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VenusbergSpaziergang durch die Bonner Waldau

Lesezeit 4 Minuten

Auf dem Holzweg: An den Wildgehegen vorbei führt ein Lehrpfad, bei dem es auch um heimische Holzarten geht.

BonnEin Spaziergang durch die Bonner Waldau im März 2013

Das Wetter ist nicht unbedingt geschaffen für einen Sonntagsausflug. Aber die Bonner Waldau ist nah, und dort ist immer etwas los. Also rein in die festen Schuhe oder Gummistiefel.

In den Wald gehen? Das würde Sebastian Korintenberg nie kritisieren. Der Stadtförster bemängelt etwas anderes: „Wir sprechen vom Venusberg, aber alle sagen Waldau – und das bezeichnet nur das Ausflugslokal am Zugang zum Wald.“ Der Mann muss es wissen – er hat seit Oktober 2010 seinen Arbeitsplatz mitten im Stadtforst von Ippendorf, den Kurfürst Clemens August um 1750 mit einem systematischen Wegenetz erschließen ließ und für die Öffentlichkeit zugänglich machte.

Heute tummeln sich dort an Sonnenwochenenden rund 3000 Menschen im Grünen, „pro Jahr kommen sicher 100 000 Erholungssuchende“, schätzt Förster Korintenberg, der auch Leiter des Naturkundemuseums in einem schmucken Fachwerkbau ist. Das „Haus der Natur“, 1986 eröffnet, soll in den kommenden Jahren deutlich ausgebaut werden – 20 000 Wissbegierige besuchen es schon jetzt jährlich.

Das Besondere in dem Waldgebiete sind die ebenen Wege. Sie können leicht mit Rollstühlen und Kinderwagen befahren werden - und auch deshalb ein Ziel für alle Generationen. Hauptweg und älteste Route durch das Naturschutzgebiet mit seinen ausgedehnten Mischwäldern ist die Dottendorfer Allee. Und dort ist Gruseln angesagt: Den stets umlagerten Gehegen mit Wildschweinen und Damwild gegenüber liegt der Gespensterwald – mehr als 250 Jahre alt sind die Kopfbuchen dort, beeindruckend sogar im Winter. Immer wieder haben die Menschen diese Bäume gekappt – „vor allem in den Jahren nach dem Krieg, um an Brennholz zu kommen“, berichtet Dieter Fuchs, Chef des Bonner Amtes für Stadtgrün. „Dadurch sind diese skurrilen Kronen gewachsen.“

Knorrige Giganten ragen dort in die Höhe, wie die knochigen Finger einer skelettierten Hand sehen sie aus. Auch wegen der Bucheckern war der Wald wichtig. Der Forst am Südhang des Venusbergs war ein Hutewald: Früher wurde der Wald als Viehweide genutzt, gefüttert wurden die Tiere mit seinen Früchten.

Dieser Teil des Venusbergs bildet den nördlichen Ausläufer des Kottenforsts. Dass dort die Naturschutzvorhaben Wirkung zeigen, konnte jüngst der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) verkünden: Die Wildkatze ist in die Wälder rund um Bonn zurückgekehrt. Bei Wachtberg leben heute sieben Kater und vier Katzen. Dieser Nachweis ist eines der Ergebnisse aus einer „Wildkatzen-Inventur“, die der BUND und das Bundesamt für Naturschutz jüngst vorlegten. Die Experten gehen davon aus, dass das scheue Wildtier weitere Forstgebiete zurückerobern wird. Aber noch sichtet man die neuen Wilden nicht, wenn man als Spaziergänger unterwegs ist.

Bis 1960 war die Wildkatze im Rheinland anzutreffen, der Ausbau der Autobahnen und die intensive Forstwirtschaft aber verdrängten das Tier, das auf der Roten Liste bedrohter Tierarten landete. Ein Grund mehr für den Förster Korintenberg dafür zu werben, dass sich Ausflügler auf dem Venusberg mit der regionalen Flora und Fauna beschäftigen sollten. Im „Haus der Natur“ kann man sich Entdeckerkoffer ausleihen, die auch kleine Naturforscher gut nutzen können.

„Eigentlich gibt es keinen Bonner, der diesen Wald nicht kennt und schätzt. Vor allem die Älteren kennen ihn in- und auswendig.“ Das sagt Michael Schiffer. Mehr als drei Jahrzehnte hat er die Gastronomie „Waldau“ geführt. „In dieser Zeit ist das Gelände als Naherholungsgebiet perfektioniert worden“, urteilt Schiffer, der dort seit 1980 bis zu ihrer derzeitigen Ruhepause (und dem Verkauf an die Stadt) in der Waldau Gäste bewirtete. Ihm liegen vor allem die natur-pädagogischen Projekte am Herzen. Neu ist der „Weg der Artenvielfalt“, ein Wissenspfad, entstanden in Zusammenarbeit mit dem Naturschutzbund.

Verlässt man die Wege rund um die Tiergehege und Spielplatz, kehrt rasch Ruhe ein. Sebastian Korintenberg permanent für ein friedliches und rücksichtsvolles Miteinander werben. Denn auch für Radfahrer ist der Wald reizvoll: „Die strengen Regeln des Naturschutzes mit den Ansprüchen der Erholungssuchenden in Einklang zu bringen, ist eine Herausforderung.“ Dabei kann man die Wege auch ganz still nutzen – als zweiten Bildungsweg in Sachen Wald.