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Historische BilderSo hat sich der Rhein-Sieg-Kreis verändert – Kelter

Lesezeit 31 Minuten
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Bäume versperren heute den Blick, die Pavillons sind abgerissen. 

Rhein-Sieg-KreisAn dieser Stelle zeigen wir in loser Folge historische und aktuelle Bilder aus dem Rhein-Sieg-Kreis. Die Fotografien dokumentieren, wie sich Orte verändert haben.

Mit Extrazügen kamen sie aus Köln und Siegen, ritten auf „Velocipeden“ (Fahrrädern) entlang der Sieg in den Ort ein: Die Ausflügler, die die Sommerfrische in Eitorf auskosten wollten. Bis zu 4000 Besucher konnten das an einem Wochenende schon sein. Mit Musik und mächtig Rumtata zogen vor allem die feierwütigen Kölner vom Bahnhof über den Markt und um den alten Turm zunächst zur Schützenburg – das ganze Singen machte schließlich durstig – und dann weiter über die Brücke nach Kelters.

Die 1879 eröffnete Gaststätte „Zur schönen Aussicht“ war auf den Ansturm vorbereitet: Der Saal war in besten Zeiten für bis zu 600 Gäste ausgelegt, ein Sommerprogramm mit Theateraufführungen, Auftritten von Festen des Gesangsvereins Concordia Kelters sorgte für Unterhaltung. Abends erstrahlte das Siegufer mit bengalischen Feuern und Feuerwerk – und auch die Gäste ließen es krachen: Polonaise und ein wehmütiges „Muss i denn, muss i denn zum Städtele hinaus...“ gehörten zum Abschiedszeremoniell, wenn um 23 Uhr die Gäste aus Siegen zum Bahnhof zogen und um 24 Uhr die Kölner den letzten Zug bestiegen.

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Fabrikant Julius Gauhe hatte für den Verschönerungsverein den damals noch baumlosen Keltersberg aufgekauft, der Eitorfern und Touristen als Ausflugsziel dienen sollte. Wege wurden angelegt, die Steinklippen des Berges mühsam bepflanzt und zwei Pavillons erbaut, von denen die Fernsicht genossen werden konnte. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden zwar die Wege instand gesetzt und die Pavillons erneuert, doch ein Besuchermagnet wurde der Kelterser Berg nicht mehr.

Auch die markante Brücke mit ihren drei Eisenbögen steht nicht mehr: Sie wurde am 25. März 1945 durch einen Treffer der US-Artillerie zerstört. Die Engländer ersetzten die zwei sofort nach dem Krieg von Kelterser Männern gebauten Notbrücken durch eine stählerne „Bailey-Brücke“, die mit Hilfe auf den Pfeilern montierter Rollen über die Sieg geschoben wurde. Dafür mussten allerdings die auf den Brückenpfeilern liegenden Trümmermassen weggesprengt werden – mit verheerenden Schäden an den Kelterser Häusern.

Die Auferstehungskirche in Siegburg

Selbstverständlich ist der Turm geblieben, ebenso das Kirchenschiff und natürlich auch die mächtige Rotbuche. Das Portal der Auferstehungskirche aber hat ein gründliches Facelifting bekommen, wie die Gegenüberstellung des aktuellen Fotos mit der alten Postkarte zeigt, die uns Leserin Brigitte Hey aus Siegburg zur Verfügung stellte. Auf der Postkarte ist die evangelische Kirche im Jahr ihrer Einweihung 1957 abgebildet, die aktuelle Ansicht zeigt das Kirchengebäude, das 2012 umgestaltet wurde.

Das alte Entree wurde damals abgerissen und für rund 600.000 Euro ein neues Foyer gebaut, für das der Bonner Architekt Paul Martini eine an einen Wintergarten erinnernde Front entworfen hat, die viel Licht auf den ebenfalls neu gestalteten Innenraum wirft. Dort ist der Brunnen aus der Werkstatt des Siegburger Steinbildhauers Markus Weisheit der augenfällige Mittelpunkt.

Von Bomben zerstört

Komplett ungestaltet wurde auch der Vorplatz, wobei die Sorge vor allem der Rotbuche galt, die vermutlich zur Einweihung der 1879 erbauten Stadtkirche gepflanzt wurde und auch deshalb erhalten bleiben sollte.

Von der historischen Kirche lugt in alten Fotografien bisweilen der Turm hinter dem Michaelsberg hervor und beschert dem Stadtarchiv nicht selten Anfragen von verwunderten Neubürgern. Sie erfahren dann, dass Siegburgs erste evangelische Kirche am 28. Dezember 1944 einem Bombenangriff zum Opfer fiel.

Nichts blieb von dem prächtigen Backsteinbau im neugotischen Stil übrig, nur das heute unter Denkmalschutz stehende Gemeindehaus und die Rotbuche blieben verschont. Schon zuvor waren von dem Geläut der drei Glocken die beiden großen als sogenannte „Metallspende“ für die Rüstungsindustrie beschlagnahmt worden, es folgten 1944 die Zinnpfeifen der Orgel. Beim Bombenangriff, bei dem auch große Teile der Abtei auf dem Michaelsberg zerstört wurden, ging auch der Rest des Inventars der evangelischen Stadtkirche in Flammen auf.

Gestühl, Altar, Kanzel, Orgel: Der ganze Stolz der Protestanten von Siegburg war unwiederbringlich verloren. Und fast dreizehn Jahre sollte es dauern, bis nach dem Provisorium eines Kirchensaals am Ostersonntag, 21. April 1957, die Auferstehungskirche eingeweiht wurde – erbaut im modernen Stil der 50er Jahre und exakt auf den Grundmauern der alten Kirche, was denn auch den Namen erklärt: Auferstanden aus Ruinen.

Die Kirche St. Anno

Auf den ersten Blick könnte man glauben, dass die Kirche St. Anno seit den 1950er Jahren, als das Foto auf der Postkarte entstand, unverändert geblieben ist.

Doch das liegt nur an der Perspektive, die den markanten Turm ins Zentrum rückt, nicht aber das Kirchenschiff.

Im Jahr 1968 musste der alte Bau wegen auftretender Bauschäden geschlossen und wenig später abgerissen werden. Im Zweiten Weltkrieg hatte ein schwerer Artillerietreffer das Gotteshaus beschädigt.

1969 entschloss sich die Pfarrgemeinde zur Beauftragung eines modernen Neubaus, bei Erhaltung des 76 Meter hohen Kirchturms.

Die Homepage der Gemeinde St. Servatius, zu der die Kirche heute gehört, beschreibt einen Grundriss von 26 mal 31 Metern, der Platz für 400 Bankplätze bietet, die an drei Seiten rund um den alten Altar angeordnet sind.

