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Zeichen für DemokratieTausende demonstrierten in 20.000-Einwohner-Gemeinde Eitorf gegen die AfD

Lesezeit 5 Minuten
Menschen mit einem großen Plakat gehen einem Demonstrationszug vorweg.

Rund 3000 Menschen demonstrierten in Eitorf gegen die AfD.

Der Bundestagsabgeordnete der AfD, Roger Beckamp, hatte zu einem „Bürgerdialog“ ins Bürgerzentrum eingeladen.

Tausende Menschen demonstrierten am Dienstagabend in Eitorf gegen eine Veranstaltung der AfD. Polizeipressesprecher Stefan Birk sprach von 3000 Teilnehmern. Schon vor dem Start des Demonstrationszuges vom Bahnhofvorplatz in Eitorf war es so voll, dass die Menschen angewiesen wurden, auf abzweigende Straßen wie die Schulgasse auszuweichen.

„Nie wieder ist jetzt!“ Unter diesem Motto hatte ein Bündnis der Eitorfer Parteien Die Grünen, SPD, CDU und Die Linke zu der Demonstration aufgerufen, vom Bahnhofsvorplatz aus durch Eitorf ziehen und auf dem Marktplatz mit einer Abschlusskundgebung enden sollte.

„Demokratie ist Alternativelos“ steht auf einem Schild, das Kinder in die Höhe halten.

„Demokratie ist Alternativelos“ steht auf einem Schild, das Kinder in die Höhe halten.

Der Bundestagsabgeordnete der AfD, Roger Beckamp aus Windeck, hatte zu einem „Bürgerdialog“ ins Bürgerzentrum eingeladen. Das Thema „Remigration“ stand ganz oben auf der Agenda, sprechen sollten auch die AfD-Bundestagsabgeordneten Eugen Schmidt und Rüdiger Lucassen sowie der Landtagsabgeordnete Carlo Clemens.

Am Abend vor der Veranstaltung kündigte der AfD-Ortsverband für Eitorf, Windeck und Ruppichteroth eine eigene Demonstration an. Bei der Polizei wurde die Kundgebung als „Meinungsfreiheit und kultureller Austausch“ angemeldet, in einer Pressemitteilung nannte die rechtspopulistische Partei das Motto: „Gegen Hass und Hetze“. Nichtmal ein Dutzend Demonstranten standen am Abend vor dem Bürgerhaus.

Vor dem Bürgerzentrum skandieren rund 200 Demonstranten „Nazis raus“

Ihnen gegenüber standen zwischenzeitlich etwa 200 Demonstrierende, die den Zug über die Bahnhofstraße verlassen hatten. Sie riefen „Nazis raus“ und skandierten Parolen gegen die AfD. Direkt vor dem Eingang standen einige Angehörige der AfD und hielten ein Banner hoch.

Teilnehmer der AfD-Demo vor dem „Bürgerdialog“ im Bürgerhaus Eitorf

Teilnehmer der AfD-Demo vor dem „Bürgerdialog“ im Bürgerhaus Eitorf.

Als die Stimmung zu kippen drohte, stellten sich Polizisten zwischen die beiden Lager und bildeten eine Kette. Es kam zu einem kurzen Tumult, als Roger Beckamp mit einem Megafon vor die Menge trat und versuchte, Kontakt mit den Gegendemonstranten aufzunehmen. „Ganz Eitorf hasst die AfD“, schallte es ihm entgegen. „Ihr kommt doch gar nicht aus Eitorf, ihr Lieben“, versuchte es Beckamp, doch er wurde übertönt. Die Polizei drängte die Menge gut zwei Meter zurück, es blieb aber weitgehend friedlich.

Behelmte Polizisten zogen eine Reihe zwischen die beiden Gruppen. Es blieb laut, vereinzelt flogen Schneebälle. Die Situation wirkte angespannt, entlud sich aber nicht. Bundespolizisten kamen vom Bahnhof zur Unterstützung, es blieb aber bei reiner Lautstärke. Der Einsatzleiter der Polizei, der Erste Polizeihauptkommissar Roland Goj, sagte: „Wir haben keine verletzten Beamten und keine Körperverletzungsdelikte aufgenommen.“

Als AfD-Bundestagsmitglied Roger Beckamp zum Megaphon griff, kam es zum Tumult. Polizisten stellten sich zwischen die Demonstranten und die Teilnehmer der AfD-Veranstaltung.

Als AfD-Bundestagsmitglied Roger Beckamp zum Megaphon griff, kam es zum Tumult. Polizisten stellten sich zwischen die Demonstranten und die Teilnehmer der AfD-Veranstaltung.

