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Nutrias und Co.Diese invasiven Arten vermehren sich in NRW

Lesezeit 5 Minuten
Morgenspaziergang_Nutria

Ein Nutria putzt sich an einem Teich

Köln – Im Wassergraben der Krefelder Burg Linn schwimmt an einem Sommerabend im August eine vierköpfige Nutria-Familie, knabbert am Röhricht und verschwindet in ihrem unterhöhlten Uferbau. Idyllisch sieht das aus und natürlich, so als gehöre dieses Tier-Quartett zur heimischen Fauna wie die vielen Singvögel, die hier lautstark trällern. Aber so ist es nicht. Nutrias sind sogenannte Neozoen, also Tiere, die sich aufgrund menschlicher Einflussnahme in einem Gebiet etabliert haben, in dem sie zuvor nicht heimisch waren.

Gast aus Südamerika

Die Nutria, auch Sumpfbiber genannt, ist ein entfernt mit Meerschweinchen verwandtes Nagetier, 40 bis 65 Zentimeter groß, das aus Südamerika stammt. Längst schon ist die Nutria aber auch in Nordrhein-Westfalen sehr zahlreich vertreten – und gerade aktuell Teil einer großen Diskussion. Eines dieser Tiere hat sich am Kölner Ebertplatz niedergelassen, ein anderes hat im westfälischen Lippstadt einen Terrier zu Tode geschüttelt, aus Angst vor dem bellenden Geschöpf, das sich dem Nager zu sehr genähert hatte.

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Nutrias unterhöhlen zudem nicht nur ufernahe Räume, sondern auch Deiche. Der Röhricht-Fraß vertreibt dort brütende Vögel – das alles brachte dem Tier einen Eintrag in die Liste der invasiven Arten ein. Diese können die Ökosysteme verändern, heimische Arten verdrängen und auch wirtschaftliche und gesundheitliche Auswirkungen auf den Menschen haben. Nutrias wiederum sind gerade ein populäres Beispiel, aber bei weitem nicht die einzige invasive Art, die sich in NRW angesiedelt hat. Ein Überblick.

Wie viele fremde Tier- und Pflanzenarten leben in NRW?

Es gibt nur Schätzungen. Das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz in NRW (Lanuv) zählt rund 35 500 heimische Tierarten an Rhein und Ruhr. 200 von ihnen sind Neozoen, hinzu kommen 550 sogenannte unbeständige Arten, also solche, die gelegentlich auftreten, aber nicht etabliert sind. Nach zuletzt eher milden Wintern und heißen Sommern nahmen die Meldungen über neuartig auftretende Neozoen zu. So wurden etwa in Köln tropische Blattschneiderameisen gesichtet und am südlichen Ruhrgebietsrand der Riesen-Weberknecht. In Deutschland wurden bisher 1149 Neozoen registriert, darunter 264 etablierte, zehn Prozent von ihnen gelten als invasiv. Neue Pflanzen-Spezies gibt es in NRW laut der aktuellen Florenliste des Lanuv 212, das sind rund zehn Prozent der in NRW heimischen Pflanzenarten.

Welche Gefahren gehen von invasiven Arten aus?

Invasive Arten sind Lebewesen, Tiere oder Pflanzen, die als gebietsfremde Art heimische Vertreter der Fauna und Flora verdrängen, ihnen Raum sowie Ressourcen nehmen und obendrein auch wirtschaftliche Schäden verursachen – etwa Deichunterhöhlungen durch Nutrias. Oder durch Befall von Gemüsekulturen, wofür die Spanische Wegschnecke bekannt ist. Fraßschäden an landwirtschaftlichen Kulturen provoziert auch die Kanadagans. Außerdem schaden invasive Arten dem Menschen – etwa der Marderhund durch die Übertragung von Tollwut und Fuchsbandwurm.

Halsbandsittich

Ein wildlebender Halsbandsittich

Was genau ist die Unionsliste, die invasive Arten aufführt

Darin kommen solche Vertreter aus Fauna und Flora vor, für die nach der zugrundeliegenden Verordnung der Europäischen Union Mindeststandards zu Vorbeugung, Früherkennung, Beobachtung und Management gelten. Derzeit werden darauf 66 Arten geführt. Dazu gehören neben dem Götterbaum, dem Pampasgras und dem chilenischen Riesenrhabarber auch Nutria, Waschbär oder Asiatische Marienkäfer. Sie alle haben einen negativen Einfluss auf die neue Umgebung, in der sie leben.

Was lässt sich gegen invasive Arten unternehmen?

Am Beispiel der Nutria lässt sich sagen: sehr viel. In den Niederlanden sind die Nager Baumeister, die sich in Deiche wühlen und somit für Gefahr in einem Land sorgen, das zu einem Drittel unter dem Meeresspiegel liegt. Lanuv-Biologin Carla Michels berichtet von 400 professionell vom Staat engagierten Jägern, die den Nutriabestand in den Niederlanden „entnehmen“. Das sei in NRW nicht mehr möglich: „Zu groß sind hier die Bestände. Die milden Winter setzen den Tieren nicht mehr zu. Sie vermehren sich immer weiter.“ Die Bestandszahlen lassen sich anhand von Schussquoten von Jägern und gemeldetem Fallwild verfolgen. „2020 wurden 37 000 Nutrias geschossen. Die Kurve der Vermehrung steigt exponentiell“, sagt Carla Michels. Die Entnahme führe regelmäßig zu teilweise heftigen Konflikten mit Tierschützern.

Kanadagans

Kanadagans

Welche invasiven Arten sind besonders gefährlich?

Unter diese Rubrik fallen laut Carla Michels vor allem fünf aus Amerika eingeschleppte Krebsarten, darunter der Amerikanische Flusskrebs. Sie verbreiten die Krebspest, die für sie selbst ungefährlich ist, die aber heimische Krebse so stark dezimiert, dass sie vom Aussterben bedroht sind. Gefährlich seien auch Grundeln, die einheimischen Fischarten die Nahrung nähmen und sie auch jagten.

Gibt es auch nicht-invasive Neubürger?

Carla Michels nennt das Schneeglöckchen, das einen „geradezu herzergreifenden optischen Effekt“ besitze und das keinerlei negative Auswirkungen mit sich bringe. Ein anderes Beispiel seien die Halsbandsittiche, die entlang des Rheins zwischen Bonn und Duisburg längst das Stadtbild prägen. „Sie bereiten keinerlei Probleme in NRW“, sagt Carla Michels.

Wie kam denn nun die Nutria nach NRW?

Nutrias wurden einst als Pelztiere über den Atlantik verschifft und dort in Farmen gehalten. Bis 1984 existierten allein in Westfalen 49 dieser Zuchtstationen, die aber wegen der stark gesunkenen Pelznachfrage sukzessive aufgegeben wurden. Durch diese Schließung und bewusste Freilassungen etablierten sich die Tiere in NRW. Sehr ähnlich verlief im Übrigen die Ansiedlung des Waschbären in Deutschland.