Der Altaraufsatz der alten Kirche konnte wieder aufgestellt werden.Der Entwurf stammte von dem Kölner Architekten Werner Fritzen.

1972 war die Grundsteinlegung, am 1. Dezember 1973 konnte Einweihung mit dem Kölner Kardinal Joseph Höffner gefeiert werden.Nach Darstellung der Servatiusgemeinde begann die Geschichte der Kirche St. Anno auf einem „sumpfigen und deshalb fast noch unbebautem Weihergelände“: Ende des 19. Jahrhunderts wuchs die Bevölkerung im nördlichen Siegburg stark, als das Königliche Feuerwerks-Laboratorium gebaut wurde.

1906 wurde der Grundstein gelegt, die Kirche im Stil der Neugotik am 10. Juli 1910 geweiht. Den Hochaltar stiftete das Ehepaar Jean und Scholastika, das am Siegburger Markt ein Textilhaus führte.Die Postkarte stammt aus dem Fundus unserer Siegburger Leserin Elke Rheineck.

Die vom Fotografen in den 50er-Jahren gewählte Perspektive, der sich weit von seinem Motiv entfernen konnte, ist heute in dieser Form nicht mehr möglich: Denn die Wohnhäuser entlang der Weierstraße verstellen den Weg.

Die aktuelle Aufnahme der Kirche St. Anno wurde aus einem dieser Häuser heraus gemacht.

Auf dem Siegburger Marktplatz scheint die Zeit stehengeblieben

Fast scheint es, als wäre die Zeit stehengeblieben. Nur in Details unterscheidet sich die historische Ansicht, die uns Elke Rheineck zusandte, von der aktuellen Aufnahme unseres Fotografen.

Was nicht wundert: Der Siegburger Marktplatz hat sich in seiner Ausdehnung seit der Stadtgründung vor 952 Jahren kaum verändert: Hier, im Schatten der in Teilen aus dem 11. Jahrhundert stammenden Servatiuskirche, ist der Atem der Geschichte zu spüren. Und doch lässt sich das alte Foto in die 50er Jahre einordnen.

Darauf deuten nicht nur die am Rand abgestellten Autos hin, die vom beginnenden Wirtschaftswunder nach dem Zweiten Weltkrieg künden.

Das lässt vor allem „Schängs Büdchen“ vermuten, wie die Siegburger den Marktkiosk nannten, der mittlerweile im Stadtmuseum zu Ehren gekommen ist – in jenem klassizistischen Gebäude auf der rechten Bildseite.

Als die historische Aufnahme gemacht wurde, musste das Haus noch ohne den auffälligen Portikus auskommen, den Architekt Hartmut de Corné 1990 vor das Portal setzte. Im Innern hat er das Haus, in dem der Komponist Engelbert Humperdinck geboren wurde, zu einem modernen Museum umgestaltet.

1825 war das „Humperdinckhaus“ als städtische Lateinschule, einem Vorgänger des Gymnasiums, auf den Grundmauern des mittelalterlichen Rathauses erbaut worden. Nach Kriegszeiten Ende des 18., Anfang des 19. Jahrhunderts war das alte Rathaus längst zu einer Ruine verfallen und die wenigen Überreste abgerissen worden. Bis 1933 wurde im Humperdinckhaus Latein gebüffelt, dann zog das Gymnasium in die heutige Humperdinckstraße um, während sich am Markt das Amtsgericht niederließ.

Mit dem Neubau in der Neue Poststraße machte die Justiz 1979 Platz für den Fiskus. Einzelne Abteilungen des Finanzamtes zogen ein, bevor die Stadt 1986 das Gebäude erwarb und darin am 19. Mai 1990 ihr Museum eröffnete.

In dem sind die teils aus dem 13. und 14. Jahrhundert stammenden Fundamente des historischen Rathauses, die beim Umbau freigelegt und in Szene gesetzt wurden, ein echter Hingucker.

Aber die Fassade des Hauses, die nach mehreren Umbauten bis 1907 entstand, blieb, abgesehen von den Dachgauben, bis heute weitgehend unverändert – als wäre die Zeit . . . (Günter Willscheid)Wer alte Fotos hat, die er in unserer Serie zeigen möchte, kann uns das Motiv per Post (Neue Poststraße 15, 53721 Siegburg) oder E-Mail zukommen lassen.redaktion.rhein-sieg@ksta-kr.de

Evangelische Grundschule an der Troisdorfer Viktoriastraße

Handwerker und Baugerüste sind in der Geschichte der evangelischen Grundschule an der Viktoriastraße ein häufiger Anblick: Wiederholt musste das Gebäude erweitert werden, um Platz zu schaffen für eine wachsende Zahl von Jungen und Mädchen, die hier unterrichtet wurden.

Die Wurzeln der Schule liegen im Stadtteil Friedrich-Wilhelms-Hütte, wie die vom Troisdorfer Historiker Helmut Schulte für eine Publikation in den Heimatheften ausgewertete Chronik verrät, die im Jahr 1874 beginnt.

1898 aber verfügte die Regierung in Köln den Bau des neuen Schulhauses an der Viktoriastraße – mit zwei Klassen und Lehrerwohnung –, wo im April 1900 der Unterricht begann. „Dass es eine Stätte sein möge“, so zitierte der inzwischen verstorbene Helmut Schulte aus der Chronik den Lehrer Klees, „wo echte Gottesfurcht, Ehrfurcht vor Eltern und Vorgesetzten, Achtung vor den Mitmenschen, Liebe zum Vaterland und Treue zum angestammten Herrscherhause gepflegt werden möge“.

Ein erster Anbau wurde schon im Jahr 1910 erforderlich und im Oktober 1911 eröffnet. 1926 besuchten 217 Jungen und Mädchen die Schule, die im Zweiten Weltkrieg „von allen Schulen des Ortes am meisten gelitten hatte“, wie abermals die Chronik festgehalten hatte.

Im September 1947 konnte dort wieder unterrichtet werden, 1950 und 1953 folgten weitere Ausbauten: Zehn Lehrerinnen und Lehrer waren damals hier tätig. Auch 1959 wurde noch einmal umfänglich erweitert.

Im Sommer 2011 beschloss der Stadtrat wegen Mangels an Schülern die Schließung der Schule am bisherigen Standort; 2013 zogen die letzten Klassen aus, weiter ging es in der bis dato katholischen Alfred-Delp-Grundschule an der Matthias-Langen-Straße. Unterrichtet wurde aber zeitweilig auch noch an der Viktoriastraße: Die städtische Musikschule nutzte Räume.

Derzeit wird die geschichtsträchtige Immobilie umgebaut, die Gesellschaft der Gemeinnützigen Franziskanerinnen zu Olpe (GFO), Träger unter anderem der Krankenhäuser in Sieglar und Troisdorf, investiert nach eigenen Angaben rund 2,5 Millionen Euro in das Haus und wird ein Hospiz eröffnen.

