21 Jahre und dem 34-Jährigen zusammen. Fünf weitere mutmaßlich Beteiligte an den Krawallen sollen später in einem zweiten Prozess vor Gericht stehen.
Die Staatsanwältin geht - laut Anklage - davon aus, dass sich die jungen Leute über Messenger-Dienste zu dem Angriff auf die Polizei verabredet hatten. Vorbild soll der französische Spielfilm „Athena“ gewesen sein, in dem es - ausgelöst durch den gewaltsamen Tod eines Jungen - um soziale Unruhen im Vorort einer französischen Großstadt geht, einem sozialen Brennpunkt, wie es auch der Bonner Ortsteil Medinghoven ist.
Anklage zeichnet verheerendes Bild der Silvesternacht in Bonn-Medinghoven
Die verlesene Anklage zeichnete ein verheerendes Bild der damaligen Silvesternacht. Die Einsatzkräfte wurden demnach gezielt attackiert, nachdem sie wegen eines Brandes von Müllcontainern in den Bonner Ortsteil gerufen wurden. Sechs Polizeibeamte und die Besatzung eines Tanklöschfahrzeugs der Feuerwehr hätten unerwartet einem Pulk von 30 bis 40 jungen Leuten gegenüber gestanden, aus deren Reihen Gegenstände auf die Einsatzkräfte geflogen seien.
„Angriff, Angriff! Knall sie ab, Bruder!“, sollen die Randalierer - mit Sturmhauben vermummt und verschanzt - gerufen haben. Die Situation sei so brenzlig geworden, dass der Einsatzleiter den Rückzug befohlen habe.
Angeklagte machten betroffenen Eindruck
In ihren ersten Aussagen am Dienstag machten die jungen Angeklagten einen eher betroffenen Eindruck. Die meisten besuchten in Medinghoven Kindergarten und Schule, sind in Ausbildung oder auf Berufssuche und fast alle Mitglieder im örtlichen Fußballclub. Fast alle wohnen auch noch bei den Eltern. Die meisten haben nach eigenen Angaben Erfahrung mit Marihuana.
Wenn sie Geständnisse ablegten, so stellte es der Kammervorsitzende den zur Tatzeit noch minderjährigen, kaum vorbestraften Angeklagten in Aussicht, müssten sie nicht mal mit einer Jugendstrafe rechnen. Das würde bedeuten, dass es für sie nur sogenannte erzieherische Maßnahmen geben würde.
Die Silvester-Krawalle mit - laut Polizei - fast 40 Beteiligten dauerten damals mehr als eine Stunde. Erst durch den Einsatz einer Polizeihundertschaft konnten sie beendet werden, die Randalierer verschwanden in der Dunkelheit. Allerdings gelang es, noch am Neujahrsmorgen einen Verdächtigen festzunehmen. Auf dessen Handy sollen die Ermittler die ersten Hinweise auf die Chatgruppe gefunden und erkannt haben, dass der Angriff gezielt geplant gewesen war. (dpa)