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„Kältetelefon“Freiwillige versorgen Obdachlose mit Tee und Schlafsäcken

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Seit Jahren im Einsatz für Obdachlose: Melanie Möchel (Zweite von rechts) und andere Freiwillige der Johanniter.

Rhein-Sieg-Kreis – Bei Anruf Hilfe: So funktioniert das „Kältetelefon“ der Johanniter Bonn/ Rhein-Sieg. Und angesichts der bitteren Kälte der vergangenen Tage – und vor allem Nächte – haben die Ehrenamtlichen um Melanie Möchel viel zu tun. Sie hat vor zehn Jahren die Initiative ins Leben gerufen.

Die Handynummer 0151/ 19 63 26 10 kann jeder anrufen, der vermutet, dass ein Obdachloser in Not ist. „Dann fahren wir raus und sehen, wie wir dem Menschen durch die Nacht helfen können“, berichtet Melanie Möchel. Hochkalorisches Essen haben sie und die anderen Freiwilligen im Wagen; gehen die Obdachlosen nicht auf den Appell ein, doch eine Notschlafstelle aufzusuchen, lassen die Helfer zum Beispiel warme Socken da, tauschen feucht und klamm gewordene Schlafsäcke gegen trockenen Kälteschutz aus, schenken heißen Tee aus.

Initiative liefert Spenden aus

Die Nacht zum Dienstag sei die bisher schlimmste gewesen, erzählt Melanie Möchel. Das zwölfköpfige Team war im Wechsel fast die ganze Nacht unterwegs. Hart sei auch die Nacht darauf gewesen. Auch zum Reden hätten sich die Freiwilligen Zeit genommen. Denn, so wissen sie alle: So eine Nacht wird lang, wenn man friert. Mit Erleichterung haben die Freiwilligen zur Kenntnis genommen, dass bei ihren Kontrollfahrten am frühen Morgen die meisten in der Nacht aufgesuchten Menschen schon wieder unterwegs waren, dass alle die Nächte einigermaßen wohlbehalten überstanden haben.

Heiße Getränke gehören zum Gepäck, wenn Kadir Sucuoglu und die anderen Freiwilligen am Abend auf Tour gehen.

Seit Mitte der Woche schickt auch die Initiative „Troisdorf hilft“ einen Kältebus auf Tour. Sie müssten sofort handeln, seien sich die Aktiven einig gewesen, berichtet Kadir Sucuoglu, der mit seiner Lebensgefährtin Esther Senol die Initiative im vergangenen Jahr gestartet hat. Täglich seien drei oder vier Personen unterwegs, die wie die Kollegen der Johanniter auf Hinweise aus der Bevölkerung reagieren.

Obdachlose suchen in Tiefgaragen Schutz vor Kälte

Am Freitag gehörte Diana Baldus zu den Freiwilligen, beeindruckt schildert sie ihre Fahrt am Abend zuvor: Das Parkhaus am Forum in der Kölner Straße hat sie mit einer erfahrenen Helferin angesteuert – da war an diesem Abend niemand – und in der Siegburger Tiefgarage am Rathaus zwei Obdachlose angetroffen. In den vergangenen Tagen hätten dort bis zu sechs Personen haben dort Schutz vor der Kälte gesucht, der Jüngste erst Mitte 20. „

Sie waren total offen, haben uns ihre Sorgen erzählt“, und auch, dass die Anwohner sie mit warmem Wasser und Essen unterstützen. „Seit die da sind, gibt es keine aufgebrochenen Autos.“ Warme Suppe und Brötchen, Kleidung, Schlafsäcke und Isomatten haben die Freiwilligen zuvor in den Kofferraum von Kadir Sucuoglus Privatauto geladen, vollgepackt mit Fleecedecken und heißen Getränken ist das Auto eines jungen Paares, das zum ersten Mal auf Tour geht.

Spenden erbeten

Vor allem mit Lebensmittelspenden könne man die Arbeit des Johanniter-Kältetelefons unterstützen, sagt Melanie Möchel. Auch für Schlafsäcke hat das Team immer Verwendung. Für andere Kleidung sind die Lager derzeit ausgelastet. Das gilt auch für das Don-Bosco-Haus in Siegburg.

melanie.moechel@johanniter.de

Über warme Kleidung für Obdachlose freut sich die Initiative Troisdorf hilft, die an das Suchthilfe-Projekt Café Koko der Diakonie weitergibt, was die Helfer selbst nicht brauchen. Kontakt unter 01525/749 56 20. Die Stadt Troisdorf hat dazu aufgerufen, unter 02241/ 900-333 das Ordnungsamt der Stadt zu informieren, wenn Menschen auf der Straße schlafen müssen oder einen hilflosen Eindruck machen. Mit „geschärftem Blick“ seien die Kräfte des Ordnungsamts selbst in den Straßen unterwegs. Für die Vermittlung von Schlafplätzen ist das Sozial- und Wohnungsamt zuständig (900-508); von den 107 Plätzen für Wohnsitzlose in Troisdorf sind derzeit noch 46 frei.

Soziale Medien brachten den Fahrer in Kontakt mit der Initiative, und: „Während Corona hat man ja viel Zeit.“ In Troisdorf gebe es zum Glück weniger Menschen, die auch in diesen Nächten auf der Straße lebten, sagt Kadir Sucuoglu. In der Kreisstadt seien es mehr, darunter auch, so Diana Baldus, „einige, die hätte ich nicht als obdachlos erkannt“.

„Das Wichtigste ist, dass die Gesellschaft die Augen offen hält“

In Zukunft wollen die Troisdorfer Helfer professioneller werden, die jeden Sonntag um 15 Uhr am Busbahnhof in Troisdorf ein warmes Essen und heiße Getränke ausgeben. Dabei hoffen sie auf Unterstützung durch Sponsoren, um einen Kleinbus anzuschaffen und Räume zu mieten, wo Spenden gelagert werden können. „Ich mache das gerne bei mir zu Hause“, betont Kadir Sucuoglu. „Aber das ist keine Dauerlösung.“

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In der vergangenen Woche war auch ein Team aus dem Don-Bosco-Haus des SKM in Siegburg unterwegs. „Wir haben Schlafsäcke und Isomatten verteilt“, berichtet Dominik Schmitz; nach wie vor gebe es Menschen, die nicht in die Notschlafstelle gehen wollten. Platz genug gebe es, zusätzlich zu den 14 Plätzen in der coronabedingt reduzierten Belegung öffnet das Team bei Bedarf auch den Aufenthaltsraum für Notfälle.

„Das Wichtigste ist, dass die Gesellschaft die Augen offen hält“, sagt Dominik Schmitz. Er ruft dazu auf, nicht wegzusehen, sondern auf das Angebot des SKM zu verweisen. „Bei uns bekommen die Menschen alles, was sie brauchen.“