Das Eitorfer „Theater am Park“

Am 1. Mai 1938 wurde der Grundstein zum heutigen „Theater am Park“ gelegt, als HJ-Heim. Ein Jahr später war das Gebäude fertiggestellt.

Doch außer am Nachmittag fanden die geplanten HJ-Veranstaltungen kaum statt. Es gab dringenden Bedarf an einem Schulgebäude, und 1943 zog das Gymnasium aus Asbacher Straße hier ein.Im Zweiten Weltkrieg wurde die Turnhalle zum Schlafsaal für durchziehende Truppen, Ausgebombte und Flüchtlinge umfunktioniert.

Nach der Zerstörung des Rathauses waren zeitweise auch Gemeindeverwaltung und Polizei in dem Gebäude untergebracht, bevor im November 1945 die Schüler des Gymnasiums zurückkehren konnte.

Der Reichsadler über der Bühne: Das heutige Theater war 1938 als Heim für die Hitlerjugend (HJ) gebaut worden.

Bis 1968 wurde der Bau als Schulhaus genutzt. Mit seinen 366 Plätzen im Saal und dem Foyer dient das Theater am Park als Spielstätte für Konzerte, Theater und Kabarett. Auch Trauungen sind im Foyer möglich.

Nachdem im Rahmen des Städtebau-Projekts „Regionale 2010“ der Vorplatz neu und mit einem Wasserspiel gestaltet wurde, soll das Theater am Park bei der Sanierung des Kernorts in den nächsten Jahren als Kulturzentrum mit Café ausgebaut werden. (seb)

Als die Bahn durch Siegburg fuhr

„Jet bliev“ sagt der Rheinländer: Etwas bleibt. Das gilt nicht zuletzt für die Kaiserstraße in Siegburg. Wer die historische Ansicht, die uns Leserin Elke Rheineck aus Siegburg zusandte, mit dem aktuellen Foto vergleicht, muss schon genau hinsehen, um Unterschiede zwischen einst und jetzt zu entdecken.

Allenfalls der Wandel im Handel wird da offenbar. Den kleinen Tante-Emma-Laden, rechts im Bild, wo die Kaiserstraße in die Luisenstraße übergeht, gibt es schon lange nicht mehr.

Auch in dem Geschäftshaus mit „runder Ecke“ auf der linken Seite wechselten immer wieder die Branchen im Ladenlokal.

Mal hatte dort ein Autohändler seinen Ausstellungsraum, mal ein Matratzengeschäft, und derzeit ist dort ein Kiosk untergebracht. Die prächtigen Fassaden der Gründerzeithäuser aber haben die Jahrzehnte überdauert und unterstehen mittlerweile einer Erhaltungssatzung.

Ende des 19. Jahrhunderts wurden die Häuser gleichsam aus dem Boden gestampft. Mit der Ansiedlung der Königlich Preußischen Geschoßfabrik 1875 und später des Königlich Preußischen Feuerwerkslaboratoriums, die zeitweise bis zu 4000 Arbeiter beschäftigten, schnellte die Einwohnerzahl in die Höhe und musste gleichsam über Nacht neuer Wohnraum geschaffen werden.

„Neuer Weg“ hieß die prächtige Straße zunächst, die erst mit der Kaiserproklamation 1871 in Kaiserstraße umbenannt wurde. Und über die rollte denn auch tatsächlich am 16. Oktober 1913 die Staatskarosse mit Kaiser Wilhelm II. an Bord.

Während die Hausfassaden nach wie vor an Siegburgs Blütezeit erinnern, ist ein eher unauffälliges Relikt vergangener Zeiten mittlerweile aus dem Straßenbild verschwunden.

Mit der Lupe betrachtet, sind auf dem historischen Foto noch die Schienen des Rhabarberschlittens zu sehen.

So nannte der Volksmund die Kleinbahn, die von Siegburg an Rhabarberfeldern vorbei bis Zündorf führte. 1914 wurde die Straßenbahn eröffnet, die dann ab den 1950er Jahren immer mehr vom Omnibus- und Individualverkehr verdrängt wurde.

Für Autofahrer geriet die Kleinbahn zum lästigen Übel, zeitweise waren Passanten in der Kaiserstraße zu Fuß schneller als die Bahn. So wurde sie dann im August 1965 aufs Abstellgleis gestellt, nur die Strecke zwischen Lülsdorf und Troisdorf dient heute noch dem Güterverkehr.

Die Schienen im Siegburger Asphalt brachten noch lange manchen Radfahrer, wenn er mit seinen Reifen hineingeriet, ins Schleudern, während die Personenwagen mit Holzaufbauten auf einem Feld bei Eschmar verbrannt wurden.

Übrig blieb vom Rharbarberschlitten eine Achse, die im Stadtmuseum ausgestellt ist.Wer alte Fotos hat, die er in unserer Serie zeigen möchte, kann uns das Motiv per Post (Neue Poststraße 15, 53721 Siegburg) oder E-Mail zukommen lassen.redaktion.rhein-sieg@ksta-kr.de

Das Troisdorfer Aggerwehr

„Pack die Badehose ein“, warb Cornelia Froboess 1951 für das Baden im Berliner Wannsee. Am Aggerwehr zwischen Troisdorf und Siegburg wurde schon Jahrzehnte zuvor geplanscht – auch ohne offiziell eingerichtete Badeplätze, wie Kreisarchivarin Dr. Claudia Arndt unter Berufung auf eine Polizeiverordnung aus dem Jahr 1890 sagt.

Von „Auswüchsen bei Ausübung des Rudersports in der Agger“ ist 1918 die Rede; in einem Beitrag für das Jahrbuch des Rhein-Sieg-Kreises zitiert Dr. Arndt den damaligen Bürgermeister Wilhelm Klev, der das Baden zwischen Haus Ulrath und dem Aggerdeich nur männlichen Personen gestatten wollte, die zudem wenigstens eine Badehose tragen sollten.

Jugendliche unter 15 Jahren bräuchten zum Befahren der Agger eine Begleitperson, bei Hochwasser die Fahrt auf dem Fluss ganz verboten werden.Landrat Hermann Strahl wollte 1922 getrennte Badeplätze für Männer und Frauen anordnen, bat dafür den Bürgermeister Troisdorfs um Vorschläge.

Dass der Fluss nur an wenigen Stellen durch öffentliche Wege zu erreichen sei, gab der unter anderem zur Antwort. Tafeln der Ordnungsbehörden sollten daher aufgestellt werden, damit die Badegäste nicht durch die Wiesen trampeln und Schaden anrichten konnten.

