Ein Video aus einer Überwachungskamera zeigte im Gerichtssaal Szenen aus dem Nachbarschaftsstreit in einem Lohmarer Randbezirk.
ProzessLohmarer Dachdecker greift im Nachbarschaftsstreit zur Axt

Mit einem eskalierenden Nachbarschaftsstreit befasste sich das Siegburger Strafgericht. (Symbolbild)
Copyright: Cordula Orphal
Die beiden Männer würdigten sich im Gerichtssaal keines Blickes. Seit Jahren schon schwelt in dem idyllischen Randbezirk Lohmars zwischen ihnen ein Nachbarschaftsstreit, der am 1. September vergangenen Jahres seinen unrühmlichen Höhepunkt fand. Der 52-Jährige soll an diesem Nachmittag laut Anklage den 55-Jährigen mit einer Axt angegriffen und verletzt haben.
Die Schilderungen des Vorfalls gingen weit auseinander. Der Angeklagte wies den Vorwurf zurück; er habe den Nachbarn nicht attackiert. Als dieser ihn vor dem Haus wüst beschimpfte, habe er in der Garage blindlings nach irgendeinem Gegenstand gegriffen, um sich notfalls zu verteidigen. Da habe noch die Axt gelegen, mit der er kurz zuvor Brennholz zerkleinert hatte. „Hätte ich gewusst, dass er und seine Tochter draußen standen, wäre ich gar nicht vor die Tür gegangen“, sagte der gelernte Dachdecker.
Überwachungskamera des Angeklagten aus Lohmar zeichnete den Streit auf
Der 55-jährige LKW-Fahrer, der als Nebenkläger die Einlassung mitanhörte, sagte im Zeugenstand, der Angeklagte habe ihn zunächst provoziert und seine Tochter beleidigt, er habe diesen nur zur Rede stellen wollen: „Da hat er zugeschlagen.“ Er habe durch den Hieb einen kleinen Schnitt an der Hand davongetragen und eine Prellung an der Hüfte. Im Krankenhaus hatte er laut Attest indes angegeben, zu Boden gefallen zu sein und sich dabei am Oberschenkel verletzt zu haben.
Ein unbeteiligter Zeuge war nicht zugegen. Doch die Überwachungskamera des Angeklagten hatte die Szene aufgezeichnet. Auf der Filmsequenz mit Tonspur war der 55-Jährigen zu hören und zu sehen, wie er den Nachbarn beschimpft und auf diesen losgeht. Dass der Angeklagte daraufhin die Axt schwang, könnte man auch als „Putativ-Notwehr“ werten, sagte Richter Herbert Prümper. Dabei handelt jemand in vermeintlicher Notwehr, obwohl diese in Wirklichkeit nicht vorliegt.
Einen Treffer mit der Axt konnte weder der Richter noch der Vertreter der Staatsanwaltschaft erkennen. Der Angeklagte holte zwar noch ein zweites Mal mit dem gefährlichen Werkzeug aus, ließ es dann aber sinken. Im Hintergrund hörte man eine Frau kreischen, vermutlich seine Gattin. „Mein Mandant war in der Falle“, sagte Strafverteidigerin Alexandra Seidenkranz. „Der Nachbar ist ja wie von den Tarantel gestochen auf ihn zugekommen.“
Der Richter nannte die Zeugenaussage des vermeintlichen Opfers „wenig glaubwürdig“, dieser zeige starke Belastungstendenzen. Er regte an, das Verfahren gegen den nicht vorbestraften Angeklagten gegen eine Geldbuße von 500 Euro, zu zahlen an das Kinderhaus Dr. Ehmann, einzustellen. Staatsanwaltschaft und Verteidigung waren einverstanden, der Rechtsvertreter des Nebenklägers nicht. Er habe auf dem Video einen tätlichen Angriff und einen Treffer gesehen, sagte der Anwalt. Auf die Rechtssprechung hat sein Einwand keinen Einfluss.
„Zum Streiten gehören immer zwei“, sagte Richter Prümper in seiner Urteilsbegründung an die Adresse beider Nachbarn. Ob der Streit mit dem Zuklappen der Strafakte zu Ende ist, bleibt abzuwarten. Der Lkw-Fahrer hat den Dachdecker angezeigt, weil dieser dessen Autos beschmutzt und beschädigt haben soll. Der 55-Jährige: „Auch gegen die Kamera bin ich schon vorgegangen.“
Wenn die Geldauflage beglichen ist, trägt die Landeskasse die Kosten des Verfahrens. Wird das Verfahren wie in diesem Fall eingestellt, muss der Nebenkläger seinen Anwalt selbst bezahlen.