Mit Trillerpfeifen, Sprechchören und Plakaten zog der große Demonstrationszug über die Bahnhofstraße und die Schmidtgasse einmal um das Bürgerhaus herum zurück zum Bahnhof, um dann in Richtung Marktplatz zu gehen. Als die Spitze des Zuges wieder am Bahnhofvorplatz eintraf, standen dort immer noch Teilnehmer, die noch nicht einmal losgelaufen waren –so viele Menschen drängten sich im Eitorfer Ortskern.

Eitorfs Bürgermeister Rainer Viehof lobte die Demo als „Wahnsinnszeichen gegen Rechts“

Auch Politiker aus der Region nahmen an der Demonstration teil: Vize-Landrätin Notburga Kunert in Stellvertretung für Sebastian Schuster, die Bundestagsmitglieder Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU) und Sebastian Hartmann (SPD), Landtagsmitglied Björn Franken (CDU) waren ebenso dabei wie der Eitorfer Bürgermeister Rainer Viehof und Lokalpolitiker aus Eitorf und Windeck.

Dass die AfD einen Raum im Bürgerzentrum anmieten konnte, habe die Gemeindeverwaltung intensiv geprüft, hatte Bürgermeister Rainer Viehof auf der Seite der Gemeinde im Vorfeld mitgeteilt. „Solange die AfD nicht verboten ist, muss ihr von Seiten der Gemeindeverwaltung das gleiche Recht eingeräumt werden wie allen anderen Parteien auch. Einen Rechtsstreit hätten wir verloren“, so Viehof.

Auf der Abschlussveranstaltung auf dem Marktplatz rief der Bürgermeister der Menge zu: „Ihr habt ein Wahnsinnszeichen gegen Rechts, gegen die AfD, gegen den Faschismus gesetzt!“ Viehof berichtete von einem Brief von Roger Beckamp an alle Bürgermeisterinnen und Bürgermeister im Rhein-Sieg-Kreis, in denen dieser gefragt habe, was diese gegen vermeintliche Überfremdung zu tun gedenken.

Mit Plakaten standen die Menschen auf dem Marktplatz in Eitorf bei der Abschlusskundgebung.

Mit Plakaten standen die Menschen auf dem Marktplatz in Eitorf bei der Abschlusskundgebung.

„Wählt keine AFD aus Protest, die Gefahr eines Machtmissbrauchs ist zu groß. Haltet zusammen und erkennt die Feinde der Demokratie“, fuhr Viehof fort. Er dankte Sandra Krautscheid von den Grünen für die Organisation der Gegendemonstration.

„Wir zeigen klare Kante für ein buntes Miteinander“, sagte Alexander Jüdes von der SPD

„Wir sind die Mehrheit und wir sind stark, weil wir entschlossen sind, dass unser Land nach 1945 kein zweites Mal zerstört wird“, sagte SPD-Fraktionschefin Sara Zorlu, die gemeinsam mit dem Vorsitzenden des SPD-Ortsvereins, Alexander Jüdes, eine Rede auf dem Marktplatz hielt. „Hier ist unsere Heimat, unser Zuhause und wir lassen uns nicht vertreiben“, rief sie. Jüdes ergänzte: „Wir bleiben laut gegen Ausgrenzung und zeigen klare Kante für ein buntes Miteinander“.

Zwei Frauen und zwei Männer halten Plakate und Fahnen in die Höhe.

Aus Asbach waren Gernot und Daniel Feld mit den „Omas gegen Rechts“ angereist.

Für eine geordnete Migration warb Dirk Gabriel, Vorsitzender des CDU-Gemeindeverbandes Eitorf. „Die, die glauben, Probleme würden durch Migranten und Ausländer verursacht, wollen auch die vertreiben, die friedlich mit uns zusammenleben“, so Gabriel. „Diejenigen wollen wir zum Nachdenken anregen, weil es auch anders geht. Diese Verfassungsfeinde von der AfD aber können wir nicht abholen, das sind verlorene Seelen“, so der Gemeindeverbands-Vorsitzende weiter.

Aus dem Kreis Neuwied waren Daniel Feld und sein Vater Gernot gekommen: „Wir sind hier, um ein Zeichen gegen den Faschismus in der Region zu setzen“, sagte der 28-Jährige. Sein Vater fügte hinzu: „Bei uns gab es auch schon mal eine Demo, das war aber eher eine stille Mahnwache. Es war gut, dass es so laut war, besonders, als Herr Beckamp mit dem Megafon herauskam.“ Dass die Polizei die AfD-Angehörigen schützte, findet der 62-Jährige richtig. „Die freie Meinungsäußerung gilt ja auch für die, aber die glauben ja, sie hätten das alleinige Recht, ihre Meinung zu haben. Das haben wir aber auch– und die Mehrheit wird jetzt wach!“