Im Widerstreit zwischen Erholungsdruck und den Belangen der Natur stand das Baden an der Agger schon immer: Mit Strandtüchern fischten die Besucher die Agger ab, sie zerstörten die Fischbrut, beklagte ein Beschwerdeschreiben des Kölner Angelsportvereins von 1925 an den Siegburger Bürgermeister, das abermals Claudia Arndt ausfindig gemacht hat.

„Im Naturschutzgebiet ist das Verlassen der Wege nicht erlaubt“, stellte schon vor Jahren Bernd Zimmermann klar, Leiter des Amtes für Natur- und Landschaftsschutz des Rhein-Sieg-Kreises. Entsprechende Schilder weisen seit 2009 auf die Bedeutung der Agger für die Wanderfische hin, die Störungen durch Badegäste gar nicht gut vertragen.

Bereits 2008 wurde auf der Siegburger Seite des Flusses ein künstlicher Wildbach errichtet; die 700 000 Euro teure Umgehung erschließt den Fischen weitere 30 Kilometer Fluss. Erlaubt ist daher das Baden und Lagern nur oberhalb des Wehres auf Troisdorfer Seite.

Und das dient nicht nur dem Schutz der Tiere, sondern auch der Sicherheit der Menschen. „Das Baden ist da nicht ungefährlich“, betonen Verwaltung und DLRG immer wieder neu.

Wer alte Fotos hat, die er in unserer Serie zeigen möchte, kann uns das Motiv per Post (Neue Poststraße 15, 53721 Siegburg) oder E-Mail zukommen lassen.redaktion.rhein-sieg@ksta-kr.de

Legendäres Böltalbähnchen

Züge fuhren einst vorbei am legendären Huwil-Werk über die Bröltalstraße talaufwärts Richtung Waldbröl. Bis heute tritt alten Ruppichterothern ein seltsamer Glanz in die Augen, wenn sie vom legendären Brölbähnchen erzählen.

Deutschlands älteste Schmalspurbahn hatte keine eigene Trasse wie andere Bahnstrecken. Sie verlief vielmehr entlang der Bröltalstraße, wie das alte Bild aus den 1920/30er Jahren deutlich zeigt. Talaufwärts gesehen links steht ein mit Holz beladener Güterzug vor den Lagerschuppen, hinter denen sich Sankt Severin erhebt.

Im Hotel, dessen Giebel zu sehen ist, seien 1934 politisch „unsichere Personen“ untergebracht worden, die dann bei so genannten Notstandsarbeiten eingesetzt worden seien, berichtet unser Leser Wolfgang Eilmes.

Rechts sei das Wohnhaus der Familie Willach zu sehen, das spätere Verwaltungsgebäude der Firma. Daran schlössen sich das Haus des ehemaligen Bürgermeisters Eugen Bauer und die kaiserliche Post an, so berichtet Eilmes weiter.

Der Ruppichterother Bahnhof ist rechts im Hintergrund zu sehen. Eilmes vermutet, dass Gerüste am Ende der Straße mit dem Bau des Hauses Schorn zu tun gehabt haben könnten.

Von den einstigen Gleisanlagen ist heute links der Bröltalstraße nur noch ein kurzes Stück zu sehen, das die Ruppichterother vor wenigen Jahren wieder fast am original Schauplatz montiert haben, natürlich genau im Abstand von 2,4 Fuß, 785 Millimetern.

Die Fabrikgebäude sind in den vergangenen Jahren dem neuen Huwil-Center mit seinen Läden und Discountern gewichen.

Auf der Bröltalstraße wäre längst kein Platz mehr für das Bähnchen gewesen, das mit maximal 35 Kilometern pro Stunde 1954 zum letzten Mal durchs Bröltal schnaufte.Wer alte Fotos hat, die er in unserer Serie zeigen möchte, kann uns das Motiv per Post (Neue Poststraße 15, 53721 Siegburg) oder E-Mail zukommen lassen.redaktion.rhein-sieg@ksta-kr.de

Lesen Sie auf der nächsten Seite: So wurde früher in der Sieg gebadet.

Baden an der Sieg

Ein Sündenpfuhl waren wohl in den 1920er-Jahren die Aggerauen bei Wahlscheid.

So heißt es in einem Brief von damals: „An jeder möglichen und unmöglichen Stelle wird teilweise im einfachsten Adamskostüm stundenlang herumgeplantscht.Und nur zu oft sieht man, wie von grasgrünen kaum der Schule entlassenen Menschen beiderlei Geschlechts der Zeugungsakt in gemeinster Weise erniedrigt wird.“

Das Zitat stammt aus einem Beschwerdeschreiben des Kölner Angelsportvereins vom 12. Juni 1925 an verschiedene Bürgermeister im Siegkreis. Ein Exemplar davon, das an den Siegburger Bürgermeister Robert Becker ging, hat Kreisarchivarin Claudia Maria Arndt ausgegraben.

Ihr Beitrag „Streiflichter zum Badebetrieb und Schwimmen in der Agger“ im Jahrbuch des Rhein-Sieg-Kreises 2016 ist je nach Sichtweise amüsant oder erschreckend.Letzteres bestimmt für Umweltschützer.

So schrieb Landrat Eduard Wessel (1924-1933), dass „nach allgemein übereinstimmenden Aussagen die Zahl der Badenden an heißen Sonntagen ungefähr 30 000 beträgt“. Die meisten waren Ausflügler aus Köln, die hauptsächlich an den damaligen Bahnhöfen Honrath, Bachermühle und Wahlscheid ausstiegen.

Nach Lohmar kamen außer den Einheimischen auch viele Ausflügler aus Köln.

Wie er auf die Zahl kam, ist unbekannt. Zum Vergleich: Die Gesamtzahl der Einwohner in der heutigen Stadt Lohmar beträgt ebenfalls 30.000. Beklagt wurde, dass „große Flächen hohen Grases zur Tenne zerstampft oder in wenigen Minuten glatt gewalzt, Äste, Sträucher und Blumen abgerissen werden“.

Das war bei der damals noch recht üppigen Natur schon ein Ärgernis, und wäre heute ein Graus für jeden Umweltschützer.

Schon 1918 hatte der Troisdorfer Bürgermeister Wilhelm Klev nach einer Beschwerde eine Polizeiverordnung angeregt, dass Baden nur männlichen Personen erlaubt sein solle, und Badegäste wenigstens mit einer Badehose bekleidet sein müssten.

Vier Jahre später erst, im Mai 1922, bat Landrat Hermann Strahl (1917-1924) für eben jene Polizeiverordnung den Bürgermeister Klev, ihm mitzuteilen,„an welchen Orten den männlichen und an welchen Orten den weiblichen Personen das Baden gestattet sein soll“.

Einiges los war Anfang des Jahrhunderts im Luftkurort Lohmar an und in der Agger.

