Rund 90 Menschen haben vor dem Rathaus gegen die Erhöhung der Grundsteuer B protestiert. Vor allem ältere Menschen fürchten, dass ihre Rente nicht reicht.
3600 UnterschriftenNiederkasseler wehren sich gegen Grundsteuer-Erhöhung
Niederkassels scheidender Bürgermeister Stephan Vehreschild erlebt unruhige letzte Amtstage: Am Mittwochvormittag versammelten sich rund 90 Bürgerinnen und Bürger vor dem Rathaus, um gegen die Anhebung der Grundsteuer zu protestieren. 3600 Unterschriften hatten sie gesammelt, die sie dem Bürgermeister überreichten. Es kam zu Diskussionen.
Die vom Rat beschlossene Anhebung der Grundsteuer B, die viele Grundstückseigentümer und indirekt auch Mieterinnen und Mieter trifft, soll in den kommenden drei Jahren bei 60 Prozent liegen. Vor allem ältere Menschen fürchten, dass ihre Rente nicht reicht. Der Frust war am Mittwochvormittag greifbar.
Protest gegen Grundsteuererhöhung in Niederkassel: Kritik an Ausgaben der Stadt
Vor allem die politisch Verantwortlichen seien in der Verantwortung gewesen, auf die Ausgaben zu achten. „Da muss der Rat mal die letzten 20 Jahre reflektieren und sagen: Wir haben Mist gebaut“, sagte ein Mann, der zuvor Vehreschild Mut und Anstand bescheinigt hatte, sich der Menge zu stellen.
Dies griffen auch andere Bürgerinnen und Bürger auf: „Wenn die Stadt so klamm ist, warum wählt der Rat dann für das neue Schulzentrum die teuerste Variante? Ich kann als Bürgerin ja auch nicht mehr Geld ausgeben, als ich habe“, rief eine Frau. „Die Stadt geht verantwortungslos mit den Steuern um – es zahlen ja die anderen.“
Vehreschild entgegnete, in seiner Amtszeit habe es kein Bauprojekt gegeben, das den Kostenrahmen überstieg. „Das Schulzentrum wird spätestens 2027 fertig und keinesfalls teurer“, bekräftigte er und erntete höhnisches Gelächter. Dass die Zinsen stiegen, könne er nicht ändern.
Vehreschild beklagte höhere Auflagen durch Land und Bezirksregierung, die zugleich mit höheren Kosten verbunden seien. „Früher hat es durchschnittlich 2,3 Minuten gebraucht, den Antrag für einen Personalausweis zu bearbeiten – heute dauert es zwölf Minuten.
Bürgermeister Stephan Vehreschild: „Wir können nicht weiter kürzen“
Ähnlich sei es bei der Digitalisierung. „Ich könnte die Vorgaben ablehnen, aber dann stehen Sie am Ende wieder hier.“ Es fehle an Personal. „Die Digitalisierung ist von Bund und Ländern eingeführt worden, aber erhalten und bezahlen müssen sie die Kommunen – wir sind immer am Ende des Schwanzes“, so der Bürgermeister, der um Verständnis warb.
Er könne nicht weiter kürzen – sonst würden das Hallenbad, die Musikschule und die Büchereien geschlossen werden. „Wir zahlen zusätzlich zu den Elternbeiträgen und Fördergeldern, die wir bekommen, jährlich zwölf Millionen zusätzlich für die Kindergärten. Da habe ich noch keine Lösung gefunden, aber ich tue, was ich kann.“
Vielen der Menschen vor der Rathaus machte das keinen Mut. „Ich habe das Gefühl, die Stadt schiebt den Schwarzen Peter dem Land zu, von dem es so viele Aufgaben bekommt“, sagte ein Mann. „Ich befürchte, dass Ihr Nachfolger das gleiche erzählten wird – ich brauche ein positives Gefühl“, sagte eine Frau.
Als das Thema hin zu Geflüchteten wechselte und ein Mann die Grundlage des Problems vor allem in „Wirtschaftsflüchtlingen“ sah, wandten sich viele ab – dafür waren sie nicht hergekommen.