Im Herbst hatte der Stadtrat die Grundsteuer um fast 60 Prozent erhöht. Gegen die Steuerbescheide gibt es jetzt rund 1200 Einsprüche.
Umstrittene Grundsteuererhöhung1200 Widersprüche gegen Bescheide in Niederkassel
Mehrere Hundert Niederkasseler Haushalte dürften in Kürze offizielle Post aus dem Rathaus bekommen. Der Inhalt: Ein Bescheid, in dem der Einspruch dieser Haushalte gegen die vom Stadtrat beschlossene Erhöhung des Hebesatzes für die Grundsteuer B von 690 auf im NRW-Vergleich rekordverdächtige 1100 Prozentpunkte zurückgewiesen wird.
Rund 1200 Einsprüche von Bürgerinnen und Bürgern gegen die entsprechenden Steuerbescheide sind in den vergangenen Monaten fristgerecht im Rathaus eingegangen, wie Bürgermeister Matthias Großgarten auf Anfrage der Redaktion bestätigt. „Alle Einsprüche wurden und werden noch von der Verwaltung geprüft, was einen großen Aufwand bedeutet“, sagt Großgarten. „Nächste oder übernächste Woche werden wir beginnen, unsere Bescheide zu verschicken.“
Niederkasseler Steuerberater stellte Musterformulierungen zur Verfügung
Die Prüfung eines Großteils der Widersprüche dürfte für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Kämmerin Hilde Schmitz vergleichsweise einfach sein. Denn viele von Ihnen haben auf Musterformulierungen von Klaus Wallersheim zurückgegriffen. Der Niederkasseler Steuerberater mit Kanzlei in Bonn gehört zu jenen, die den Protest gegen die Grundsteuererhöhung auch in den sozialen Medien formuliert hatten.
„Das Bundesverfassungsgericht hat einmal formuliert, dass solche Steuern beziehungsweise Steuererhöhungen für die Steuerpflichtigen keine erdrückende Wirkung haben dürfen“, sagt Wallersheim. „Bei einer Erhöhung der Grundsteuer um fast 60 Prozent muss man schon einmal hinterfragen, ob das nicht eine erdrückende Wirkung hat.“
Das gelte vor allem für viele ältere Grundstückseigentümer in Niederkassel. „Die haben häufig noch vergleichsweise große Grundstücke, weshalb sie von einer solchen Steuererhöhung besonders hart betroffen sind“, sagt Wallersheim. „Ich habe hier tatsächlich ältere Menschen am Telefon gehabt, die geweint haben, weil sie das finanziell einfach nicht stemmen können und auch der Verkauf des Hauses und ein Umzug ins Altersheim wegen der hohen Pflegekosten keine Option für sie ist.“
Kritik an Grundsteuer-Entscheidung des Niederkasseler Stadtrates
Dass die hundertfach verschickten Widersprüche erfolgreich sein werden, glaubt Wallersheim nicht. „Die Stadtverwaltung kann ja eigentlich gar nicht anders, als die Widersprüche abzulehnen“, räumt der Steuerberater ein. Handlungsmöglichkeiten habe nur der Stadtrat, der die Erhöhung des Hebesatzes um 410 Prozentpunkte schließlich im vergangenen Jahr beschlossen habe. „Der Stadtrat muss überlegen, ob es angemessen ist, dass die Grundsteuer allein wegen der Kosten der Neubauten im Schulzentrum Nord nach Angaben der Kämmerin um 356 Prozentpunkte steigen müssen.“
Für den ausgesprochen wahrscheinlichen Fall, dass die Widersprüche der Niederkasseler Bürgerinnen und Bürger von der Stadtverwaltung abgelehnt werden, will sich Wallersheim alle Optionen offenhalten. Man müsse dann prüfen, ob es sinnvoll sei, gerichtlich gegen die Erhöhung der Grundsteuer und die Grundsteuerbescheide vorzugehen. Auch die Einreichung einer Sammelklage vieler Betroffener sei grundsätzlich denkbar.