Der Lohmarer Bürgermeister Ludwig Eduard Heinrich Achim Polstorff sah die Angelegenheit wohl nicht ganz so eng, schränkte aber in einem Schreiben an den Landrat zum Baden an der Agger vom November 1922 unter Berufung auf Zeitungsberichte ein: „Es soll dort nach Mitteilung von unfreiwilligen Zeugen nicht immer ganz anständig hergehen.“

Früher galt das Schwimmen als „bäuerisch und pöbelhaft“ und beschränkte sich lange auf die unteren Schichten. Sie mussten dafür in die freie Natur, an Bäche, Flüsse, in Seen und in Teiche, Schwimmbäder gab es ja noch nicht.

Anders war es in großen Städten wie Frankfurt, Berlin, Bremen oder Nürnberg, wo Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts Flussbäder in Ufernähe öffneten, wo die bürgerlichen Schichten nach Geschlechtern getrennt in Schwimmkäfigen badeten.

Die ärmere Bevölkerung konnte sich meist den Eintritt nicht leisten. Erst mit der auch staatlicherseits gewünschten größeren Hygiene und Volksgesundheit sowie der größeren Verbreitung des Sports gelang dem Schwimmen im 20. Jahrhundert der Aufstieg zum Volkssport. Auch im Siegkreis.

Erste öffentliche Badeanstalt in Siegburg

In Siegburg sind 1896 die ersten beiden öffentlichen Badeanstalten an der Sieg bekannt. An der Agger im gesamten Gebiet der heutigen Stadt Lohmar wurde dagegen noch wild gebadet.

In Siegburg gab es 1896 die ersten beiden öffentlichen Badeanstalten an der Sieg.

In Troisdorf gründete sich 1922 der Verein „Freunde des Wassersports“. Ab 1924 bemühte er sich um „die Einrichtung einer transportablen Schwimmbadstation“, die im Sommer aufgebaut werden sollte. Die Vereinsbemühungen mündeten 1938 im Bau eines Freibads in Troisdorf.

In den 20er- und 30er-Jahren gab es aufgrund der oben beschriebenen Klagen ausgewiesene Badestellen an Agger und Sieg, die nicht immer beachtet wurden. Aber aufgrund der Polizeiverordnung des Landrats wurde verstärkt kontrolliert.

Schließlich meinte der Wahlscheider Bürgermeister Max Koch, durch die Verordnung seien „die früheren Auswüchse des Badebetriebs“ beseitigt worden. (Markus Caris)

Haus Unkelbach

Als Heinz Messow 1992 das Fachwerkhaus in Irlenborn entdeckte, da brauchte es schon Fantasie, um das Schmuckstück zu erkennen, das „Haus Unkelbach“ heute ist. „Es sah desolat aus“, erinnert er sich.

„Aber ich habe die Substanz gesehen.“ Das 1300 Quadratmeter große, verwunschene Grundstück trug einiges dazu bei, dass sich das Ehepaar, das von Lülsdorf aufs Land wollte, verliebte.

Ans Goethehaus in Weimar fühlten sie sich erinnert, „mit den vielen kleinen Zimmern, treppauf, treppab“. 250 Quadratmeter Wohnfläche, 17 Zimmer: Das schrie geradezu danach, das „Haus Unkelbach“, das um die vorige Jahrhundertwende als Unterkunft für Kölner Sommerfrischler angeboten wurde, wieder seinem alten Nutzungszweck zuzuführen.

Die mittlere Etage wurde mit gesondertem Eingang und Balkon als Ferienwohnung eingerichtet; sie ist in die Liste der „Qualitätsgastgeber Sieg“ aufgenommen.

Immer wieder, berichtet Messow, werde er von älteren Eitorfern angesprochen, die als Dienstmädchen in der Pension gearbeitet oder kuriose Geschichten über das Haus zu erzählen hätten.

Von seinem Nachbar bekam er eine Postkarte von 1905, auf der die Schwestern Unkelbach, die mit der Kölner Brauerfamilie verwandt waren, vor ihrem Haus stehen. Die Erholungssuchenden relaxen im Liegestuhl.

Auf Wellness wurde großen Wert gelegt: Fast alle Zimmer hatten schon fließendes, wenn auch kaltes Wasser. Rechts vom Haus befand sich eine Liegehalle im ehemaligen Schweinestall.

Im Zweiten Weltkrieg, so wird erzählt, sollen die Kölner Verwandten der Schwestern in der Pension Zuflucht gesucht haben. Nachprüfen lässt sich das nicht mehr, wie Messow bedauert: „Ich habe in den 90er-Jahren versucht, Kontakt mit der Brauerei-Familie aufzunehmen. Als ich den Brief abschicke, hörte ich aber, dass die alten Leute gestorben sind.“

Bahnverkehr in Siegburg

Unter Volldampf schnauft der Personenzug über die Unterführung an der Bonner Straße.

Der Seufzer war selbst im Preußischen Abgeordnetenhaus in Berlin nicht zu überhören.

„Früher“, schrieb Siegburgs Bürgermeister Carl Plum, „konnte das bessere Publikum, ohne erheblichem Gedränge ausgesetzt zu sein, den Bahnsteig erreichen.“

Doch mittlerweile sahen sich die feinen Leute vom Heer der Fabrikarbeiter umzingelt, die zu ihren Arbeitsplätzen in der Königlich Preußischen Geschossfabrik und dem Königlich Preußischen Feuerwerkslaboratorium strömten.

Die Rüstungsindustrie schleuderte die kleine Stadt gleichsam ins 20. Jahrhundert. Innerhalb weniger Jahre schnellte die Einwohnerzahl von 4000 auf 7500 in die Höhe. Hinzu kam der „große Arbeiterverkehr“ von 4000 Beschäftigten der Rüstungsindustrie.

„Gewaltiger Verkehr im Bahnhof“

„Sie sehen, welch ein gewaltiger Verkehr“ im Bahnhof herrsche, machte am 15. April 1902 auch der Siegburger Abgeordnete Dr. Karl Georg Becker in einer Rede vor dem Abgeordnetenhaus auf den „Zustand der Bahnhofsanlagen“ aufmerksam. Die seien „unhaltbar“ und „Abhilfe dringend erforderlich“.

Zwar erreichte er im Tauziehen mit der Preußischen Regierung keinen Neubau, aber immerhin eine Erweiterung mit separaten Zugängen für die bessere Gesellschaft und jene, die sich nur Billetts der dritten und vierten Klasse, damals spöttisch „Holzklasse“ genannt, leisten konnten.

Neues Zeitalter

Bereits 1859, mit dem Anschluss an das Netz der Cöln-Mindener Eisenbahngesellschaft und der Jungfernfahrt am 1. Januar bis Hennef, hatte auch für Siegburg das neue Zeitalter begonnen, erinnert Stadtarchivarin Dr. Andrea Korte-Böger in der neuen Ausgabe der Siegburger Blätter, die der Geschichte der Bahnhöfe der Kreisstadt gewidmet ist.

