Nutrias haben sich zur Plage entwickelt. Auch Naturschützer sprechen sich für eine Reduzierung der Bestände aus.
Plage oder Delikatesse?Jäger aus Lohmar verarbeitet Nutrias zu Würstchen und Frikadellen
Kleine Würstchen und Frikadellen liegen auf einem Tablett. Holger Jordan hat das Fleisch gerade verarbeitet. Doch weder Rind noch Schwein oder Geflügel kommen in die Pfanne, sondern frisch geschossenes Nutria aus der Agger.
„Fünf bis sechs Kilo Gewicht haben die erlegten Tiere, rund 1,2 Kilo Fleisch können später verarbeitet werden“, sagt der Jäger, der in seiner Jugend eine Ausbildung als Metzger gemacht hat. Die Felle der Nutrias gebe man zum Gerben weiter. In der Mittelalterszene seien sie sehr beliebt.
In die Pfanne kommt Fett, die Würstchen und Frikadellen aus dem Fleisch des Nutrias werden scharf angebraten, damit Röstaromen entstehen. Serviert werden sie klassisch mit Senf. Der Geschmack ist zart.
Die Jäger erinnert er an Rehe. Es ist auf keinen Fall vergleichbar mit der klassischen Frikadelle oder dem Grillwürstchen, schmeckt weniger intensiv - und deutlich besser. „Der erste Biss in ungewohntes Fleisch war zwar nicht einfach“, erzählt der Tester. Doch die Vorbehalte seien völlig unbegründet gewesen.
Pro Jahr schießt die Jägerin Elisabeth Trimborn aus Lohmar rund ein Dutzend Nutrias
„In meinem Revier an der Scheider Höhe in Lohmar werden pro Jahr rund ein Dutzend Nutrias entnommen“, berichtet Elisabeth Trimborn, Vorsitzende der Kreisjägerschaft. Erlegt werden die nachtaktiven Nutrias nur an Land und mit der Kugel. „Wir müssen sicher sein, dass es kein geschützter Biber ist“, erläutert Jordan.
Man könne die Nutrias, die auch als Sumpfbiber bezeichnet werden, aber sehr gut an ihrem Schwanz bestimmen, der beim Biber platt ist. Nutrias sind übrigens reine Pflanzenfesser. Das erkennen die Jäger auch am Schilf, der inzwischen an großen Teilen der Flussufer einfach weggefressen wurde.
Nutrias schädigen die schützenswerte Ufervegetation im Rhein-Sieg-Kreis an Sieg und Agger
Inzwischen sind Nutrias zur Plage geworden. „Man muss von Tausenden Tieren allein an Sieg und Agger und den Nebengewässern ausgehen“, berichtet Klaus Weddeling von der Biologischen Station des Rhein-Sieg-Kreises. „Die Nutrias gehören zu den invasiven Tierarten. Sie können die Ufervegetation von Gewässern schädigen; leider sind sie im Kreisgebiet bereits fast flächendeckend verbreitet und nur mit hohem Aufwand noch zu bekämpfen.“ Da tun die Jäger inzwischen in ihren Revieren.
Heimisch sind diese Tiere hier nicht. Sie stammen ursprünglich aus Südamerika und kamen durch Pelztierfarmen nach Deutschland. Durch Flucht aus ihren Käfigen kamen sie Mitte des vorigen Jahrhunderts in die freie Natur.
Nutrias sind mit Meerschweinchen verwandt, die in Südamerika als Delikatesse geschätzt werden
„In den Niederlanden wurden sogar Berufsjäger angestellt, um die Population der Nutrias einzudämmen, die sich immer weiter ausbreiten“, berichtet Trimborn. Dass die Tiere mobil sind, zeigte sich zuletzt auf der Scheider Höhenstraße. Ein Nutria wurde auf seinem Weg von der Sieg zur Agger überfahren.
Nutrias sind weder mit Bibern noch mit Bisamratten verwandt. Sie gehörten zur Familie der Meerschweinchen. Diese werden in den Andenregionen in Peru, Bolivien, Ecuador und Kolumbien als Delikatesse geschätzt, bis zu 65 Millionen pro Jahr landen auf dem Teller – wie jetzt auch ihre größeren Verwandten.
Die Tiere kommen inzwischen mit dem Klima in Europa gut zurecht. Ihre Nachkommen sind zahlreich. „In Bereichen mit Vorkommen von Bibern muss man bei der Jagd vorsichtig vorgehen, um nicht versehentlich diese geschützte Tierart zu erlegen“, bestätigt Naturschützer Weddeling. „Eventuell ist dann der Einsatz von Lebendfallen sinnvoll.“ Nutrias einfach zu töten, lehnt er ab. Es sei sinnvoll, „wenn ihr Fleisch verwertet werden kann“. Das denken die Jäger auch.