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Regional produzierter Kaffee-ErsatzNiederkasseler Landwirt baut Lupinen für Kaffee an

Lesezeit 4 Minuten
Becker_Schmitz-Mertens

Andreas Becker (l.) und Wolfgang Schmitz-Mertens mit ungerösteten und gerösteten Lupinen.

Niederkassel/Troisdorf – Er sieht aus wie Kaffee, schmeckt wie Kaffee – kommt aber nicht aus dem fernen Uganda, sondern aus dem nahen Uckendorf. Auf dem Niederkasseler Hof Becker wachsen seit dem Frühjahr Lupinen, und in Troisdorf-Spich werden ihre Samen geröstet. Wir verkosteten den Aufguss einmal schwarz, einmal mit Milch und wagen zu behaupten: Mit verbundenen Augen würden wohl die wenigsten den Muckefuck herausschmecken.

In der Versuchsküche des Familienbetriebs stehen fünf Tassen vor Wolfgang Schmitz-Mertens. Der schnuppert, schlürft ein Schlückchen vom runden Löffel, spuckt aus und nähert sich so dem Ideal. Die frischen, hellen Lupinensamen hat der Feinschmecker mit Faible für den würzigen Wachmacher mal kürzer, mal länger geröstet, dann im Filter mit heißem Wasser übergossen.

Die Lupine verbessert auch den Ackerboden

Das hellere Mehl schmeckte zu „grasig“, Daumen runter. Je dunkler, desto malziger und nussiger, dazu erkennt die feine Zunge Brot-Aromen. Das braune Mahlgut ist allerdings ungeeignet für die Espressomaschine, die keinen Tropfen abgibt, demonstriert Schmitz-Mertens: „Es quillt zu stark auf.“

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Das Experiment Heimat-Kaffee startete im Frühjahr: Bei Julia Becker keimte die Idee, die Schmetterlingsblütler anzubauen, berichtet ihr Gatte Andreas. Die Gewächse mit den fingerförmigen Blättern und den weißen Doldenblüten gelten nicht nur als hübsche Zierpflanzen, sondern auch als Bodenverbesserer, die Samen einer Sorte sind außerdem lebensmitteltauglich. Früher ein preiswerter Genuss für die Menschen in den Bergregionen, könnte der Bauernkaffee doch heute auch in der rheinischen Tiefebene Liebhaber finden, argumentierte die Agrar-Ingenieurin.

Lupinenfeld

Die weiße Lupine auf dem Feld

Beckers wagten den Schritt ins Ungewisse und bauten auf 2,5 Hektar statt wie geplant Zuckerrüben nun weiße Lupinen an. Ein recht anspruchsloser Tausendsassa; das nur anfangs und sehr sparsam versprühte Herbizid werde komplett abgebaut, zeigten die Laborwerte.

Lupinen brauchten keinen Dünger, im Gegenteil: „Die Pflanze holt soviel Stickstoff aus der Luft, dass ein Teil im Boden bleibt“, erläutert der Landwirt. Der Weizen, der danach ausgesät werde, benötige dann ein Drittel weniger Düngemittel.

Erstmals beim Troisdorfer Herbstmarkt und Erntedankfest am Samstag und Sonntag, 9./10. Oktober, jeweils von 11 bis 19 Uhr, wird der Lupinenkaffee aus dem Rhein-Sieg-Kreis verkauft. Der Bauer Andreas Becker und der Kaffeeröster Wolfgang Schmitz-Mertens schenken zugunsten der Kinderstiftung aus, an einem Stand an der Burg Wissem mit weiteren regionalen Erzeugern.

Neben dem Lupinenkaffee sind auch andere Sorten des Troisdorfer Traditionsbetriebs erhältlich. Künftig solle der Heimat-Kaffee in den Verkaufsautomaten am Hof Becker erhältlich sein und im regionalen Lebensmitteleinzelhandel.

1863 gründete Werner Mertens eine Kaffeerösterei, 1912 baute sein Schwiegersohn Johannes Schmitz die größere Produktionsstätte in der Boschstraße in Spich. Dort wurde lange vor allem Ersatzkaffee geröstet, das endete erst in den 60er-Jahren. Von der einstigen Produktion künden noch blaue Fensterscheiben in der Rösterei. Das farbige Glas bewirkte, dass die weißen Pflanzenkeime nicht grün wurden. (coh)

Mit dem Mähdrescher wurden fünf Tonnen Samen geerntet, dann getrocknet und in Säcke verpackt. Die ersten 50 Kilo hat die Traditionsrösterei recht frisch verarbeitet, gemahlen und in die typischen, schlichten, hellbraunen 250-Gramm-Papiertüten verpackt. „Vielleicht schmecken die Samen noch besser, wenn sie länger lagern“, vermutet Wolfgang Schmitz-Mertens. „Das probieren wir aus.“

Mit Lupinen kommt die Rösterei zu den Wurzeln

Für den Spezialisten, der ansonsten Rohbohnen aus Südamerika, Afrika und Fernost verarbeitet, sind die Lupinen zugleich eine neue Herausforderung sowie eine Rückkehr zu den Wurzeln.In den 1920er-Jahren bis vor etwa 60 Jahren stellte der Familienbetrieb Ersatzkaffee her, aus Gerste, Roggen und Chicorée, besser bekannt als Zichorien.

Mit dem wachsenden Wohlstand konnten sich immer mehr Verbraucher „echten Bohnenkaffee“ leisten, so dass der „Muckefuck“ (eine Verballhornung des Mocca faux, des falschen Mocca) fast in Vergessenheit geriet, erzählt Schmitz-Mertens. Nur der Instant-Caro-Kaffee habe noch nennenswerte Marktanteile.

Der derzeitige Trend zu regionalen Produkten mit besserer Öko-Bilanz und kleinerem CO2-Fußabdruck könnte helfen, das Surrogat aus Lupinen an den Kunden zu bringen. Es biete zudem einen weiteren Vorteil: Er ist koffeinfrei, also „ein idealer Abendkaffee“.