Der – nennen wir ihn – „Hauptbahnhof“ am heutigen Europaplatz war der erste und schon damals der wichtigste. Er ist es erst recht, seit er 2002 zum ICE-Haltepunkt avancierte.

Dass auch dem ein zähes Tauziehen vorausging, schreibt die Stadtarchivarin nicht. Dafür ist sie voll des Lobes für das von Architekt Hartmut de Corné entworfene Bahnhofsgebäude, das sie „modern und architektonisch herausragend“ nennt.

Freilich war auch das Gebäude aus dem 19. Jahrhundert repräsentativ mit barockem Portal und Rundbogenfenstern gestaltet. Im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt, wurde das Gebäude jedoch nur notdürftig repariert und geriet in der Folgezeit zusehends zum Schandfleck.

Zur 900-Jahr-Feier der Kreisstadt 1964 drängten die Stadtväter denn auch auf einen Abriss des alten Bahnhofs und einen Neubau, der dann, wenn auch mit Verspätung, am 6. August 1965 eingeweiht wurde.

Freilich missfiel den Siegburgern der Schuhkarton, der jeden architektonischen Anspruch vermissen ließ. „Sparen steht an erster Stelle“, verteidigte sich die Bundesbahndirektion Köln gegen die Kritik aus Siegburg.

Tor zum Aggertal

Das neue, ungeliebte Tor zur Stadt prägte keine 40 Jahre das Bild im Bahnhofsviertel. Hingegen präsentiert sich das Tor zum Aggertal heute noch so prächtig wie 1907, als der Nordbahnhof erbaut wurde. Hier, an der Kronprinzenstraße, machte die liebevoll „Luhmer Grietche“ genannte Aggertalbahn Station, die 1883/84 ihren Betrieb aufnahm.

In den 1980er-Jahren wurde das Bahnhofsgebäude, das unter Denkmalschutz steht, für Wohn- und Bürozwecke umgebaut und in den letzten Jahren erneut aufwendig restauriert.Denkmalschutz hätte auch den Bröltalbahnhof auf der Zange retten können, doch ist er längst der Spitzhacke zum Opfer gefallen.

Dabei war er Verkehrsknoten einer von Fachleuten wegen ihrer Technik und Wirtschaftlichkeit oft bewunderten Kleinbahn. Nur halb so breit wie die Normalspur war das Gleisbett der Schmalspurbahn, die am 1. Mai 1899 die „Brölthaler Eisenbahn Aktien-Gesellschaft“ mit Sitz in Hennef eröffnete.

Vor allem diente die Bahn dem Gütertransport von Erz aus dem Bröltal, Tonprodukten aus dem Pleistal und Basalt aus dem Westerwald. Siegburg-Zange war Umschlagplatz von der Schmal- auf die Normalspur der Reichsbahn, und mehr noch: Der kleine Bröltalbahnhof geriet zum Tor in die Sommerfrische. Erholungssuchende reisten von Siegburg-Zange aus in den Westerwald, um „auf Wanderungen in vermeintlich noch unberührter Natur neue Kräfte zu schöpfen“, so die Autorin.

Unter Volldampf schnauft der Personenzug über die Unterführung an der Bonner Straße.

Den Umstand nutzte das Management der „Brölthaler Eisenbahn“ denn auch geschickt für Eigenwerbung, ebenso Restaurationsbetriebe und Hotels. Zum gesellschaftlichen Treffpunkt geriet unterdessen die Bahnhofsgaststätte, die von Fritz Hardung geführt wurde.

Die ganze Familie war musikalisch begabt und bot an den Wochenenden, bisweilen von Gästen unterstützt, fröhliche Unterhaltung inklusive Tanz. Im Bahnhof, so Korte-Böger, „ging die Post ab“. (Günter Willscheid)Die Siegburger Blätter, Band 56, sind gegen eine Schutzgebühr von vier Euro unter anderem im Historischen Archiv, Rathaus, Nogenter Platz, erhältlich.

Die Reichensteiner Mühle

Aus Much hat Leserin Elisabeth Diederichs eine historische Postkarte und ein aktuelles Bild für unsere Serie „Einst und jetzt“ eingesandt. Die Bilder zeigen die Reichensteiner Mühle.

Sie ist als Getreidemühle an diesem Standort in Much seit 1670 nachgewiesen, das haben Historiker des Landschaftsverbands recherchiert. Es gibt nach ihren Erkenntnissen sogar Belege für einen Wirtschaftsbetrieb aus dem Jahr 1301, doch war dabei nicht ausdrücklich von einer Mühle die Rede. Sie war die sogenannte „Grafenmühle“ des Hauses Reichenstein.

In seiner heutigen Form ist das Mühlengebäude vermutlich vor dem 19. Jahrhundert entstanden, später wurde die Anlage um einen Mittelbau, einen Saal und weitere Gebäudeteile erweitert.

Schon seit etwa 1930 war die Reichensteiner Mühle nicht mehr nur Getreidemühle, sondern auch Ausflugsziel und Lokal.

1909 kaufte Martin Ludwig, der aus einer Müllerfamilie im Bröltal stammte, das Anwesen. Der Großvater von Elisabeth Diederichs hatte acht Töchter.

Eine davon, Maria Ludwig, wurde die erste Müllermeisterin im Rheinland, die dritte in ganz Deutschland.

Als in den 1920er Jahren die Wahnbachtalstraße gebaut wurde, eröffnete Martin Ludwig ein Café. Nach und nach erweiterte er das Anwesen um einen Tanzsaal und ein Gartencafé.

Der Mühlenbetrieb wurde in den 1960er Jahren eingestellt. Das beliebte Ausflugslokal wurde unter Leitung zweier Töchter bis 1980 geführt, Tanten von Elisabeth Diederichs. „Es dürfte früheren Gästen noch mit Gastgarten und Wildpark in Erinnerung sein“, schreibt sie. Heute lebt dort die vierte Familiengeneration.

Teile des weitläufigen Anwesens sind vermietet. Ab und an öffnen sich die Türen aber auch zu Mühlentagen und kulturellen Veranstaltungen. (Dieter Krantz)

Der Siegwasserfall

Unter heute geltenden Umweltstandards wäre der Siegwasserfall in Schladern wahrscheinlich gar nicht erst entstanden. Bis vor 160 Jahren jedenfalls floss das Wasser in einer großen Schleife unterhalb der Burgruine Windeck langsam talwärts.

