Denkmal oder nicht?LVR prüft Schutzwürdigkeit von Siedlungen in der Region
Rhein-Sieg-Kreis – Zwei Bände, sieben Kilo schwer, 1552 Seiten dick. Hinter dem Historiker Professor Dr. Walter Buschmann und seinen Co-Autoren liegt eine sechsjährige Fleißarbeit. Gemeinsam haben sie im Auftrag des Landschaftsverbands Rheinland ein sogenanntes Siedlungsinventar erstellt. Entlang der Rheinschiene von Köln bis Düsseldorf und von Wuppertal bis Neuss haben sie mehr als 200 Wohnsiedlungen unter die Lupe erfasst und ihre Forschungsergebnisse zu Papier gebracht.
Bau-Boom nach dem zweiten Weltkrieg
Seit mehr als 40 Jahren befasse sich der Denkmalschutz mit den Siedlungen im Land, berichtete bei der Buchvorstellung Herausgeberin Dr. Andrea Pufke, Landeskonservatorin im LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland. Vielfach seien sie „essenzieller Motor von Stadtentwicklung“. Eine echte Bestandsaufnahme aber habe bislang gefehlt.
Um diese Lücke zu schließen, befragten die Projektbeteiligten zunächst die bestehenden Datenbanken. In Quellen wie zeitgenössischen Bauzeitschriften suchten sie nach Hinweisen: Dort vorgestellte Siedlungen, davon könne man ausgehen, seien damals als besonders eingestuft worden. Regional verteilt machten sich die Teams dann auf den Weg in die Siedlungen, um den aktuellen Zustand und mögliche Veränderungen gegenüber der Bauzeit aufzunehmen. „Wir beschreiben alle Siedlungen, die schon denkmalgeschützt sind“, schilderte Pufke.
Häuser für Werksmitarbeiter
Auf der Hütte in Troisdorf gab es keine Überraschungen für die Beteiligten: Die Häuser für Mannstaedt-Mitarbeiter in der Schwarzen Kolonie stehen seit 1991 unter Schutz, ebenso wie die Melanbogenbrücke zwischen Menden und Friedrich-Wilhelms-Hütte, die Oberlarer Elisabethstraße und die Rote Kolonie in der Denkmalliste stehen. Schon 1982 wurde das Kasinoviertel als Denkmalbereich ausgewiesen – mit einer der ersten derartigen Satzungen in NRW.
Moderner sind die Häuser der „Wohnanlage Wohnhausgruppe“ in Königswinter-Vinxel aus den 60er Jahren, die nach Einschätzung der Fachleute in die Denkmalliste eingetragen werden sollte. Das gilt auch für die Siedlung Ruhrfeld in Meckenheim, in den 60er Jahren errichtet für die neue Stadt Meckenheim-Merl. Bereits geschützt ist seit 2014 die „Alte Kolonie“ in Niederkassel, errichtet ab 1913 als Wohnungen für Arbeiter und leitende Angestellte des Chemiewerks. (dk)
Wichtiger noch dürften aber die Siedlungen sein, die bisher noch nicht unter Schutz stehen: 18 aus der Zeit der 60er und 70er Jahre. Aus den Anfangsjahren des 19. Jahrhunderts stammen die ältesten erfassten Siedlungen. Vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg aber sei eine große Zahl von Siedlungen entstanden: Vertriebene brauchten Wohnraum, groß waren die Kriegszerstörungen. „Es ist nicht möglich, alle unter Schutz zu stellen“, stellte Dr. Helmtrud Köhren-Jansen klar, die Leiterin der Abteilung Inventarisation im LVR-Denkmalamt.
Viele seien in der Vergangenheit erheblich verändert worden. Gleichwohl sei das Inventar ein wichtiges Gut, um Maßstäbe für den Denkmalschutz zu entwickeln. Und damit die Kommunen bei der Auswahl dessen zu unterstützen, was in die Denkmalliste Eingang finden soll und was nicht.
Keine Sorge müssten die derzeitigen Eigentümer und Bewohner von Häusern oder Wohnungen haben, beteuerten die Pufke und Köhren-Jansen. „Mit dem Tag der Unterschutzstellung klopft ja nicht die Behörde an.“ Erst bei geplanten Veränderungen trete das Amt in Erscheinung. „Wir werben für den besonderen Wert“, mit Vorschlägen und der Beratung über mögliche Förderungen stehe man den Eigentümern zur Seite.
Kriterien wie schön oder hässlich gibt es nicht
„Meistens geht es nicht um das Ob einer Restaurierung, sondern um das Wie“, sagte Pufke. Der Denkmalschutz orientiere sich nicht an Kriterien wie schön oder hässlich. So finden sich in dem Inventar etliche Beispiele, die erst auf den zweiten oder dritten Blick als denkmalwert erkennbar werden.
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Gerade bei Bauten aus den 60er oder 70er Jahren zeige sich aber auch, dass der Denkmalschutz ein modernes Thema sei. Reparatur und Ertüchtigung stehen dem wenig nachhaltigen Abriss und der Vernichtung gegenüber. Das Denken: „Das ist alt und kann weg“ gebe es nicht mehr.