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Industrie in Rhein-Sieg kämpft um Image„Wir sind nicht die mit rauchenden Schloten“

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Bei der Firma Reifenhäuser in Troisdorf werden Vliesstoffe für Mund-Nasen-Masken hergestellt. 

Rhein-Sieg-Kreis – Folien für Frischfleischverpackungen oder für Blutkonserven, PET-Schaumplatten für die Bauindustrie, Komponenten für den Streetscooter, den Elektroflitzer der Post – sie werden hergestellt auf Maschinen der Kuhne Group in Sankt Augustin, die ihre Extrusionsanlagen weltweit exportiert. Die Firma GKN in Bonn hat im Frühsommer einen Speicher vorgestellt, in dem sogenannter grüner Wasserstoff, erzeugt aus erneuerbaren Energien, gelagert und bei Bedarf genutzt oder in Strom und Wasser zurückverwandelt werden kann. Reifenhäuser in Troisdorf produziert Vliesstoffe für Mund-Nasenmasken – alles Beispiele für die Vielfalt der Industrieunternehmen im Raum Bonn/Rhein-Sieg.

Industrie im Fokus

Die IHK stellt die Industrie mit mehreren Veranstaltungen in den Fokus. Auftakt ist am 14. Oktober, ab 16.30 Uhr, in der Stadthalle Troisdorf, wo sich Vertreter von Industrieunternehmen jungen Menschen vorstellen und mit ihnen ins Gespräch kommen wollen. Weitere Termine im kommenden Jahr sind geplant. Anmeldung bei der IHK unter 0228/2284193. (dbr)

Sie gehen jetzt mit einer Initiative an die Öffentlichkeit, um zu zeigen, dass sie „zum Wohlstand und zur Nachhaltigkeit in der Region“ beitragen.

Das sagte am Donnerstag Professor Dr. Stefan Wimmers, Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Bonn/Rhein-Sieg. Diese Organisation führt zwar das Wort „Industrie“ als erstes im Namen, doch nur neun Prozent, also 5000 Betriebe, der etwa 52.000 Mitgliedsunternehmen der IHK sind der Industrie zuzuordnen; sie stellen nach Angaben der Kammer 16 Prozent, nämlich 56.000, aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Wimmers schätzt die Lohnsumme auf 3,4 Milliarden Euro pro Jahr.

IHK-Vizepräsident Peter Kuhne, seit 40 Jahren Geschäftsführer der Kuhne Group, bricht diese Zahl auf seine Firma herunter. Bei ihm stehen 220 Mitarbeitende in Lohn und Brot, die im Durchschnitt 50.000 Euro im Jahr verdienen. „Dieses Geld“, sagt er, „wird gut zur Hälfte in der Region ausgegeben“. Soll heißen: Die Industrie sorgt mit den Wohlstand an Rhein und Sieg bei.

IHK Rhein-Sieg: Industrie produziert sauber

Das aber, bedauert Kuhne, sei vor Ort viel zu wenig bekannt: „Wir sind nicht die mit den rauchenden Schloten“. Sondern gerade in seiner Branche werde sauber produziert, die Werkshallen vergleicht er mit einem Reinraum. Wimmers attestiert: „Da können Sie vom Fußboden essen“, weil unter „höchstmöglichen Umweltauflagen“ gearbeitet werde.

Was die Nachhaltigkeit angeht, sieht IHK-Vize Kuhne die Industrie auf einem guten Weg. „Die Kunden verlangen von uns weniger Energieverbrauch, wir haben unseren Energiebedarf um 40 Prozent gesenkt“. Wurden vor Corona 92 Prozent der Aufträge bei Messen oder Firmenbesuchen vergeben, werde heute 60 Prozent digital geordert. Folge: Kuhne bucht ein Drittel weniger Reisen. Weil Kunststoff immer gebraucht werde, seien die Arbeitsplätze „sicher und zukunftsfähig“, betont der Unternehmer.

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Allein: Ihm fehlen Fachkräfte. Der Personalmangel ist neben den fehlenden Gewerbeflächen ein großes Problem der Industrie in der Region. IHK-Geschäftsführer Wimmers nennt noch die steigenden Strompreise in Deutschland, die zu den höchsten in Europa zählten. Produktionsprozesse seien abhängig von einer hohen Versorgungssicherheit mit Energie, doch viele Firmenchefs berichteten ihm von schwankenden Spannungen im Stromnetz. Die IHK fordert in Fragen der Energie „angemessene Rahmenbedingungen für die Industrie“, damit sie nicht aus der Region wegzieht, um etwa in China unter anderen Rahmenbedingungen wieder zu öffnen.

Kurz- bis mittelfristig könnten einzelne Firmen ihre Produktion nicht klimaneutral gestalten. Kuhne: „Wir brauchen zurzeit Strom ohne Ende.“ Die Kammer wünscht sich daher die Umstellung der Energieerzeugung auf erneuerbare; dazu brauche es aber finanzielle Anreize, um sie einzusetzen.Allgemein beklagen Kuhne und Wimmers eine „fehlende Akzeptanz“ für die Belange der Industrie bei Entscheidern in vielen Verwaltungen und Kommunalparlamenten. Betriebe beschwerten sich über lange Genehmigungsverfahren. „Eine stärkere Sensibilisierung wäre wünschenswert“.