Mit dem Bau der Deutz-Gießener Eisenbahn durch das Siegtal Mitte des 19. Jahrhunderts änderte sich das: Um Brückenbauwerke zu sparen und die Bahnstrecke mit möglichst wenig Kurven zu bauen, wurde in Schladern ein Bahndamm aufgeschüttet, der den kompletten Schladerner Siegbogen abschnitt und weitgehend trocken legte. Der Fluss war bereits vorher in ein neues Bett verlegt worden.

Dazu hatten findige Ingenieure da, wo sich die beiden Enden der Schleife am nächsten waren, den Fels kurzerhand weggesprengt. Seither fällt das Wasser dort rund vier Meter in die Tiefe.

Kurz vor dem neuen Wasserfall wurde schon damals der Einlauf für eine Turbine installiert, die noch heute Strom ins Netz speist. Benannt nach Alexander Stanley Elmore, stellte die Firma Elmore’s in Schladern seit dem Ende des 19. Jahrhunderts Kupferrohre in einem elektrolytischen Verfahren her.

Nach Besitzerwechseln stellte Elmore’s 1995 die Produktion ein. Zuletzt wurde unter dem Firmennamen Kabelmetal produziert. Heute ist in der ehemaligen Versandhalle das mit öffentlichen Mitteln geförderte Bürger- und Kulturzentrum Kabelmetal untergebracht.

Dorfschänke in Ruppichteroth

Der Fotovergleich zeigt: Dem Zahn der Zeit hat die Dorfschänke Ruppichteroth weitgehend widerstanden. Und sie hat als Fachwerkhaus ihren historischen Charme bewahrt.

Im alten Ortskern von Ruppichteroth bietet sich seit vielen Jahren ein nahezu unveränderter Anblick – abgesehen von den neuen Dachgauben und zwei zusätzlich eingebauten Fenstern rechts im Erdgeschoss: Wo heute Gesellschaften gefeiert werden, stand früher das Vieh.

Wolfgang Steimel, Ehrenvorsitzender des Bürgervereins Ruppichteroth, hat sich mit der Geschichte des Hauses beschäftigt. Das Baujahr ist unbekannt. „Karten im Archiv der Kreisverwaltung zeigen 1829 das Gebäude im Grundriss an seiner jetzigen Stelle.“

In der „Acta“ der Bürgermeisterei Ruppichteroth fand Steimel den Hinweis, dass Florentine Kaufmann seit 1878 hier ein Wirtshaus führte.

Nach 25 Jahren bat sie „ergebenst“ die Obrigkeit, die Erlaubnis zum Betrieb der Gastwirtschaft auf ihren Sohn Hugo Kaufmann zu übertragen: Die Wirtschaft erfreue sich „stets eines guten Rufes“. Es verkehre hier „besseres Publikum, auch kommen in der Saison viel Sommerfrischler sowie Geschäftsreisende auf Logis und Jäger zu uns“.

Der Sohn bekam die Konzession und übernahm mit seiner Frau das Wirtshaus, in dem noch Stall und Gemischtwarenladen untergebracht waren.Eine Generation später hieß die neue Chefin Margarete Heismann, die in der Dorfschänke als Lehrmädchen gearbeitet hatte.

Das hieß: „Gretchen“ musste putzen, kochen, waschen, bügeln, stopfen und stricken sowie die Fremdenzimmer herrichten. „Das Haus erlebte eine neue Blütezeit, der Turnverein von 1888 kürte es zum Vereinslokal“, berichtet Steimel. Seine Mutter hat noch in der Küche ausgeholfen.

Und für den jungen Sportler war die Dorfschänke nach dem Training regelmäßig Anlaufstelle. „Freitags gab es Soleier, die in einem großen Glas auf der Theke standen. Die wurden dann sehr zeremoniell gegessen, mit Salz, Pfeffer, Öl und Senf.“

Die kinderlose Wirtin vermachte die Dorfschänke ihrem Neffen Helmut Horsch. „Sie ist heute noch Dorfmittelpunkt für gesellige Anlässe“, so Steimel. Montag und Dienstag sind zwar Ruhetage, doch wenn Anfang der Woche Vereins- oder Fraktionssitzungen anberaumt sind, sperren Helmut und Angelika Horsch den Gasthof auf.

Und Anfang Dezember zur „Döörper Weihnacht“ platzt das Haus ohnehin aus den Nähten. (Annette Schroeder)

Landratsamt/Kreishaus in Siegburg

Repräsentativ ist es ja schon, das Kreishaus mit seinen großen verspiegelten Fensterflächen, hinter denen mehr als 1000 Beamte und Angestellte arbeiten – doch auch der Vorgänger, das zu Kaisers Zeiten erbaute Landratsamt machte etwas her: Das lässt eine Postkarte ahnen, die uns Leserin Elke Rheineck aus Siegburg-Brückberg zeigte.

Das alte Haus war nicht so hoch und der Blick auf den Michaelsberg blieb frei. Gebaut wurde das Landratsamt 1906/07 an der Ecke Wilhelmstraße/Mühlengasse, dem heutigen Kaiser-Wilhelm-Platz, und in den folgenden Jahren immer wieder erweitert.

375 000 Mark sollte rund 70 Jahre später der Abriss kosten, der 1974 in Angriff genommen wurde. Der Bau hatte seinerzeit 160 000 Mark gekostet.

„Das alte Kreishaus verkörperte nicht nur ein herausragendes Beispiel für die Architekturauffassung seines Baumeisters Carl Moritz (1863 bis 1944), sondern stellte auch ein markantes Zeitzeugnis für die Architekturgeschichte um 1900 dar“, so Kreisarchivarin Dr. Claudia Arndt 2005 in einem Beitrag für die Siegburger Blätter.

Moritz habe zu den „frühenden Persönlichkeiten auf den Gebieten des Theater-, Kirchen- und Geschäftshausbaus“ gehört. Viele seiner Objekte stünden heute unter Denkmalschutz. Von 1899 bis 1902 baute Moritz das Kölner Opernhaus am Habsburger Ring (abgerissen 1958), damals für ihn der Durchbruch als Architekt.

Im Siegburger Kreisblatt fand sich folgende Beschreibung für das Landratsamt: „Dem Zweck des Baues entsprechend ist die Architektur im übrigen ganz einfach, nur die großen Gruppenfenster der Säle bringen einen monumentalen Zug in das Ganze; das mit Schiefer gedeckte Dach fügt sich der Bergischen Bauweise an. „Friderizianische Einfachheit und Zweckmäßigkeit“ seien typisch für die Architektur von Moritz.

Den exakten Standpunkt des Postkarten-Fotografen von damals auszumachen, ist alles andere als einfach.

Die Abtei als Orientierungspunkt wird heute durch das Kreishaus verdeckt, dessen höchster Gebäudeteil zwölf Stockwerke zählt.

Der Bau der modernen Kreisverwaltung nach einem Entwurf des Bonner Architekten Ernst van Dorp dauerte in zwei Bauabschnitten von 1974 bis 1981 und kostete insgesamt 94 Millionen Mark.

