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Abenteuerliche AusreiseHausärztin aus Hennef holte Familie aus Afghanistan

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Dr. Dagmar Smarsly aus Hennef hat Latifa Shamriz (3.v.l.) und Familie nach Bonn geholt.

  1. Rückblick 2021: Bei diesem Bericht handelt es sich um einen Text aus dem Archiv, der unsere Leserinnen und Leser besonders interessiert hat. Er wurde zum ersten Mal am 21. Oktober 2021 veröffentlicht.

Hennef/Bonn – Es ist geschafft, Latif Shamriz und ihre Familie sind aus Afghanistan herausgekommen und inzwischen in Deutschland angekommen. Die Deutschlehrerin in einer Mädchenschule hatte nach dem Einmarsch der Taliban in Kabul verzweifelt versucht, das Land zu verlassen.

Sie hatte viel mit deutschen Lehrerinnen gearbeitet, unterrichtete nicht nur Sprache, sondern auch westliche Kultur. So geriet sie ins Visier der neuen Machthaber. Die hatten die Computer ihrer Schule beschlagnahmt und ihre Daten gesammelt.

Bei Ausreise aus Kabul im Stacheldraht hängen geblieben

Ihre Reise gestaltete sich abenteuerlich. Am 15. August verließen sie ihr eigenes Haus und versteckten sich bei Geschwistern, die in der Nähe des Flughafens wohnten. Im Choas der ersten Tage versuchte Latifa Shamriz einen Platz im Flugzeug zu ergattern, vergeblich. Sie wurde mit Waffen bedroht, blieb im Stacheldraht hängen und mit Tauen geschlagen, konnte aber in die Wohnung zurückkehren.

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In der Nacht reiste die Familie von Kabul zur pakistanischen Grenze, wo sie am Morgen das Nachbarland zu Fuß betreten konnte. Ein Durchgangsvisum ebnete den Weg.

Sie kam zwar auf verschiedene Listen, sowohl des Auswärtigen Amtes wie der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Aber nach der Explosion am Flughafen war der Luftweg versperrt.

Ärztin aus Hennef organisierte Hilfsaktion

Wochen lang versteckte sie sich. Von Deutschland aus wurde eine Hilfsaktion organisiert. Insbesondere Dr. Dagmar Smarsly, Hennefer Hausärztin, wirbelte und vernetzte, sprach Politiker aller Couleur an und sammelte Spenden. Sie schaltete auch eine Kölner Anwältin ein, Schreiben wurden hin- und hergeschickt.

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Shamriz machte weitere schlimme Erfahrungen. Als sie eine Bescheinigung von ihrer Schule holen wollte, schickten sie andere Lehrerinnen weg mit dem Hinweis: „Du bringst uns in Gefahr.“ Doch die Bemühungen hatten schließlich Erfolg. Am 13. September kam die Einladung zu einem Gespräch in der deutschen Botschaft am 23. September. Weil die Verwaltungswege kompliziert waren, musste sie am 29. September ein weiteres Mal dorthin, erhielt dann aber alle Papiere und die Aufenthaltszusage für Deutschland.

Ausreise auf eigene Kosten

Der Deal aber war, dass sie auf eigene Kosten ausreisen musste. Anfang Oktober verließ die Familie um 3 Uhr das Haus ihrer Eltern, um an die pakistanische Grenze zu fahren. Sie hatte Angst vor Nachbarn, dass sie sie verraten würden. Zu Fuß erreichten sie die Grenze, wo pakistanische Soldaten sie empfingen. In die Pässe kamen Stempel, die Behördengänge verliefen reibungslos.

Lehrer-Ehepaar aus Kabul

Latifa Shamriz hat 17 Jahre lang an der Mädchenschule in Kabul unterrichtet. Sie ist mit Habubullah Wafa verheiratet, der 49-Jährige ist auch Lehrer. Sie verdienten jeweils etwa 100 Euro im Monat. Er arbeitete nebenbei als Schneider, um das Einkommen aufzubessern. Nach der Machtübernahme der Taliban durfte er keine Kleider mehr für Frauen nähen. Damit entfiel das Zubrot, zudem wurden die Gehälter nicht mehr gezahlt.

Die beiden haben fünf Kinder: die vier Mädchen Sarah, 14 Jahre alt, Somaya (12), Setayesh (9), Hasanat (6) sowie den zwei Jahre alten Sohn Masihullah. Die beiden jüngeren Mädchen haben schon einen Schulplatz. (rvg)

Mit dem Taxi ging es weiter nach Peshawar, doch dort liefen die Frauen nur verhüllt herum, deshalb reisten sie weiter nach Islamabad. Dann ging es Schlag auf Schlag, die Durchgangsvisa erlaubten eine schnelle Abwicklung. Die GIZ übernahm die Flugkosten, am 7. Oktober startete eine gecharterte Maschine nach Hannover.

Familie kommt in Bonn unter

Die erste Zuweisung führte sie nach Baden-Württemberg. Wieder schaltete sich Dr. Smarsly ein und erreichte, dass die Familie nach Bonn kommen konnte. Am 13. Oktober holte sie sie während ihres Urlaubs in Hockenheim ab, um sie in ihrem Haus unterzubringen. Dort leben sie derzeit, haben Arbeitserlaubnis, Steuer- und Sozialversicherungsnummern beantragt, alle notwendigen Anträge gestellt und wollen so schnell wie möglich arbeiten.

Die Kinder wollen in die Schule, sprechen schon jetzt deutsch. In Afghanistan hätten sie ab dem Alter von zwölf Jahren nicht mehr lernen können. Frauen dürfen dort, so Shamriz, nicht mal ein Smartphone besitzen. Jetzt sind sie dankbar für eine neue Zukunft und suchen dringend nach einem Haus oder einer Wohnung.