Ebenfalls aus Bonn kam die Planung für den Park, die der Gartenarchitekten Heinrich Raderschall vorlegte.

Seit 1982 steht vor dem Kreishaus eine tetraederförmige Betonplastik des Hennefer Bildhauers Leo Müllenholz. Seit Juli 2014 wird das Hochhaus saniert, insbesondere um Brandschutzauflagen zu erfüllen.

Unter anderem müssen Deckenverkleidungen und Teppiche ausgetauscht und Kabel neu verlegt werden. Nachbesserungen sind auch an der Fassade erforderlich. Die Kreisverwaltung rechnet derzeit mit Kosten von rund 34,6 Millionen Euro. (Andreas Helfer)

Gaststätte in Seelscheid

Auf der Zeithstraße in Seelscheid an der Ecke zur heutigen Talstraße befindet sich eine Gaststätte. Sie existierte bereits im vorvergangenen Jahrhundert.

Wie der Heimat- und Geschichtsverein in einem Buch zeigt, war die Ecke um das Jahr 1912 herum ein kleiner Verkehrsknotenpunkt. Hier hielt der öffentliche Bus, der von Siegburg nach Much fuhr.

Er verkehrt als Linie 576 heute noch immer – eine Haltestelle zur Post existiert weiter. Die Busverbindung hat mühelos den Jahrtausendwechsel überlebt. Optisch hat sich das Haus allerdings stark verändert.

Es hat nun eine Klinker-steinfassade. Dachflächenfenster zeigen, dass es zudem ausgebaut wurde. Und an der Kreuzung ist jeden Tag allerhand los.

Das Straßenverkehrsamt führte in den letzten Monaten eine umfangreiche Messung durch. An einem normalen Arbeitstag fahren rund 27 800 Fahrzeuge durch Seelscheid. 4800 davon biegen in die Talstraße ab, 5600 in die Breite Straße. (Stefan Villinger)

Die Johanneskirche in Troisdorf

„Der Herr hat Großes an uns getan“, steht über den Tag der Grundsteinlegung in der Chronik der nahen Schule: Am 4. Oktober „im Jahre des Heils neunzehnhundertundeins“ wurde der Bau der evangelischen Kirche in Troisdorf begonnen, eines Gotteshauses im Westen der damaligen evangelischen Gemeinde Siegburg.

Viel Platz ringsum zeigt die historische Ansicht von der Einladungskarte zur Einweihung; doch nicht nur ringsum hat es Veränderungen gegeben: In den 50er- und den 70er-Jahren wurde die Kirche im Innern dem Zeitgeschmack angepasst, im Jahr 2000 gab es einen großen Umbau nach Plänen der Bonner Architekten Martini.

Die tiefgreifende Umgestaltung sollte den gewandelten Aufgaben Rechnung tragen; „Stadtkirche“ in einem Umfeld, das immer weniger Kirche im traditionellen Sinne nachfragte.

Mitten in der Stadt fand sich die Kirche wieder. Der Altar ist seither beweglich, kann im Mittelpunkt stehen oder ganz verschwinden; als „Ort für Gottesdienst und Gebet, für Kunst und Kultur, für Kommunikation und Begegnung“ sieht die Gemeinde ihre Kirche.

Ein Raum der Stille wurde ebenso geschaffen wie das Kirchencafé. Nicht als „Kneipe in der Kirche“, wie damals gelästert wurde, sondern als Angebot für eine Pause der Besinnung, für ein Gespräch. Montags bis Freitags ist dafür die Kirche von 11 bis 16.30 Uhr verlässlich geöffnet. (Dieter Krantz)

Das Rosbacher Rathaus

Der Weg ins Rosbacher Rathaus führt heute über eine Treppe, die eine komplette Etage überwindet.

Dass das früher einmal anders ging, beweist unser historisches Bild. Damals ging es über zwei Rampen stufenlos nach oben. Die Rampen sind schon lange der breiteren Bundesstraße, einst Reichsstraße, gewichen.

Stattdessen können die Bürger heutzutage im ehemaligen Kellergeschoss des Rathauses den Polizeiposten besuchen.

Auch ein Anbau ist seit der Aufnahme, die um 1910 entstand, errichtet worden. Bis zur vorerst letzten Gebietsreform 1969 bestand die heutige Gemeinde Windeck aus drei Kommunen: Rosbach, Herchen/Leuscheid und Dattenfeld, das bis 1955 zu Rosbach gehört hatte.

Dattenfeld und Rosbach waren sogar erst im Rahmen einer Gebietsreform 1932 dem Sieg-Kreis zugeschlagen worden. Bis dahin waren sie Teil des Kreises Waldbröl, der aus dem Amt Windeck entstanden war und im Norden bis nach Eckenhagen und damit bis an die Agger reichte.

Mit dem Zusammenschluss von Rosbach, Dattenfeld und Herchen/Leuscheid wurden zwei der bisherigen Verwaltungssitze aufgegeben. Bis heute hat der eine oder andere Windecker nicht verwunden, dass Rosbach und nicht Dattenfeld mit dem „Bürgermeisteramt“ zum „Regierungssitz“ erkoren wurde. (Stephan Propach)

Das Antoniuskolleg bis Ende der 50er Jahre

Viel hat sich in den Kommunen des Kreises in den letzten Jahrzehnten getan.

Ortsbilder veränderten sich, weil durch Neubauten Wohnraum für die wachsende Bevölkerung geschaffen wurde oder Renovierungen von Gebäuden anstanden.Ein gutes Beispiel dafür ist das Antoniuskolleg in Neunkirchen.

Ein ursprünglich ansehnlich und aufwändig gestalteter Backsteinbau, teilweise weiß verputzt, wurde immer stromlinienförmiger.

Gut beschrieben hat dies Lothar Schmitz, der für den Heimat- und Geschichtsverein im Jahr 2008 ein reich bebildertes Buch mit Ansichten der Gemeinde verfasste: „Mit dem Neuanfang 1957 änderte sich leider auch das äußere Erscheinungsbild der Schule. Was der Krieg nicht geschafft hatte, fiel auch hier, wie an vielen anderen Orten, dem Modernisierungswahn zum Opfer. Eine architektonisch ansprechende und ausgewogene Fassade musste einer sinnlosen und schlechten Modernisierung weichen.“

Heute muss die Bevölkerung damit leben. Ein Zurück zum alten Gebäude ist nicht mehr möglich. Inzwischen wurde das Antoniuskolleg rund um das alte Haus neu gebaut.

Was nun mit dem Ursprungshaus passiert, scheint noch ungewiss. Die Heiligenfigur ist noch immer nicht an ihren Platz am Giebel zurückgekehrt. (Stefan Villinger)